Berauschende Themenwanderung im schönen Reichenbachtal

Hermann Groß wusste Wissenswertes, Erfrischendes und Erheiterndes über das Reichenbachtal zu berichten.

Falkenstein (pit) – „Reichenbachtal“. Dieser Name lässt im Vorhinein Spekulationen zu. Wohnen hier die Reichen oder ist es reich an Bächen? Gibt es darin gar Gold zu schürfen? — Solche Träume seiner rund 20 Teilnehmer zählenden Gruppe ließ Heimatforscher Hermann Groß, der durch das Falkensteiner Gebiet führte, gar nicht erst aufkommen. Dahingegen konterte er mit Reichhaltigkeit bei seinen Ausführungen, die er im Dienste des Heimatvereins Falkenstein zur Themenwanderung zusammengestellt hatte.

Sie begannen mit der Einführung in den Verlauf des Reichenbachs anhand einer Karte von seinem Quellgebiet am Kleinen Feldberg (700 m Höhe) über die Vereinigung mit dem Rombach, bis er in der Nähe des Königsteiner Woogtalbades schließlich im Liederbach bis zu seiner Mündung in den Main aufgeht. Ein „fließender“ Zusammenhang, der vielen Zuhörern unbekannt gewesen sein dürfte.

Reich war der wasserreiche Bach in seinem Oberlauf zumindest an Geräuschen und so war das „Rauschen“ nicht nur ein beliebtes Studienobjekt, zum Beispiel des Kronberger Malers Philipp Franck, sondern hatte schon früh in der Historie eine große Bedeutung für Königstein. Er war ebenso Wasser- wie Energielieferant und mit seinen künstlich angelegten Abzweigungen Mühlbach und Höhenbach die Grundlage für das Bestehen und die Entwicklung zahlreicher Mühlen und Gewerbebetriebe seit dem Mittelalter. Hermann Groß: „Aufgrund seiner Hanglage hatte Königstein schon immer Probleme mit dem Wasser.“ Zwar habe es schon immer einen Brunnen am Rathaus gegeben, doch dieser sei wegen seiner Tauglichkeit „kaum zum Verzehr geeignet“ gewesen.

Vom Parkplatz am Reichenbachweg begab sich die Gruppe zum Forellenweiher, wo man erstmalig auf den Bach traf. Entlang seines Bettes ging es dann in die sommerlichen Wiesen eines Naturschutzgebietes, die noch heute überwiegend in Falkensteiner Privatbesitz sind und lange Zeit als „Lieferant“ für frisches Tierfutter und Heu dienten.

Rund um die wildromantische Gegend gab es natürlich auch einige Geschichten und „Geschichtchen“ zu erfahren. Zum Beispiel, dass 1893 Käthchen Paulus, genannt Miss Polly (eine Pionierin der Luftfahrt), mit ihrem Ballon „Kolumbus“ wegen starker Winde im Reichenbachtal notlanden musste. Sie sei – auf einem hölzernen Pferd sitzend, das am Ballon hing – im Verlauf eines Sommerfestes in Wiesbaden aufgestiegen, bis sie die Taunuswinde zur geräuschlosen Notlandung zwangen. So stand es auch damals in der Zeitung zu lesen.

Erst auf ihre Hilferufe hin seien Falkensteiner Bürger herangeeilt, um sie aus dem Gewirr der Seile zu befreien, durch die sie beinahe stranguliert worden wäre.

Dann ein wirtschaftlicher Aspekt: Im Zuge der Ausweitung der Kurbetriebe im Vordertaunus Mitte des 19. Jahrhunderts um die Einführung so genannter Molkekuren habe es im oberen Reichenbachtal eine „Schweizer Alm“ gegeben, denn eine Molkerei aus Appenzell/Schweiz habe eine ganze Zeit lang jährlich 40 bis 50 Bergziegen nach Falkenstein gebracht. Unter fachkundiger Leitung eines Senners oder einer Sennerin sei dort entsprechend viel Ziegenmolke produziert und für spezielle Kuren in die Orte der Umgebung gebracht worden – unter anderem nach Bad Soden, weswegen in der Sodener Kurgeschichte die „Alm“ im Reichenbachtal als „Quelle“ erwähnt wird.

Interessant schließlich auch die Geschichte des Reichenbachwegs, aus der der Lokalhistoriker Interressantes zu berichten hatte. Seit Ende des 19. Jahrhunderts eine beliebte Villengegend, endete die Idylle spätestens am 9. November 1938, als das vornehme Anwesen der jüdischen Familie Dr. Blau einer Brandstiftung durch die Nationalsozialisten zum Opfer fielen.

1941 sei die Straße in „Werner-Mölders-Straße“ umbenannt worden – freilich nicht ganz ohne Grund, denn der Luftwaffenoffizier hatte hier bei einer befreundeten Familie seine Hochzeit gefeiert, bevor er kurze Zeit später mit seiner Maschine tödlich abgestürzt ist.

Eine weitere eingreifende Veränderung ging mit dem Frühjahr 1945 einher. Da war der gesamte Straßenzug für die Öffentlichkeit gesperrt worden, weil er zum gut zu sichernden Wohngebiet der Hochkommissare und weiterer alliierter Prominenz in der Nähe von Frankfurt und Wiesbaden ausgesucht geworden war. Immerhin wohnten hier der amerikanische General Clay, der britische Luftmarschall Tedder und der französische General Koenig.

Doch auch ohne diese historischen Fakten ist das Reichenbachtal immer wieder einen Besuch wert – locken doch auch bei hohen Außentemperaturen ein durch den Reichenbach erfrischendes Klima und eine überaus idyllische Naturkulisse.



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