Die Martin-Luther-Gemeinde Falkenstein feiert das einhundertjährige Jubiläum ihrer Kirche

Foto von der Glockenweihe 1913.

Falkenstein – „Zum Zeichen der Teilnahme an diesem Ehrentag unserer Mitbürger werden die verehrlichen Einwohner herzlichst gebeten, ihre Häuser schmücken und beflaggen zu wollen.“ Mit dieser Aufforderung stimmt Bürgermeister Hasselbach am 19. Mai 1914 alle Falkensteiner auf den großen Tag ein, den die Evangelische Gemeinde am 24. Mai 1914 begehen konnte: die Einweihung eines eigenen Gotteshauses.

100 Jahre später feiert die Gemeinde, die heute den Namen Evangelische Martin-Luther-Gemeinde Falkenstein trägt, dieses Jubiläum mit einem großen Fest am kommenden Sonntag, 6. Juli, mit einem festlichen Gottesdienst und einer Kirmes Unter den Eichen, wie es sie früher gab. „Dass es seit 100 Jahren diese Kirche in Falkenstein gibt, ist für uns ein Grund zu großer Dankbarkeit“, sagt dazu Gemeindepfarrer Lothar Breidenstein. „Aber das Fest soll nicht nur die Vergangenheit würdigen. Die Feier zeigt uns, wie wichtig dieses Gotteshaus für die Menschen bis heute ist, und es macht Mut, sich auch den Herausforderungen der Zukunft zu stellen.“

Bürger evangelischen Bekenntnisses hatte es seit der Reformation in ununterbrochener Folge gegeben, durch alle Wechselfälle der Konfessionsgeschichte hindurch. Ein eigenes Gotteshaus jedoch fehlte. Der Gottesdienst, gehalten von den Kronberger Pfarrern, wurde im winzig kleinen Schulhaus gehalten – in dem Raum, in dem auch Unterricht gehalten wurde und der zugleich Wohnzimmer des Lehrers war. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnete sich die Möglichkeit zum Kirchenbau, nicht zuletzt durch kaiserliche Unterstützung.

Als der damalige Kronberger Pfarrer Wilhelm Assmann 1903 sein Amt antrat, nahm er dieses Projekt in Angriff. Ein Kapellenbauverein wurde gegründet, der fleißig Spenden sammelte. Sogar eine Kirchensteuer wurde eingeführt. Doch das Unternehmen stockte. „Schon damals vor hundert Jahren waren Faktoren ausschlaggebend, die das Profil der Gemeinde bis heute prägen“, so Pfarrer Breidenstein. „Damals wie heute ist das hohe Maß an Eigeninitiative der Falkensteiner Kennzeichen unserer Gemeinde. Schon damals hatten sie die Kirche als ihre ureigene Angelegenheit angesehen und nicht als etwas, für das eine Behörde zuständig ist.“

So bildete sich 1908 sich die private „Evangelische Vereinigung“, die nicht abwartete, bis eine Kirche gebaut werden konnte, sondern begann, der Gemeinde Leben einzuhauchen. Sie organisierte kirchliche Veranstaltungen für die Gemeinde: Vorträge, Aufführung von Laienspielen, Lichtbildabende, Missionsabende, Weihnachtsfeiern mit Kinderbescherung, Konzerte, Ausflüge. Auftrieb verlieh dem Bauvorhaben der Bau des Offiziersheims (heute Hotel Falkenstein Grand Kempinski) an der Stelle der alten Heilstätte des Dr. Dettweiler im Jahr 1909. „Damals wie heute waren es Fremde, die maßgeblich dazu beitrugen, dass die Kirche gebaut werden konnte“, so Breidenstein. Patienten der ehemaligen Dettweilerschen Klinik, später dann die Kurgäste des Offizierserholungsheimes und „Frankfurter Villenbesitzer“, die sich im Taunus niedergelassen hatten, stifteten stattliche Summen. Auch Kronberger Familien wie die Familien Mumm von Schwarzenstein und Familie von Guaita stifteten die Einrichtung der Kirche. „Damals haben die Falkensteiner viel Unterstützung von ,Fremden’ erhalten. Das Zusammensein von Einheimischen und Zugezogenen prägt unsere Gemeinde heute noch in gleichem Maße“, so Breidenstein.

Zu dem Spenden-Grundstock kam dann ein „kaiserliches Gnadengeschenk“ Wilhelms II, und so konnte die Gemeinde den Bau angehen. Mit dem Bau beauftragt wurde der renommierte Herborner Kirchenbaumeister Ludwig Hofmann (1862–1933), der auch schon die Kirche in Königstein (1886–1888) entworfen und gebaut hatte. Die Innenausmalung geht auf Entwürfe des Frankfurter Malers Professor Rudolf Linnemann zurück. Kanzel, Altar und weitere Ausstattung sind Stiftungen

Am 27. Oktober fand die Feier der Grundsteinlegung in Anwesenheit des Generalsuperintendenten D. Maurer, Wiesbaden, der damals an der Spitze der Nassauischen Landeskirche stand, statt.

Die Baufirma Philipp Feger, Falkenstein, errichtete den Bau aus grau-grünem Mammolshainer Bruchstein. Daneben waren die Schreinermeister Ludwig und Leonhard Hasselbach und Martin Hölscher an dem Bau sowie der Einrichtung der Kirche beteiligt. Bei der Firma Rincker in Sinn wurden drei Glocken gegossen. Am 15. März 1913 wurden die Glocken in einem Festzug durch Falkenstein feierlich eingeholt und auf den Turm gebracht.

Die festliche Einweihung fand am 24. Mai 1914 statt. „Um einer Überfüllung vorzubeugen, werden Einlasskarten ausgegeben“, schreibt die „Taunus-Zeitung“ in ihrer Ankündigung. Zunächst wurden Ehrungen vorgenommen: „Vor Beginn des Gottesdienstes überreichte im Auftrag des Kaisers der Herr Generalsuperintendent die Krone zum Roten Adlerorden dem früheren Chefarzt Dr. Krebs (jetzt Aachen), den Roten Adlerorden 4. Klasse Herrn Pfarrer Aßmann, und das Verdienstkreuz in Silber Herrn Ph. Feger.“ („Taunus-Zeitung“) Der Kaiser ließ sich durch Prinz Friedrich Karl von Hessen und Prinzessin Margarete vertreten. Anwesend waren Regierungspräsident von Meister, Wiesbaden; Landrat Ritter von Marx, Bad Homburg; Oberstabsarzt Dr. Krebs, der Leiter des Offiziersgenesungsheims; Bürgermeister Hasselbach; von Seiten der Kirche: Generalsuperintendent Karl Ohly, Wiesbaden, Dekan Anthes, Sulzbach, der Vertreter des Gustav-Adolf-Vereins und mehrere Nachbarpfarrer.

Nach der Schlüsselübergabe durch den Architekten sang der Kronberger Kirchenchor das „Altniederländische Dankgebet“ („Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten“) – ein Lieblingslied Kaiser Wilhelms II, Ausdruck des preußische Staatskirchentums. Die Festpredigt hielt Pfarrer Wilhelm Aßmann. Die Orgel spielte der Organist an der Frankfurter Katharinenkirche und Dozent am Dr. Hoch’schen Konservatorium Karl Breidenstein. Anschließend wurde zur Nachfeier in den Saal des „Frankfurter Hofs“ eingeladen.

„Damals schon wurde das Ereignis als ökumenischer Impuls verstanden“, betont Pfarrer Breidenstein. So heißt es in der „Taunus-Zeitung“ über die Feier der Einweihung: „In toleranter Weise nahmen auch viele Einwohner der anderen christlichen Konfession an dieser Feier teil.“ „Das Miteinander der Konfessionen in Falkenstein war jahrhundertelang von Konflikten geprägt. Umso bemerkenswerter ist es, dass der Bau der Kirche damals schon ein Zeichen ökumenischer Freundschaft war.“

Die Freude der Einweihung währte nur kurz. „In gewisser Weise markiert der Kirchenbau ja das Ende einer Epoche, die mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zu Ende ging“, so Pfarrer Breidenstein. „Die Kirche hat vielleicht noch nach frischer Farbe gerochen, als am 2. und 4. August Abendmahlsgottesdienste für die einrückenden Gemeindeglieder und ihre Angehörigen gehalten wurden.“ Die Gefallenentafel weist die gleiche Gestaltung wie der Altar auf – eine berührende architektonische Klammer.

25 Jahre später sollte sich dieses Zusammentreffen wiederholen: Im Mai erreichte die Gemeinde noch ein Glückwunschtelegramm, dass Wilhelm II aus dem Exil in Doorn sandte; und wenige Monaten später brach ein neuer, noch furchtbarerer Krieg aus. „Dieses doppelte Zusammentreffen verleiht unserer Kirche in gewisser Weise auch den Charakter eines Mahnmales für den Frieden“, meint Pfarrer Breidenstein dazu.

Im Jahr 1955 fand eine durchgreifende Renovierung statt. Der Stil entsprach nicht mehr dem schlichteren Zeitgeschmack, und so wurde der Schmuck reduziert. Am gravierendsten war die Abnahme der Altarretabel mit dem Bild von Prof. Brütt, das in die Loge verbracht wurde. Statt seiner zierte ein großes hölzernes Kreuz die Rückwand des Altarraumes.

Beleuchtung und Heizung wurden modernisiert, die Empore wurde um einen Meter verbreitert. Die Wandtäfelung, wohl durch Feuchtigkeit schadhaft geworden, wurde entfernt. Die ursprünglich üppigere Ausmalung des Altarbogens wurde auf den heutigen Stand reduziert. Die ursprüngliche Scheintäfelung des Altarraumes wurde entfernt.

Eine wichtige Neuerung war auch die Umwidmung der Kaiserloge, die ihre Funktion schon lange verloren hatte: Sie wurde in eine Gedächtnisstätte für die Kriegsopfer von 1914/18 und 1939/45 umgewandelt. Die Gedenktafel von 1923 wurde hierher verbracht und ein künstlerisch ausgestattetes, von einem Ehepaar aus der Gemeinde gestiftetes „Opferbuch“ ausgelegt. Zu seinem 25-jährigen Dienstjubiläum als Organist, das mit dem 50-jährigen Kirchenjubiläum zusammenfiel, spendeten Dr. Mohr und seine Familie den Taufstein aus französischem Marmor.

Als das Altarbild durch seine ungünstige Unterbringung restaurierungsbedürftig geworden war, beschloss der Kirchenvorstand, es im Herbst 2002 wieder an seinen ursprünglichen Ort zu versetzen. Karfreitag 2004 wurde auch ein im Besitz der Gemeinde befindlicher geschnitzter Kruzifixus aufgestellt, der zuvor vergoldet wurde. Durch Stiftungen konnte in den darauffolgenden Jahren das Abendmahlsgerät restauriert und ergänzt werden. Ebenfalls durch eine Stiftung konnte im Jahr 2009 eine Truhenorgel angeschafft werden.



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