Auch beim zehnten Gourmetgipfel funkeln die Sterne und die Augen der Genießer

Das Stelldichein der Sterneköche auf dem Rasen vor der Villa Rothschild förderte eine nicht ganz unerhebliche Statistik zu Tage: Zehn Köche und zwölf Sterne – Chapeau! Fotos: Schemuth

Königstein (el) – Auf dem Rasen vor der Villa Rothschild gaben sich die zehn Gastköche beim Gruppenfoto zum nunmehr zehnten Gourmetgipfel in der Villa Rothschild Kempinski noch ganz entspannt. Später, bei der Vorstellung der von den Sterneköchen auserwählten Kreationen wirkte so mancher von ihnen nicht mehr ganz so gelassen, sondern war in Gedanken bereits an seiner Kochstation. Wie immer zum Gipfeltreffen der besten Köche Deutschlands lockten diese Geschmackserlebnisse in sämtlichen Räumen der ehrwürdigen Villa. Einer der Hauptakteure des Abends – es handelt sich um Daniel Schimkowitsch vom L.A. Jordan Restaurant im Ketschauer Hof – merkte bei seiner Vorstellung scheinbar ganz cool mit verschränkten Armen an: „Ich mache das, was ich am besten kann – verkohltes Rind“, wobei man wieder beim viel zitierten Understatement angelangt wäre, denn der Ein-Sterne-Koch, den man mit seinem Team und der dazu gehörigen Kochstation in den heiligen Hallen der Villa – nämlich in der Küche – live erleben konnte, hatte natürlich untertrieben. Sein Rind à la Teriaky mit frisch geriebenen Sommertrüffeln war so zart, dass es einem schon beim ersten Bissen auf der Zunge zerging, so dass man sich am liebsten auf dem Absatz umgedreht hätte, um sich nochmals in die Schlange zum Nachschub holen einzureihen. Da auch beim Jubiläumsgipfeltreffen so etwas wie ein unsichtbarer Ehrenkodex zu greifen schien – nicht vordrängeln, geduldig warten und genießen, legte man diesen, sich aufdrängenden Gedanken ganz fix wieder zu den Akten. Etwa 450 Gäste erlebten einen Nachmittag, der zum Abend und für so manchen nach dem fulminanten Feuerwerk zu später Stunde noch zur Nacht wurde, der Extraklasse, voller Genüsse und bleibender Eindrücke, die nicht so schnell zu toppen sein werden.

Eingefunden hatten sich die ersten Gäste bereits zur Cocktail Hour, wie man so schön sagt. Diese wurde im kleinsten, aber feinsten Boutique Fünf-Sterne-Superior Hotel Kempinski etwa um 17.30 Uhr herum terminiert. Wobei so mancher es gar sichtlich genoss, zu späterer Stunde die Treppen der einstigen Residenz der Rothschilds hinunter zu schlendern, wohl wissend, dass ihn hunderte von Augenpaaren musterten. Wenn man ehrlich war, gab es nicht nur kulinarisch etwas zu sehen.

Die Gäste – unter denen auch auffallend viele Vertreter der jüngeren Generation weilten – ließen erkennen, dass sie anscheinend nicht nur erlesene Gourmets sind, sondern auch noch modebewusst dazu. Gerade die Herren erwiesen sich in so mancher Hinsicht als Trendsetter. Man staunte nicht schlecht: Hellblaue Stretch-Anzüge mit eng anliegenden, hochgekrempelten Hosenbeinen sah man mehr als einmal an sich vorbei flanieren.

Ein schönes Add-on, was sich in den vergangenen Jahren immer mehr herausgeschält hat: Zahlreiche Weingüter waren mit ihren edlen Tropfen vertreten, um rund um die im jeweiligen Raum präsente Kochstation den dazu passenden Wein anbieten zu können. Darunter auffallend viele Weißweine – vom Spätburgunder bis hin zum Riesling –, um die Geschmacksnoten der in der Mehrzahl vertretenen Fischgerichte zu intensivieren bzw. entsprechend geschmacklich zu begleiten.

„Wir wollen uns auf das besinnen, was diesen Abend ausmacht“, hatte Hoteldirektor Stefan Massa eingangs des Abends die Devise ausgegeben und dabei gleich erkennen lassen, dass man sich angesichts der zehn versammelten Köche und somit zwölf vertretenen Sterne sowie 138 Gault Millau Punkte zwar viel vorgenommen habe, es jedoch nicht etwa bedeuten solle, dass man zum Jubiläum der Meinung war, das bisher Dagewesene noch überbieten zu müssen. „Ich bin sehr aufgeregt, aber freue mich riesig“, hatte Christian Eckhardt, seit fünf Jahren Küchenchef der Villa Rothschild, eingangs gesagt, für den sowie für Oliver Heberlein vom Schwesterhotel Kempinski Falkenstein auch der zehnte Gipfel so etwas wie ein Heimspiel war. Aber eben eines, das man nicht auf die leichte Schulter nimmt, sondern es dazu nutzt, um sein Können und seine Einzigartigtkeit, auch in der Kochkunst, hervorheben zu können. Den Rest musste der Gast mit seinem Gaumen entscheiden.

Interessant festzustellen, wie bereits erwähnt, Fischgerichte schienen hoch in der Gunst der Akteure des Abends zu stehen. Dabei mussten es nicht immer Exoten sein – vielmehr machte das Zusammenspiel der Zutaten die besondere Note aus. Nicht zu unterschätzen: Schon das erste Urteil fällten die Gäste mit dem bloßen Auge und nicht mit der Gabel. Da nahm man doch gerne einige Minuten des Anstehens bei Gipfel-Größen wie Sarah Henke (Yoso – Streetfood & Sushi) in Kauf, um sich von der Fachfrau persönlich in die Kunst der Sushi-Herstellung einweihen zu lassen. Wobei, wenn man ehrlich ist, so viel Zeit zum Fachsimpeln blieb gar nicht. Hochkonzentriert und akurat richtete die Starköchin in minuzöser Reihenfolge die Teller an. Dabei erfuhr man dann doch glatt im Vorbeigehen, dass Henke Rindertartar als Topping in das Sushi mit eingearbeitet hatte, den man sonst im Restaurant als warmes Gericht bekommen kann.

Fischvariante zwei von ingesamt fünfen zur Auswahl hielt einer bereit, der sich noch sehr gut in der Küche der Villa Rothschild auskennen dürfte. Schließlich hat Zwei-Sterne-Koch Christoph Rainer jahrelang hier gekocht, bevor er zum Restaurant Tigerpalast gewechselt hat. Sein Beitrag zum Gourmetgifpel – „Ceviche vom schwarzen Lachs“ – mit Algenrahm, Meeresfencheleis, Gurken-Limettensud und Küstengewächsen zählte zu den besten des Abends, weil er als absolute Überraschung daher kam – kühl und weich, frisch und fruchtig und vor allem eines – wie die allermeisten Kreationen an diesem Abend – in sich stimmig und geschmacklich abgerundet. Selbst wenn da vordergründig auf dem Papier erst mal geschmackliche Gegensätze herauszulesen waren, wie etwa beim österreichischen Alpenlachs von Paul Stradner (Brenners Park-Hotel & Spa), der seinem lauwarm gegarten Fisch eine Safranveloute entgegensetzte, um diese dann mit Erbsen und Radieschen zu verfeinern. Cedric Schwitzer (Schwitzer‘s Hotel am Park) baute stattdessen auf eine asiatische Note mit Sushimi vom Kingfisch, Litschi, Kokos und Zitronengras.

Gleich zweierlei Gerichte hatte Christian Eckhardt mitgebracht. Zum einen seine Interpretation eines griechischen Bauernsalats mit feinstem Dressing und einem Hauch von Romanasalat und Tomate, fein geriebenem Feta und einem Bett aus pürierter Olive. Sein zweiter Beitrag stand dem ersten nicht in Raffinesse nach: Gebratener Kaisergranat mit Fenchel und Dill, dem Wermut eine überraschende Geschmackswende verleihen sollte. Claus Peter Lumpp (Restaurant Bareiss, Hotel Bareiss), Drei-Sterne-Koch in der ohnehin schon erlesenen Runde, hatte sich auch als einziger unter Fisch- und Rindliebhabern für Geflügel entschieden. Rosmarin und konfitierte Tomate sowie Buratta und vor allem der dominierende Zitronenemmer bildeten den Rahmen für sein geschmortes Perlhuhn. Ein Bravo mit drei Ausrufezeichen gilt es, Sven Wassmer (Restaurant Silver, Hotel 7132) zuzurufen, der seinen Rindertartar mit Tanne und Blumenkohl veredelt hatte und was so einfach klingt, in Wahrheit nur ein echter Meister wie er zu vereinen versteht. Ebenso wie Oliver Heberlein, der die fleischliebende Fraktion vertrat mit vorzüglichem Iberico Schwein, gesmoked und gebraten mit Pimentosalsa und weißer Bohnencreme. Immer wieder sah man sich zurückkehren zwischen den einzelnen Erlebnissen zum Herzstück des Gipfels, das neben der Terrasse, die dank eines gemütlichen Zeltes zum überdachten Bereich wurde, natürlich auch in der Hotelküche zu finden war. Die Zeit schien zu rasen, so sehr war man damit beschäftigt zu genießen und schon stand man mitten im „Taunuswald“ und musste sich erst einmal selbst klarmachen, dass diese Märchenlandschaft, die sich vor einem aufbaute, nicht zu schön war, um zu essen. Liebevoll wurde hier zum Dessert das Thema umgesetzt und bis ins kleinste Detail herausgearbeitet. Eisgekühltes Mini-Magnum – natürlich aus eigener Herstellung – gab es hier ebenso wie Holunderblüten im Pralinenformat und Fliegenpilze, die einfach nur verführerisch köstlich waren. Ebenso einem Trend folgend – den sogenannten „Cake Pops“ – konnte hier Pana cotta am Stiel in den verschiedensten Formen – mal als Kleeblatt, ein andermal als Erdbeere – einfach so gepflückt werden. Kräuter und Sauerampfer fanden sich in so mancher Kreation wieder und ebenso Wortschöpfungen wie „Morgentau“, die zudem für süßen Genuss standen mit Rhabarber, Erdbeere und Schokolade. Schließlich durfte ein Dauerbrenner der Nachtischwelt der jüngsten Zeit – die Macarons – in ihrer typischen Form und Ausprägung nicht fehlen. Ebenso wenig die Tasse Espresso oder der feine Absacker zum guten Schluss, ehe man sich zum Feuerwerk wieder traf, um doch ein wenig bedauernd und ungeduldig festzustellen, dass man bis zum nächsten Gourmetgifpel nun doch ein ganzes Weilchen warten müsse.

Teamwork war an den Kochstationen gefragt: Da legte neben den Sous-Chefs auch der Boss, in diesem Fall Christoph Rainer (Mitte), selbst Hand an beim letzten Schliff.

„Ich glaub ich steh im Wald!“ – und das entfuhr den Lippen der Gäste im positven Sinne, als sie sich der süßen Nachtischauswahl gegenübersahen.

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