Herz unter Stress – die Wirkung von Stress und gesundem Lebensstil

Die Referenten und Veranstalter des Herzseminars gaben umfassende Antworten auf Fragen rund ums Herz: Dr. Kurt Schmidt (v. li.), Dr. Anita Püttmann, Marie Louise Vogel, Dr. Gerhard Toepel, Diana Edzave und Sonja Wessely. Foto: Krüger

Königstein (sk) – Vergangenen Mittwoch veranstalteten die Deutsche Herzstiftung und die Klinik Königstein der KVB ein Herzseminar unter dem diesjährigen Thema „Herz unter Stress“. In dem großen Vortragssaal der Klinik fanden sich mehr als 70 Besucher ein, darunter Patienten, Angehörige, Ärzte und gesunde Interessierte. Mit dem Ziel, Herzpatienten wie auch gesunde Menschen neutral und unabhängig über die Behandlung und Vorsorge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu informieren, wurde die Deutsche Herzstiftung bereits 1979 gegründet. Mittlerweile unterstützen mehr als 94.000 Mitglieder den Verein. Darunter auch Dr. med. Gerhard Toepel, der als Chefarzt, Internist und Kardiologe der KVB Klinik das Seminar kompetent und sympathisch moderierte. Zwei Vorträge zu den Themen „Wie wirkt sich Stress auf die Gesundheit aus“ und „Wie führt ein Herzpatient ein gesundes und aktives Leben“ bildeten den Kern der Veranstaltung. In der Pause leitete Marie Louise Vogel, Diplomsportwissenschaftlerin und diesjährige Paralympics-Trainerin in Rio de Janeiro, die Gäste auf fröhlich unbeschwerte Weise zu herzgesunden gymnastischen Übungen an.

Die Psychologin Dr. Anita Püttmann erklärte in dem ersten Vortrag, warum Stress im Sinne von psychosozialen Belastungen am Arbeitsplatz, in der Familie oder im sozialen Umfeld eine stetig wachsende Bedeutung als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Krankheiten gewinnt. Der Begriff „Stress“ stammt ursprünglich aus der Werkstoffkunde und beschreibt die Reaktionen technischen Materials unter besonderer Belastung. Erst ab 1936 übertrugen Psychologen den Begriff Stress auf das Verhältnis von Mensch und Umwelt. Mittlerweile sei es „schick“, gestresst zu sein, so die Psychologin. „Wer nicht im Stress ist, der ist in unserer Gesellschaft kein wichtiges Mitglied“, fasste Dr. Püttmann ihre Beobachtungen zusammen. Stress definiert sich entsprechend des von dem Psychologen Richard Lazarus 1974 veröffentlichten Stressmodells als das individuelle Erleben einer übermäßigen Belastung (Stresssituation), gefolgt von einer spezifischen Stressreaktion. Von wesentlicher Bedeutung sind danach die subjektive Bewertung der (Stress-)Reize und nicht ihre objektive Beschaffenheit, denn Menschen können für bestimmte Stressoren höchst unterschiedlich anfällig sein. Wird eine Situation als potenziell gefährlich und damit stressend empfunden, erfolgt im zweiten Bewertungsschritt die Überprüfung, ob die Situation mit den verfügbaren Ressourcen bewältigt werden kann. Wenn die Ressourcen als nicht ausreichend bewertet werden, dann wird eine Stressreaktion ausgelöst, beispielsweise Aggression, Kampf, Flucht oder auch Erstarren. Gleichzeitig reagiert der ganze Körper auf diese Stresssituation mit der Aktivierung des Gehirns, Atembeschleunigung, Bluthochdruck, vermindertem Speichelfluss, erhöhter Schweißbildung, Energiebereitstellung, Durchblutungsstörungen in Händen und Füßen, erhöhter Schmerztoleranz u.a. „Das sind unbestreitbar sehr nützliche Reaktionen“, betonte Dr. Püttmann, „wenn man sich blitzschnell mit geschärften Sinnen für Flucht oder Kampf entscheiden muss, so wie es der unzivilisierte Mensch in grauer Vorzeit tun musste“. War die Gefahr gebannt, regelte sich der Körper rasch wieder runter auf den Normalzustand. Aber was passiert bei unseren heutigen psychischen und sozialen Stressoren in der Familie oder am Arbeitsplatz? „Da ist unser Stresssystem fehlangepasst“, erklärte Dr. Püttmann. Ein „Abschalten“ oder „Runterregeln“ auf den Normalzustand ist meist nicht möglich. Der Ausnahmezustand wird zum Dauerzustand, weil sich komplexere Problemstellungen nicht einfach mit Flucht oder gewaltsamen Auseinandersetzungen lösen lassen. Der Stress wird chronisch. Zirkulieren dann Stresshormone wie Adrenalin und Kortisol permanent im Blut, hat das weitreichende gesundheitliche Konsequenzen insbesondere für das Herz. Stressfolgen sind Bluthochdruck, erhöhte Blutfettwerte und verstärkte Ablagerungen in den Gefäßen - die gefürchtete Arteriosklerose. Wie geht man nun mit dem Stress um? Dr. Püttmann unterscheidet drei Arten der Stressbewältigung: das instrumentelle, das kognitive und das regenerative „Coping“.

Die instrumentelle Herangehensweise umschreibt die Reduktion von äußeren Belastungsfaktoren. Kognitiv wird Stress bewältigt, indem die stressverschärfenden Bewertungen verändert werden. Das Hauptziel liegt darin, eine Belastung eher als Herausforderung zu sehen, weil so ein Lebensumstand positiv bewertet wird und dadurch Ressourcen frei werden, um angemessen zu reagieren. Bei der regenerativen Stressbewältigung wird in erster Linie versucht, die durch die Stresssituation entstandene emotionale Erregung abzubauen oder einen Ausgleich zu schaffen. Die KVB-Klinik bietet entsprechende Kurse zur Stressbewältigung an, wie Dr. Toepel eingehend betonte. In der Pause hatten die Gäste ausreichend Gelegenheit, sich über die Arbeit der Deutschen Herzstiftung zu informieren. Die beiden Mitarbeiterinnen, Sonja Wessely und Diana Edzave, versorgten die interessierten Gäste mit umfangreichem Informationsmaterial.

Oberarzt Dr. med. Kurt Schmidt referierte im Anschluss zügig und locker über gesunde Ernährung und einen gesunden Lebensstil. Kardiovaskuläre Risikofaktoren wie zu viel Gewicht, Fettleber, Bluthochdruck, Gefäßschwäche oder hoher Blutzucker lassen sich erwiesenermaßen durch Ernährung und Sport senken bzw. stabilisieren. Unser heutiger üblicher Lebensstil, geprägt von Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und zunehmend Stress, schädigt unser Herz und führt zu den Risikokrankheiten Bluthochdruck, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen. Ein wichtiger Ansatzpunkt, Herzkrankheiten zu vermeiden, liegt in einer Änderung des Lebensstils. „Aber das ist nicht einfach“, weiß Dr. Schmidt zu berichten. „Viele Menschen sehen in der Umstellung ihrer Essgewohnheiten eine Zumutung, da sie sich an eine Ernährung mit viel Fleisch, Wurst, Fett und Süßigkeiten gewöhnt haben und keinen Gefallen an Gemüse, Salat, Obst und Vollkornprodukten finden, so wie es die Herzexperten mit der sogenannten mediterranen Küche empfehlen.“ Darunter ist mehr zu verstehen als nur Rezepte aus dem Mittelmeerraum. Entscheidend sind die Lebensmittelauswahl und der Genuss an der Mittelmeerküche. An erster Stelle steht Gemüse, das den Hauptbestandteil ausmacht, gefolgt von Kohlenhydraten. Die Haupteiweißquellen sind Hülsenfrüchte, Fisch und Geflügel. Rotes Fleisch gibt es eher selten. Aber verboten ist es nicht. Und ganz wichtig: jeden Tag Obst essen, wenn möglich fünf Mal am Tag. Für eine Gewichtsreduktion ist laut Dr. Schmidt nicht die Kalorienanzahl pro Tag entscheidend, sondern das dauerhafte Kaloriendefizit, um den bekannten Jo-Jo-Effekt zu vermeiden. Aber wie schafft man es, seine Essgewohnheiten umzustellen? Indem man erkennt, dass der Genuss mit der neuen Ernährungsform nicht vorbei ist, sondern sich eine andere Art des Genießens bietet. „Einen geeigneten Weg zu einem gesunden Lebensstil zu finden, gelingt am ehesten über Bewegung“, erläuterte Dr. Schmidt. Denn Bewegung kann ein Antrieb für eine Änderung des gesamten Lebensstils sein. Wenn man beginnt, sich für die eigene körperliche Leistungsfähigkeit zu interessieren, bekommt man bald Übergewicht und falsche Ernährungsgewohnheiten in den Griff. Täglich einige Minuten Ausdauerbewegung wie z.B. Gehen, Laufen oder Radfahren bremst die Entstehung oder das Fortschreiten von Herzkrankheiten. Und Bewegung hilft hervorragend gegen Stress. Ziel sollte es für alle sein, lange mit guter Lebensqualität aktiv zu bleiben.



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