„Neun Jahre Finanzkrise – bleibt noch etwas zu tun?“

Prof. Dr. Manfred Schubert-Szilavecz, Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen, Leonard Helm, Dr. Stephan Bredt. Foto: Scholl

Königstein (gs) – Etwa 130 interessierte Bürger und geladene Gäste fanden sich kürzlich im Haus der Begegnung ein, um an einer Veranstaltung der Goethe-Universität zum umfassenden Thema „Finanzkrise“ teilzunehmen. Das Credo von Professor Manfred Schubert-Zsilavecz, Vizepräsident der Frankfurter Universität „wir möchten mit und auch für die Gesellschaft arbeiten“ konnte sicher als Motto für diesen sehr interessanten Abend gelten. Die Goethe-Universität verlässt im Rahmen der Vortragsreihe ihren „Elfenbeinturm“ und hat es sich zum Ziel gesetzt, ihr Wissen und ihre Kompetenzen auch in die Städte der Region zu tragen. Die Goethe-Universität ist seit 2008 wieder Stiftungsuniversität und mit aktuell circa 47.000 Studierenden die größte ihrer Form in Deutschland. Regionale Veranstaltungen wie diese dienen zum einen dazu, den Fördergedanken verstärkt in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken und zum anderen dazu, den Menschen im Umfeld der Universität eine Teilhabe an deren Forschungen zu ermöglichen. Da in Königstein viele ehemalige Absolventen wohnhaft sind, befanden sich unter den geladenen Gästen auch viele ehemalige Professoren. Ebenso waren viele Studierende der „Universität des dritten Lebensalters“ und auch interessierte Bürger der Einladung gefolgt. „Wir haben mehr als 2.000 Studierende aus dem Raum Königstein und etliche Mitarbeiter, die hier wohnhaft sind“, kann Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz berichten.

Nach einführenden Grußworten von Bürgermeister Leonhard Helm, in deren Rahmen er auf die bestehende Vortragskultur in Königstein und im Besonderen auf die diesbezügliche Historie des Hauses der Begegnung einging, übermittelte Dr. Stephan Bredt in Vertretung für den Hessischen Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir Grußworte des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Seine einführenden Worte beschäftigten sich mit der Relevanz des Vortragthemas „Neun Jahre Finanzkrise – bleibt noch etwas zu tun?“ für die Landesregierung Hessen. Er würdigte die Vortragsreihe als eine gelungene Möglichkeit des Gedankenaustausches zwischen interessierten Bürgern und der Universität und ebenso den Mut, in diesem Rahmen auch kritische Themen anzusprechen und zu diskutieren. Das noch immer aktuelle Thema Finanzkrise betrifft die Landesregierung Hessen in großem Umfang, da mit Frankfurt der führende deutsche Finanzplatz direkt betroffen ist. Zu dem Kernthema Finanzkrise führte Dr. Bredt aus, dass sie leider noch nicht ganz ausgestanden sei, dies in der Wahrnehmung der Bevölkerung jedoch nicht präsent sei, weil das „billige Geld“ der EZB die Finanzmärkte momentan beruhige. Zur Überwindung der Krise bedarf es jedoch noch weitergehender Reglementierungen und der bevorstehende Austritt Großbritanniens aus der EU trägt zu den noch immer währenden Turbulenzen im Finanzgeschäft ebenfalls bei. Ein weiteres, wichtiges Themenfeld ist die Weiterentwicklung der Finanztechnologien durch die sogenannten Fintechs. Hierzu wird ein eigenes Forschungs- und Wissenszentrum an der Goethe-Universität etabliert. Mit dem Fazit: „Es ist elementar wichtig, dass wir zum Thema Zukunftstechnologien in der Lage sein werden, eigene Analysen durchzuführen, um uns unsere eigene Urteilskraft zu erhalten und sie zu stärken“, schließt Dr. Bredt seinen Vortrag mit einem Wunsch an die Zuhörer und die Wissenschaft, eine offene Diskussionskultur zu pflegen. Prof. Dr. Jan Pieter Krahnen, Leiter des Center for Financial Studies der Goethe-Universität, hielt anschließend den Gastvortrag zu dem zentralen Thema des Abends. Um die Zusammenhänge für die Gäste nicht zu komplex werden zu lassen, entschied er sich, das Thema anhand des abgegrenzten Bereichs der CCP (Central Counterpart/ Zentrale Kontrahenten) zu beleuchten. Prof. Dr. Krahnen versteht es meisterhaft, die oft auch in diesem Teilbereich komplexen Zusammenhänge verständlich und für seine Zuhörer nachvollziehbar darzulegen. Seine zentrale Aussage läuft darauf hinaus anzuerkennen, dass im Rahmen der Finanzkrise schon viele Regularien eingeführt wurden und somit im Vergleich bereits „viel bewegt wurde“. Regelungen zur Risikobegrenzung wurden formuliert und umgesetzt – jedoch sehr oft nur auf nationaler Ebene, so dass es eine dringliche Aufgabe sein wird, einheitliche Regelungen für den gesamten europäischen Finanzmarkt zu formulieren. Um auf dem Gebiet der Derivate, diese dienen der Absicherung von zum Beispiel Zins- und Devisengeschäften, die Risiken minimieren zu können, die vor neun Jahren einerseits zur Pleite von Lehman Brothers führten, andererseits den weltgrößten Kreditversicherer (AIG) an den Rand der Zahlungsunfähigkeit brachten, hat die Finanzwirtschaft ein neues System der Besicherung von Derivatgeschäften eingeführt, das ein solches Szenario in der Zukunft verhindern soll. Leider wurden auch hier die Regelungen lediglich national umgesetzt, eine übergreifende, europäische Lösung fehlt bisher. Dieses Thema ist im Übrigen auch ein Streitpunkt bei den Fusionsgesprächen zwischen den Börsen in London und Frankfurt, da die derzeit größte europäische Börse in London den EU-Raum verlassen wird.

Im Anschluss an den sehr informativen und interessanten Gastvortrag hatten die Zuhörer die Möglichkeit, selbst Fragen zu dem Themenbereich zu stellen, wovon sie auch regen Gebrauch machten. Auch dies ist ein schönes Zeichen dafür, wie Wissenschaft und interessierte Bürger in einen konstruktiven Dialog treten können.

Die abschließende Frage von Prof. Schubert-Zsilavecz an Prof. Dr. Krahnen, ob denn die Finanzkrise nur einem Fieber gleiche oder doch eher einem chronischen Bluthochdruck, beantwortet dieser mit der Einschätzung, dass es sich eher um ein Fieber handelt und somit die Finanzkrise sehr wohl ein Ende finden wird. Die betroffenen Themen und Geschäfte sind aber so komplex, dass die Regulierungsbehörden immer einen Schritt hinterher hinken. Die Märkte und ihre Teilnehmer befinden sich in einem ständigen Entwicklungsprozess, so dass die dringend erforderliche Regulierung noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. Der im Anschluss an die Vorträge stattfindende Umtrunk fand sowohl unter den Gästen, als auch unter den Rednern großen Anklang. So wurde bei dem einen oder anderen Gläschen Wein munter weiter zu diesem wichtigen Thema diskutiert und es ist zu wünschen, dass es in der Zukunft noch weitere, interessante Vorträge dieser Reihe in Königstein geben wird. Im Rückblick auf einen sehr interessanten Vortragsabend soll die musikalische Untermalung dieses Abends nicht vergessen werden. Das musikalische Rahmenprogramm gestaltete Sieglinde Ziegler an der Oboe gemeinsam mit dem Pianisten Jan Schumacher. Beide sind Solisten der Frankfurter Universitätsmusik, wobei Jan Schumacher einigen Königsteinern bereits durch frühere Auftritte im HdB bekannt sein dürfte.



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