Ralf Bauer und Pat Fritz „in love“ mit Goethe, Rilke und Ringelnatz

Ralf Bauer (re.) und Pat Fritz – zwei Profis, die ihr Metier beherrschen und das Publikum zum Schmunzeln brachten. Foto: Sura

Königstein (aks) – Schwungvoll durchschreitet Ralf Bauer das Foyer im Haus der Begegnung, sehnsüchtig erwartet vor allem von den Damen. Auf dem Weg zur Bühne rezitiert er einen leicht abgewandelten Prolog des Faust „Auf dem Theater“, der das Verhältnis von Dichtung und Publikum thematisiert, und reimt es spontan um auf das Königsteiner Publikum.

„Sie – die Königsteiner sitzen schon mit hohen Augenbrauen

Gelassen da und möchten gern erstaunen.

Ich weiß, wie man den Geist des Volks versöhnt;

Doch so verlegen bin ich nie gewesen:

Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt,

Allein sie haben schrecklich viel gelesen.

Wie machen wir‘s, daß alles frisch und neu

Und mit Bedeutung auch gefällig sei?“

Locker steht Ralf Bauer vor seinen Fans und erklärt, dass ihn der Film „Shakespeare in love“ zu seinem Programm „Bauer in love“ inspiriert hat: Genau das richtige Format, um seinen literarischen Vorlieben und seiner Schauspielkunst freien Lauf zu lassen. Er schiebt sich seinen Hut zurecht und grinst. Er ist Schauspieler mit Leib und Seele, der den Dialog mit dem Publikum sichtlich genießt.

Wolfgang Kaus, „Mr. Volkstheater“, ist auch unter den Zuschauern. In seiner Ära gab Ralf Bauer den Ur-Faust vor dem Frankfurter Dom. Das Klagelied Fausts – die Intro sozusagen zur berühmtesten deutschen Tragödie – darf natürlich nicht fehlen: „Habe nun, ach! Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie durchaus studiert, mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor! – und bin so klug als wie zuvor“. Und prompt fällt er einem Herrn aus der ersten Reihe um den Hals: „Willst du mein Gretchen sein?“ Schallendes Gelächter. Das ist Taktik, schließlich weiß Ralf Bauer um die vielen Gretchen im Publikum und will keine bevorzugen.

Er bedauert, dass die Jugendlichen in der Schule mit Faust drangsaliert werden und zur Rolle des weltfremden Grantlers wenig Bezug finden.

Dabei war Goethe doch auch witzig: Zu einer Wette aufgefordert, aus den Worten Mädchenbusen und Haustürklingel ein Gedicht zu kreieren, entstanden folgende nicht ganz ernst gemeinte Zeilen:

Die Haustürklingel an der Wand,

der Mädchenbusen in der Hand

sind beides Dinge wohlverwandt.

Denn, wenn man beide leis‘ berührt,

man innen drinnen deutlich spürt,

dass unten draußen einer steht,

der sehnsuchtsvoll nach Einlass fleht...

Dann betritt Pat Fritz, Sänger und Songwriter, der schon mit Chris de Burgh und Roger Cicero gespielt hat, mit seiner akustischen Gitarre die Bühne. Bauer erklärt, dass Literatur und Musik wie ein Geschwisterpaar sind. Beide zeigen sie eindrucksvoll, wie die richtige einfühlsame Musik einen Text erhebt und belebt oder ihn aufs Schlimmste massakriert.

Die Liebe ist Programm an diesem Abend, der von der Königsteiner Kulturgesellschaft organisiert wurde.

Bauer liest einen Text aus Persien vor, der das Geheimnis des Liebens lüften soll. Ein Lehrer wurde von seinen Schülern gefragt, ob er denn die perfekte Frau in seinem Leben gefunden hätte. Er lächelt geheimnisvoll: „Ja, das habe ich. An mir lag es nicht. Die Traumfrau sollte schön, intelligent und lieb sein. Ich habe sie gefunden.“ „Und warum hast du sie nicht geheiratet?“, fragen die Schüler verwirrt. „Sie suchte den perfekten Mann.“ Kurzweilig ist im Anschluss die bekannte und sehr kurze Anekdote von Ringelnatz vom männlichen „Briefmark“, der sich hoffnungslos verliebte. Dem Gedicht Tucholskys „Augen der Großstadt“ verleiht Bauer die nötige Melancholie, ohne pathetisch zu wirken. Die anonyme Menschenmenge wirkt verstörend und kalt, einziger Trost sind immer wieder lebendige Blicke, denen man begegnet: „Ein Auge winkt, die Seele klingt – ein kurzer Blick, was war das? Vorbei, verweht, nie wieder!“

Ralf Bauer plaudert über seine Filmprojekte in der Vergangenheit und man hört ihm gerne zu. Die Verfilmung von Rosamunde Pilchers Liebesromanen war gut für sein Englisch. Er drehte mit Charlie Chaplin und Peter Ustinov. Dann gibt er auf Englisch den „Italian in Malta“ zum Besten, ein Italiener, der wegen seiner schlechten Aussprache aus dem Hotel fliegt und die Welt nicht mehr versteht. Pat Fritz ist an dieser Stelle temperamentvoll, sonst aber vor allem sehnsuchtsvoll leise mit einer sanften nuancenreichen Stimme an Ralf Bauers Seite. Ein wenig bedauerlich ist, dass seine Songs nicht angekündigt werden. Er singt ausnahmslos auf Englisch. Balladen wie „Bluer than Blue“, „Giorgia, He’s My Trouble“.. Bauer rezitiert dazu die Zeilen einer verzweifelten Liebe von Rilke „Lösch mir die Augen aus, ich kann dich sehen...“. Die Liebe erscheint hier als zerstörerische grausame Macht, die dennoch angestrebt wird, auch wenn sie den Verlust des Lebens bedeutet. Es herrscht nachdenkliches Schweigen.

Bauer fragt in die Stille: „Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?“ – und testet damit offensichtlich das Königsteiner Bildungsbürgertum. Die Frage geht an Gretchen, ist aber keine Gretchenfrage!

„Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehn ..“ – kommt prompt die Antwort aus der Menge. Der Schauspieler ist begeistert. Pat Fritz’ leise Klänge passen bestens zur Geschichte aus Paulo Coelhos „11 Sekunden“, in der die liebende Frau ihren Vogel einsperrt, damit er sie nicht mehr verlässt. Das Schlimmste passiert, der Vogel stirbt und wenig später auch die Frau. Im Himmel sind sie dann wieder vereint - So weit, so einfach die brasilianische Alltagsprosa. In der Liebe als Narr dazustehen und nicht immer nur im besten Licht, dazu gehört Mut: „Es interessiert mich nicht, wie alt du bist. Ich will wissen, ob du es riskierst, dich für die Liebe lächerlich zu machen, für deine Träume, für das Abenteuer, lebendig zu sein.“

Schöne Zeilen von Oriah Mountain Dreamer. Dazu haucht Pat Fritz „I don`t care..., I wanna know...“ wieder eine klangreiche Erhöhung des gesprochenen Worts. Das Publikum ist hellwach, als Bauer den „Prometheus“ von Goethe zitiert und auf Regieanweisungen wartet. „Freude“ ruft ihm jemand zu, und so interpretiert er den Prometheus strahlend und fröhlich oder auf Anweisung voller Zorn, wie es Einzelne wünschen. Die Gitarre begleitet ihn mit temperamentvollen spanischen Weisen. Bauer zeigt in seinem variablen Ausdruck, welcher Vollblutschauspieler in ihm steckt. Schade, dass man nicht den ganzen Text versteht. Im Vorteil sind klar die, die den Prometheus kennen bzw. ihn zu Schulzeiten mal auswendig lernen mussten!

Bauer wendet sich am Ende seines Vortrags dem Publikum mit einer Botschaft zu: „Euer Leben soll voller Poesie sein, voller Abenteuer, voller Liebe!“ Er meint nicht die gefällige Liebe, sondern die, die das Leben überwältigt, die in den Rausch oder den Ruin führt. Damit dieses Postulat nicht so allein im Raum steht, betört Fritz ausnahmslos alle Zuschauer mit seiner weichen und hochsensiblen Interpretation von „Over The Rainbow“. Zum Abschluss noch ein bisschen Rilke, musikalisch glänzend umrahmt mit „I hope you’re happy now!“ Der Deutschen liebster Dichter hat selbstverständlich das letzte Wort:

„Wenn Ihr‘s nicht fühlt, ihr werdet‘s nicht erjagen,

Wenn es nicht aus der Seele dringt

Und mit urkräftigem Behagen

Die Herzen aller Hörer zwingt.

Doch werdet Ihr nie Herz zu Herzen schaffen,

Wenn es euch nicht von Herzen geht.“

Ralf Bauer legte einen schwungvollen Parcours einmal quer durch die deutsche Lyrik aufs Parkett, mit den leisen und gefühlvollen Songs von Pat Fritz. Der Applaus galt zwei Profis, die ihr Metier beherrschen und mit viel Herzblut aus voller Seele sprachen und sangen – dem Publikum jedenfalls ging’s zu Herzen.



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