Reizvoll verwandelte alte Möbel gepaart mit ungewöhnlichen Fotos

Königstein (pf) – Außergewöhnlich ist, was derzeit im Albrechtshof in der Fußgängerzone zu sehen ist. Zwei Künstlerpersönlichkeiten präsentieren Arbeiten, die auf beeindruckende Weise miteinander harmonieren. Dabei haben sich die Designerin Judith Thiel, die ihr Atelier in Hamburg hat, und der Fotograf Helmut Rüger, der in Schöneck im Main-Kinzig-Kreis lebt und arbeitet, erst durch die in Königstein lebende Petra Schwägerl und die gemeinsame Ausstellung in Königstein kennen gelernt – und waren sofort von den Arbeiten des anderen begeistert. „Wahlverwandtschaft“ hat Petra Schwägerl die Ausstellung genannt, ein in jeder Hinsicht passender Name.

Was die beiden Künstler verbindet, ist eine ganz besondere Sicht auf Dinge und Gegenstände. „Ich fotografiere das Gefühl, das mich beim Betrachten berührt“, sagt Helmut Rüger. Seine Bilder erzählen Geschichten. Wie die Serie „Baumgeister“ – Spiegelungen eines Astes im vom Wind bewegten Wasser eines Sees. Oder moderne Architektur, die in der Art ihrer Darstellung einen ungewöhnlichen grafischen Reiz entwickelt. Aber auch der Kontrast von moderner Architektur zu Jahrhunderte alter Baukunst, die er in Bildern aus Frankfurt eingefangen hat, beschäftigt ihn in seinen Arbeiten immer wieder.

Dieses Thema hat es auch der Designerin Judith Thiel angetan. Sie verleiht durch das Jahrhunderte alte Kunsthandwerk der Fassmalerei alten Möbeln ein völlig neues helles und modernes Aussehen. Nach ihrem Design Studium an der „Ecole de la chambre syndicale de la couture parisienne“ in Paris arbeitete sie mehrere Jahre lang für Dior in Paris und für Caren Pfleger in Köln, ehe sie als Assistentin eines Restaurators ihre Liebe zu Antiquitäten und alten Handwerkstechniken wie Fass- und Marmormalerei für sich entdeckte und zu ihrem Beruf machte.

Fassmaler, früher auch Staffiermaler genannt, geben einer Holzplastik durch Bemalung und Vergoldung erst ihr endgültiges Aussehen. Schon im Mittelalter waren diese Kunsthandwerker hoch geschätzt und oft auch besser bezahlt als Holzschnitzer, gaben sie doch den von Holzschnitzern gefertigten Heiligenfiguren erst ihr endgültiges Aussehen. Im 18. Jahrhundert, weiß Petra Schwägerl, erlebte die Fassmalerei eine neue Blütezeit. Dem schwedischen König Gustav III., der von 1771 bis 1792 regierte, gefielen die Möbel des französischen Königs Ludwig XVI. so gut, dass er sie für seinen Palast haben wollte. Doch seine Berater überzeugten ihn, dass sie für Schweden zu dunkel seien. Und so ließ er sie von Fassmalern kalken, versilbern und vergolden und verlieh ihnen damit ein völlig neues Aussehen.

Das tut auch Judith Thiel mit einem 180 Jahre alten Sekretär aus England, einer 120 Jahre alten Kommode und einer Bornholmer Standuhr aus der Zeit um 1850. Aber sie hat auch einen modernen Teaktisch mit vielen Schichten Farbe, die sie immer wieder herunter holt, und zum Schluss mit viel Puder so bearbeitet, dass er einen völlig neuen reizvollen Charakter bekommen hat. Viele der Farben, die sie dabei verwendet, stellt sie selbst her, berichtet Petra Schwägerl, die sich von der Künstlerin in ihrem Atelier in Hamburg in die Geheimnisse der Fassmalerei einführen ließ. Judith Thiel entwirft aber auch originelle Lampen, zu denen sie beispielsweise Schalen von Nautilusschnecken verwendet. Einige dieser Unikate sind ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. „Zwei Künstler interpretieren Vorhandenes neu“ hat Petra Schwägerl als Untertitel der Ausstellung gewählt, die noch bis Ende Dezember im „Temporären Kunstraum“ in der Hauptstraße 25 zu sehen ist, montags bis freitags von 10 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 14 Uhr. Temporär, weil im Januar ein neuer Mieter in die bis Ende November von einem Teppichhändler genutzten Räume im Albrechtshof einzieht. Wer sich für die Werke von Judith Thiel und Helmut Rüger interessiert, hat dazu in Königstein nur noch bis Ende des Jahres Zeit.

Alte Möbel, die in der Jahrhunderte alten Technik der Fassmalerei bearbeitet wurden, und moderne Schwarz-Weiß-Fotografien hat Petra Schwägerl unter dem Motto „Wahlverwandtschaft“ zu einer harmonischen Ausstellung komponiert.

Foto: Wittkopf



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