S.O.S.- Skyline ohne Strom – Schulkampagne der IHK Frankfurt im TGK zur Energiewende

Informationsvermittlung und Meinungsaustausch auf hohem Niveau während der Diskussionsrunde am Taunusgymnasium zwischen Schülern und Vertretern aus Wirtschaft und Politik. Foto: Fuchs

Königstein (efx) – Was bedeutet die Energiewende für den Einzelnen, wie gehen Unternehmen mit dem Wechsel von konventioneller Energiegewinnung zu regenerativer Energie um? Was passiert, wenn die Stromversorgung ausfällt, und nicht nur für einige Sekunden oder Minuten, sondern für Stunden oder sogar Tage? Diese Fragen behandelt die IHK Frankfurt in ihrer Schulkampagne zum Thema Energiewende. Das Taunusgymnasium qualifiziert sich in diesem Jahr bereits zum dritten Mal und darf im Rahmen des Politik und Wirtschaft- Leistungskurses, kurz PoWi, unter der Leitung von Michael Degenhardt am Programm der IHK teilnehmen. Die engagierten Schülerinnen und Schüler trafen dabei Vertreter aus Wirtschaft und Politik, um mit ihnen das Thema Energiewende zu diskutieren. Die Gymnasiasten beschäftigen sich vor der finalen Diskussionsrunde über mehrere Wochen mit dem Thema, den Besonderheiten im Taunus, in Hessen, auf Bundesebene und im internationalen Vergleich. Dabei tauchen sie anhand bestimmter Arbeitsschritte und mit Hilfe von zur Verfügung gestellten Materialkoffern in die Materie ein. „Das Thema passt sehr gut in unseren Lehrplan der E- Phase (Anmerkung der Redaktion: erstes Jahr der Oberstufe an Gymnasien) und ist durch seine Aktualität sehr spannend“, erklärt Michael Degenhardt.

Einen knapp 1,5 stündigen intensiven Wissensaustausch mit Vertretern der Politik und Wissenschaft fand nun in Form einer Interviewrunde im Theaterraum des Taunusgymnasiums statt. Den Moderatoren aus der Schülerschaft Linda Bind und Max Schulz stellten sich Dr. Michael Molter, freier Berater der Clariant AG, Dr. Joachim- Dietrich Reinking, Standortleiter der Syna GmbH in Bad Homburg, Reinhard Fröhlich, Fachbereich Unternehmenskommunikation im Ausschuss Informationswirtschaft der IHK Frankfurt am Main und Leonhard Helm, Bürgermeister der Stadt Königstein im Taunus. Die erste Frage richtete sich zunächst an Leonhard Helm. Die Moderatoren hatten Königstein und den Taunus im Blickwinkel und erfragten den Stand der Zufriedenheit bisher erreichter Resultate im Taunus. Dabei muss man wissen, dass Königstein und der Taunus im Hinblick auf eine Beitragsleistung zur Produktion alternativer Energien eine Nebenrolle zugeschrieben wird, da die vorhandenen Flächen die Anforderungen an die zu erfüllenden Parameter nicht erfüllten. Allerdings ist sich Königstein durchaus der alternativen Energiegewinnung bewusst und würde gerne stromintensive Gebäude wie beispielsweise das Kurbad in die Gewinnung oder Einspeisung alternativer Energien einbinden. Reinking, bei der Syna als regionaler Netzbetreiber tätig, ist verantwortlich für die Versorgungssicherheit der Menschen im Rhein- Main- Gebiet und sieht in der Energiewende eine große Herausforderung. Die eigentliche Herausforderung für ihn ist der Aufbau dezentraler Energieversorgungsanlagen und anzupassender Netzstrukturen. Seiner Meinung nach sind genügend regenerative Energiequellen vorhanden, aber nicht immer zu jeder Zeit. Auch Molter als Vertreter der Wirtschaft bestätigt dieses Problem und sieht insbesondere für Unternehmen als Großnachfrager von Strom das Problem, dass regenerative Energien, wenn sie nicht sprudeln, immer einen Backup haben müssen in Form von Energieanlagen, die dann eingreifen und aushelfen. Diese dauerhafte Einsatzbereitschaft kostet Geld und verursacht Mehrkosten, die dann bezahlt werden müssen und auf den Bürger umgelegt werden. Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen darf die Energiewende nicht nur für den einzelnen Bürger, sondern auch für die Unternehmen nicht zu teuer werden. Große Unternehmen der Region wie der Industriepark Höchst benötigen Unmengen an Strom zur Produktherstellung und müssen am Weltmarkt konkurrenzfähig bleiben. Dabei müssen sie sich mit Ländern wie China oder Indien messen, die ihren Strom weiterhin aus konventioneller Energieerzeugung beziehen. Eine zu teure Energiewende wirkt sich negativ auf die Wertschöpfungskette des Unternehmens und letztlich auch auf die Zahl der Arbeitsplätze aus.

Auf dem Weltklimagipfel in Paris hat Europa erfahren, dass der weltweite CO2-Ausstoß gesunken ist und dabei im gleichen Moment eine Re-Atomarisierungspolitik vereinbart. Dies bedeutet, dass die EU den Bau von Atomkraftwerken fördern wird. In Deutschland hat die Energiewende bisher funktioniert, „allerdings ist die Wende zu erneuerbaren Energien europaweit kritisch zu beurteilen“, sagt Clariant Berater Molter. Ein problematischer Aspekt ist laut Reinking, dass überall dort, wo Energie erzeugt werden soll „jeder regenerative Energien will, aber nicht im eigenen Garten.“ Damit einhergehend müssen lange Planungsprozesse für den Bau von Trassen plus Genehmigungsverfahren und Bürgeranträge einkalkuliert werden. Die Nutzung von Erdkabeln ist für die Landschaften positiv zu beurteilen, allerdings aus Kostengründen nur limitiert realisierbar. Diese Aspekte spielen die wesentliche Rolle für den Energietransport von Norden nach Süden. Und hier liegt der Hase im Pfeffer. Die Windkrafträder der Nord- und Ostsee produzieren große Energiemengen, die nicht in Gänze im Norden Deutschlands benötigt werden. Wie kann man diese Mengen in den Süden bringen und in Bayern oder Baden-Württemberg nutzen, wo sie dringend gebraucht werden?

Im Rahmen dieser Überlegungen ist der Rechtsschutz des Einzelnen, aber auch das öffentliche Interesse abzuwägen. Wer hat dabei den Vorrang? Ernsthafte Fragen wie diese machen die für eine Energiewende notwendigen Entscheidungen nicht einfacher. Reinking weiß, dass die Art der Stromspeicherkapazitäten ein Kernproblem der Wende ist. Seine Forderung ist dabei, den Speicherbedarf möglichst gering zu halten. Er plädiert für Blockheizkraftwerke als Anlagen zur Gewinnung elektrischer Energie und Wärme, die dann möglichst nah am Ort des Wärmeverbrauchs betrieben werden und nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung, Nutzwärme in ein Nahwärmenetz einspeisen. Hier ist die Effizienz groß. Siedlungen, die bereits mit solchen Anlagen arbeiten und die Vorteile der Photovoltaik nutzen, sind daher fast völlig autark. Elementar ist allerdings, dass die Energiewende in den Köpfen jedes Einzelnen fest verankert sein muss. Helm: „Jeder sollte sich fragen, wie spare ich Energie, wie bin ich effizient?“

„Werden dann vielleicht Atom- oder Kohlekraftwerke, etc. als Reservekapazitäten irgendwann überflüssig?“ , möchten die Schüler von den Experten im Verlauf der Diskussionsrunde wissen. Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn immer werden irgendwelche Reserveanlagen in Einsatzbereitschaft vorhanden sein müssen. Alle wissen, dass Wind und Wetter nicht durch Menschenhand beeinflussbar sind. Allerdings sind bei der Art der Reserveanlagen durchaus neue Alternativen gefragt. Dies liegt nicht zuletzt auch daran, dass Kohlekraftwerke eine lange Anlaufzeit haben, bis sie in vollem Umfang Leistung bringen können. Neue und zeitgemäße Reserveanlagen, die ohne Atomenergie arbeiten, müssen aber auch erst gebaut werden und benötigen hierfür wieder Energie, auch Strom. Im Grundsatz sind bereits viele Ideen vorhanden, die in der Realität funktionieren können, jedoch in ihrer Umsetzung noch in den Kinderschuhen stecken. So könnte man beispielsweise Methan in das Erdgasnetz einspeisen und damit Energiereserven lagern, die bei Bedarf abgerufen werden können.

Das Pumpspeicherkraftwerk Waldeck am Edersee ist ein Vorzeigebeispiel, wie man mit der alternativen Energie des Wassers elektrischen Strom erzeugt. Auch ein Energie-Swap zwischen Deutschland und Norwegen könnte eine gute Möglichkeit sein, dem vollständigen Umstieg auf erneuerbare Energien näher zu kommen. So versorgt Norwegen seine Bevölkerung nahezu vollkommen mit Strom aus Wasserkraft. Deutschland könnte dabei seine Energie aus Photovoltaik in Sommermonaten an Norwegen liefern, während Norwegen bei Überkapazitäten an Energie aus Wasser Deutschland unterstützt.

Arbeitsplätze der Zukunft werden sich auf jeden Fall im Segment der alternativen Energiewirtschaft bilden und sind auch dringend notwendig. Reinking ist sicher, dass das Thema Smart Meter, also in Datennetze eingebundene Strom- und Gaszähler, als Schlüssel für eine effiziente Energienutzung und Verbrauchstransparenz im Haushalt ein riesiges Anwendungsfeld bereithält. Stromintensive Industrien bergen zwar die Gefahr der Abwanderung in andere Länder, doch wird bei uns eine Umschichtung der Arbeitsinhalte stattfinden. Er empfiehlt denn auch allen Schülern, Jungen und Mädchen gleichermaßen, mit dem Erlernen ingenieurtechnischer Berufe den Arbeitsmarkt der nahen Zukunft zu betreten. Problematisch für den Stromwandel ist die EEG-Umlage, die den Strompreis der Verbraucher erhöht. Hierbei handelt es sich um einen Preisanteil, den jeder Bürger inkludiert im Strompreis zahlt und damit auf zwanzig Jahre die Anlagen, die alternative Energien erzeugen, subventioniert. Dabei muss jeder pauschal bezahlen, unabhängig, wie problemorientiert er handelt. Alle Vertreter sind sich einig, dass eine am Verbraucherverhalten orientierte Regelung gerechter, aber kaum durchführbar ist. Einig ist man sich auch, dass diese Subventionen runtergeschraubt und verkürzt werden müssen, damit auch in diesem Energiebereich die marktwirtschaftlichen Kräfte wirken können.



X