Stolperstein-Verleger Gunter Demnig kommt nach nur einem Jahr als Eugen-Kogon-Preisträger zurück

2013 endlich auch in Königstein: Gunter Demnig hat nicht nur „zehn Jahre auf der Straße verbracht“, wie das Kuratorium des Eugen-Kogon-Preises feststellte, sondern einen großen Teil davon auch noch auf den Knien, immer im Dienst „gegen das Vergessen“. Foto: Riedel

Königstein/Falkenstein (hhf) – Zeit und Platz sind in der letzten Ausgabe der KöWo gleichermaßen eng geworden, daher nun noch einmal die ausführliche Berichterstattung zur Vergabe des Eugen-Kogon-Preises 2014 an Gunter Demnig.

Der Kölner Künstler erhält den Preis für sein Projekt „Stolpersteine“, von denen er im November 2013 erstmals auch 18 Stück in Königstein ‚eingepflanzt‘ hat, unterstützt von der hiesigen „Initiative Stolpersteine“. Zarte, wenn auch unübersehbare Pflänzchen der Erinnerung sind seine geprägten Messingsteine, von denen er bereits mehr als 45.000 Stück in über 800 deutschen Städten und 200 Städten in vielen Ländern Europas verlegt hat. Ebenso unaufdringlich wie unauslöschlich erinnern sie jeweils vor deren letzten frei gewählten Wohnsitz namentlich an Bürgerinnen und Bürger, die in der Zeit der NS-Herrschaft deportiert und von denen viele in Konzentrationslagern getötet wurden. Dazu gehören zwar in größter Zahl Juden, aber auch Euthanasieopfer, Sinti und Roma, Homosexuelle und politisch Verfolgte.

Die Aktion hat sich nach über zehn Jahren mittlerweile zum weltweit größten dezentralen Mahnmal entwickelt, dessen weite Streuung die Erinnerung an Leid und Unrecht eben außerhalb der großen Gedenkstätten, regelrecht „vor der Haustür“, wachhält. Die Wirkung „gegen das Vergessen“ ist damit nicht mehr von einer einmaligen Reise abhängig, sondern man stolpert im Alltag regelmäßig darüber.

Das wiederum ist sicherlich ganz im Sinne des Publizisten, Politologen und Widerstandskämpfers Eugen Kogon (1903-1987), nach dem die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung der Stadt Königstein benannt ist. Der ehemalige Buchenwald-Häftling, Autor des Buches „Der SS-Staat - Das System der deutschen Konzentrationslager“ und Mitherausgeber der links-katholischen Zeitschrift „Frankfurter Hefte“, lehrte von 1951 bis 1968 Politikwissenschaft in Darmstadt. Bis zu seinem Tod wohnte der von Kurt Lenk auch als „illusionsloser Humanist der ersten Stunde“ charakterisierte Verfechter der pluralistischen Demokratie seit der Nachkriegszeit in Falkenstein, wo heute, ähnlich einem Stolperstein, ein Straßenname an ihn erinnert.

Mit dem Preis ehrt die Stadt Königstein seit dem Jahr 2002 Persönlichkeiten und Institutionen, „die sich den Grundwerten lebendiger Demokratie verpflichtet fühlen, ihr Leben in den Dienst dieser Werte stellen und dabei so erfolgreich waren, dass dies auch an ihrer öffentlichen Bedeutung ablesbar ist.“ Erster Kogon-Preisträger war der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski. Der Eugen-Kogon-Preis für das Jahr 2012 war dem ehemaligen Staatspräsidenten der Tschechischen Republik, dem Schriftsteller Václav Havel, zuerkannt worden. Der Preis wurde posthum am 22. Februar 2013 verliehen, die Laudatio hielt der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Zu den Trägern des Eugen-Kogon-Preises der Stadt Königstein gehören auch Stéphane Hessel, Hildegard Hamm-Brücher, Hans Maier sowie das Maximilian-Kolbe-Werk.

„Die Geburt eines neuen Preisträgers ist immer ein spannender Prozess“, verrät Stadtverordnetenvorsteher Robert Rohr, der gemeinsam mit Bürgermeister Leonhard Helm dem zuständigen Kuratorium vorsitzt – qua Amt, denn Parteipolitik „ist da nicht drin“. Stattdesen aber zum Beispiel Dr. Michael Kogon, Sohn des Namensgebers und überaus geschätzter Kollege in der Runde: „Er hat immer besonders gut vorbereitete Vorschläge.“ Weitere Mitglieder des „intellektuellen Kreises“: Wolf-Gunther Brügmann, Prof. Dr. Ernst-Otto Czempiel, Prof. Dr. Diether Döring, Prof. Dr. Gottfried Erb, Prof. Dr. Peter Euler, Hermann Groß, Dr. Bernd Heidenreich, Bertram Huke, Peter Lückemeier, Prof. Dr. Thomas Meyer, Klaus Schwope, hr-FS-Chefredakteur Aloys Theisen, Günther Vieser und Stephan Zalud. Mit Gunter Demnig haben sich die Juroren erstmals für einen Preisträger mit direktem Bezug zur Stadt entschieden, ein Kriterium, das laut den Statuten keine Rolle spielt. Viel wichtiger ist die (Lebens-)Leistung der Gewählten, mehrfach schon ist die Verbindung von Politik und Kunst ausschlaggebend gewesen, wenn es auch meist um die naheliegende Gattung der Literatur ging.

Die Laudatio auf Gunter Demnig, der auch schon mit einer Kreidespur die Verbindung zwischen Deutschland und Frankreich skizzierte, wird Professor Dr. Manfred Schneckenburger halten, der Demnigs Arbeit seit vielen Jahren begleitet. Der Kunsthistoriker (Jahrgang 1938) arbeitete sich nicht nur vom Gymnasial- zum Hochschullehrer voran, sondern erwarb auch einen besonderen Ruf als künstlerischer Leiter internationaler Kunstausstellungen und ist bislang der Einzige, der die Documenta in Kassen zwei Mal betreute (1977 und 1987).

Die Verleihung des Preises wird am Freitag, 13. März 2015, stattfinden. „Organisatorische Schwierigkeiten“ lassen das so aussehen, als werde der Preis nun nur noch im zweijährigen Rhythmus vergeben, doch die haushaltsgebeutelten Stadtväter wollen künftig wieder am jährlichen Beitrag „gegen das Vergessen“ festhalten. Außerdem soll den Freitag mit dem nur für Abergläubische bedeutsamen Datum diesmal ein größeres Beiprogramm ausfüllen, so stehen eine Lesung von Dr. Michael Kogon, eine Ausstellung zu den Stolpersteinen und eine Neuauflage des derzeit vergriffenen Buches „Juden in Königstein“ aus der Feder des unlängst verstorbenen früheren Stadtarchivars Heinz Sturm-Godramstein zur Debatte. Gunter Demnig wird ebenfalls nicht anreisen, ohne „mindestens zehn“ neue Stolpersteine im Gepäck, die an vermutlich vier Stellen verlegt werden sollen. Mit dem Preisgeld, so ist zu hören, will der Künstler die Installation weiterer Stolpersteine in Gegenden oder Gemeinden unterstützen, wo die finanziellen Mittel dafür nicht ausreichen.



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