„Europa – wohin?“ Der Offene Treff begleitet die Wahlen mit aktuellen Veranstaltungen

Nun gut, für Europa ist er nicht zuständig, sitzt aber immerhin mittlerweile in der Regierung von Hessen. Im April 2011 schleppte Tarek Al Wazir noch Stühle im „Offenen Treff jür jedermann“, der sich in diesem Jahr Europapolitiker ins Haus holt. Foto: Archiv Friedel

Schneidhain (hhf) – Politisch sehr aktuell mit deutlicher finanzieller Note und religiösem Ausblick, so sieht das laufende Jahr im Programm des „Offenen Treff für jedermann“ aus. Rund um die Europawahl am 25. Mai gruppieren sich nicht nur Themenreferate aus interessanten Fachgebieten, sondern auch eine Podiumsdiskussion mit hessischen Kandidaten der im EU-Parlament vertretenen Parteien, moderiert von FAZ-Mann Peter Lückemeier. Immerhin werden 96 Abgeordnete aus Deutschland in das 751 Sitze starke Europäische Parlament geschickt. Um Rednern wie Zuhörern gleichermaßen ausreichend Platz zu bieten, wird die erste Veranstaltung der Vortragsreihe am Donnerstag, 13. März, um 20 Uhr im Haus der Begegnung stattfinden, die weiteren Termine sind wie gewohnt im Evangelischen Gemeindehaus von Schneidhain, Am Hohlberg 19, angesetzt, Beginn ebenfalls stets 20 Uhr.

Am Mittwoch, 25. Juni, wird dort Dr. Stephan Koppelberg, seines Zeichens Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn, eine erste Einschätzung der Wahlergebnisse vornehmen: „Europa, quo vadis? – Die EU einen Monat nach der Europa-Wahl“. Zwei Termine fallen allerdings noch in die heiße Phase vor dem Urnengang, dabei wird am Mittwoch, 2. April, Botschafter a. D. Christian Falkowski hoffentlich noch einige Wähler mobilisieren: „Europa für uns. Warum wir Europa brauchen“, so sein Credo, was allerdings auch bedeutet, dass die Integration weiter vorangetrieben werden muss, um das Erreichte zu sichern (vgl. auch Halver im September).

Der Integrationsbedarf in Europa ist so groß, dass es dafür sogar einen eigenen Lehrstuhl gibt. Dessen Inhaber Prof. Dr. Arne Niemann, Professor für internationale Politik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, wird am Mittwoch, 21. Mai über „Die EU in der Weltpolitik“ referieren. Der Verbund aus mittlerweile 28 Ländern, der seinen Mitgliedern seit nunmehr 60 Jahren Frieden beschert hat, wird zunehmend auch als „Akteur auf der globalen Ebene“ wahrgenommen, woraus wiederum neue Verantwortung und Erwartungen resultieren. Eine der nächsten Möglichkeiten, sich zu profilieren, wird die UN-Klimakonferenz in Paris sein.

Aber auch auf der finanziellen Ebene müssen die Europäer noch kräftig nachbessern, das erläutert am Mittwoch, 10. September, Robert Halver, Frankfurter Fachmann für Kapitalmarktanalyse. Mit „Eurozone – Konstruktive Kritik ist erforderlich“ knüpft er an Botschafter Falkowski an und bemängelt den Stand der Integration innerhalb der EU, aber auch die Handlungsweise der EZB, wenn sie Krisenprävention ohne Gegenleistung betreibt. Nur eine „schmerzhafte Runderneuerung an Haupt und Gliedern“ wird in der EU seiner Meinung nach auch die Wettbewerbsbereitschaft gegenüber der internationalen Konkurrenz erreicht.

Zumindest laut Vorankündigung stößt am Mittwoch, 15. Oktober, Diana Rutzka-Hascher noch einmal in dasselbe Horn. „Auswege aus der Schuldenkrise – Die Sicht der Bundesbank“ wird von deren Präsidentin der Hauptverwaltung in Hessen dargelegt, die auch grundsätzlich „Einblick in die europäische Geldpolitik“ vermitteln will. Dabei kommt sie auch zu tröstlichen Erkenntnissen: Es habe sich bereits einiges zum Besseren gewendet, aber das ist kein Grund, um sich auf geleasten Lorbeeren auszuruhen, es gibt stattdessen noch viel zu tun. Vorrangig plädiert sie dafür, nicht unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen sondern vor allem die vereinbarten Regeln in Sachen Stabilität einzuhalten.

Mit der Stabilität hat schließlich Prof. Dr. Markus Wriedt eher seine Schwierigkeiten: Am Mittwoch, 19. November, widmet sich der Kirchenhistoriker der „Herausforderung Europa – Zur religiösen Gestaltung des christlichen Abendlandes im 21. Jahrhundert“. Nicht zum ersten Mal besucht der Lehrstuhlinhaber an der Goethe-Universität den Offenen Treff und holt diesmal weit in die Vergangenheit aus, um die Zukunft zu deuten. Das „christliche Abendland“ ist nämlich deutlich römisch-katholisch geprägt, auch der Protestantismus zeigte lange eine „eigentümliche Abstinenz“ gegenüber einer europäischen Integration – aber die Muslime waren vor rund 1.000 Jahren auch schon einmal staatstragend in Europa vertreten. Die Schlüsse auf eine mögliche multikulturelle sowie multireligiöse Zukunft stehen den politischen und finanziellen Fragen seiner Vorredner sicher an interessanten Erkenntnissen in nichts nach.

Eigentlich überflüssig, darauf hinzuweisen, dass der „Offene Treff für jedermann“ bemüht ist, seine Themen auch für Otto Normalbürger verständlich aufzubereiten, dieses Ziel trägt die Veranstaltung ja schon im Namen. Dennoch haben die Organisatoren – unterstützt von ihren unermüdlichen Sponsoren – in diesem Jahr sicherlich ein Jahresmotto zusammengestellt, das im wahrsten demokratischen Sinne jeden etwas angeht. Insbesondere zählen dazu auch Jungwähler und solche, die es werden wollen, die Vorträge dürften diesmal auch wegen großer Nähe zu den Lehrplänen außerordentlich geeignet für Oberstufenschüler sein, und davon gibt es ja in unserer Schulstadt genug.



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