Fernsehjournalist, Querdenker und Kulturfan: Heinz Grossmann wird 80

Heinz Grossmann feiert seinen 80. Geburtstag. Foto: Gloser

Kronberg (mw / pf) – Allein über die Sendungen, die der Fernsehredakteur und Wissenschaftsjournalist und zweifache Grimme-Preisträger als leitender Redakteur im Bildungsfernsehen beim hr produziert hat, ließe sich ohne Weiteres ein umfassender und gleichwohl spannender Artikel verfassen. Denn Heinz Grossmann, der kommenden Samstag seinen 80. Geburtstag feiert, hat ab 1976 allein rund 100 Sendungen (Kurzfilme) über das Sammeln von Antiquitäten und anderem „Sammelwürdigem“ produziert. Ab 1981 berichtete der gebürtige Berliner, der 1969 mit dem Kauf eines Reihenhauses in Kronberg neue Wurzeln schlagen sollte, weiter im Kultursektor – dieses Mal standen jedoch nicht das Porzellan oder Möbel im Fokus, sondern besondere Gärten und ihre Geschichte. So entstand beispielsweise ein Film über den Burggarten des Ehrenbürgers Carl Neubronner, dessen ehemaliges Anwesen mit Garten gegenüber der Burg gelegen ist. Nach Neubronners Tod von seiner Witwe verkauft, sorgt es derzeit gerade in Kronberg nicht nur bei den Stadtverordneten, hinter verschlossenen Türen, für viel Diskussionsstoff. „Solch einen Burggarten wie diesen gibt es nun einmal nicht mehr alle Tage und auch das habe ich damals im Film gezeigt“, erzählt Grossmann. Aber nicht nur als botanische Idylle, auch als Drehort der allerersten deutschen Amateurfilme von Dr. Julius Neubronner ist es nun einmal ein bedeutendes Fleckchen inmitten der Altstadt. Mit Carl Neubronner überspielte er damals auch die alten Filmdokumente des Vaters Julius Neubronner, um sie im Fernsehen zu senden. Am liebsten denkt Heinz Grossmann an den Film eines Faschingsumzugs in Kronberg im Jahr 1906 oder 1908 zurück, den Carl Neubronner fürs Fernsehen kommentierte und auf dem die Kamera im Hintergrund den inzwischen abgerissenen „Frankfurter Hof“ zeigt: „Ein kulturhistorisches Dokument.“

Wer jetzt denkt, Heinz Grossmann war Zeit seines Lebens ein kultur- und kunstinteressierter Mensch, der liegt richtig. Bereits kurz nach dem Abitur fand er seinen ersten Job in der Pressestelle der Internationalen Bauausstellung 1957. Noch heute ist er stolz auf die 53 Architekten aus 13 Ländern, darunter so berühmte wie Le Corbusier oder Walter Gropius, die er kennenlernte, und auf den Ausstellungs-Katalog, den er damals herstellte, genauso wie auf die zahlreichen Artikel über Architektur, Kunst und Moderne, die er schon in jungen Jahren schrieb.

Doch es gibt einen zweiten roten Faden, der sich durch das Leben des ehemaligen Fernsehredakteurs zieht. Während seines Studiums der Volkswirtschaft und Soziologie in Berlin engagiert er sich im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). Als Redakteur und Geschäftsführer des SDS Bundesorgans „Standpunkt“ sorgte er für Aufsehen, als er damals eine Brecht-Inszenierung der Neuen Bühne Frankfurt nach Berlin holte. 1959 wurde Heinz Grossmann vorgehalten, dass er in der Auseinandersetzung mit der SED nicht entschieden genug sei – sogar Gedichte von ihm waren in der „Ost-Presse“ nachgedruckt worden. Er sah für sich auf der „Insel der Freien Welt“ – so verstand sich Westberlin damals – keine Zukunft mehr. Gemeinsam mit der Studentin Wilma Aden zog er nach Frankfurt um, dort wurde im selben Jahr noch geheiratet, kurz bevor Tochter Ulrike zur Welt kam. „Ich hatte ein Volontariat beim Vorstand der IG Metall erhalten“, erinnert er sich an diese Zeit, in der auch die Weichen für die Zukunft, zumindest für den Ort, gelegt werden sollten. Er lernte nämlich mit der Sekretärin des Personalchefs, Christa Jaenich, die erste Kronbergerin kennen. Sie war damals Sekretärin des Personalchefs, war in Kronberg viele Jahre lang SPD-Stadtverordnete, als ehrenamtliche Stadträtin und später die erste Ehrenbürgerin. Nach dem Volontariat nahm er an der Universität Frankfurt sein Studium der Soziologie wieder auf und wurde Mitbegründer des SDS-Bundesorgans „Neue Kritik“, aus dem sich später der heute noch existierende Verlag „Neue Kritik“ entwickelte. Er arbeitete mit am SDS-Hochschulprogramm, unterrichtete in Bundesschulen der IG Metall und gab Bücher heraus, unter anderem „Hochschule in der Demokratie“, für das der berühmte Soziologe Jürgen Habermas das Vorwort schrieb.

Seit 1963 arbeitete Heinz Grossmann für den Hessischen Rundfunk. Das war manchmal richtig gefährlich, erinnert er sich, denn er berichtete, unter einem Pseudonym, auch über rechte Jugendorganisationen und das Wiedererwachen der Nazigesinnung.

Anfang 1967, drei Jahre nach der Geburt seines Sohnes Clemens, wechselte er vom Hörfunk zum Fernsehen, zunächst als fester freier Mitarbeiter beim WDR in Köln. Damals entstanden neben zahlreichen Einzelsendungen die 13-teilige Sendereihe „Deformierte Gesellschaft“, zu der auch ein Begleitbuch erschien, das zum Schulbuch wurde, die Sendereihe „Abschied von Humboldt“ und „Marx zur Ansicht“. Anfang 1973 wurde er als leitender Fernsehredakteur in der Hauptabteilung Bildung und Erziehung beim Hessischen Rundfunk angestellt. In Koproduktionen mit dem WDR entstehen, unter anderem die achtteilige Serie „Bittere Medizin“ über Gesundheitspolitik aus Sicht der Patienten, die ihm seinen ersten Grimme-Preis einbrachte. Zehn Jahre später 1987 bekam er für seine Serie „Erziehen ist nicht kinderleicht“ einen weiteren Grimme-Preis. Sozialkritische Sendungen, die ihm besonders am Herzen lagen, konnte er später aber immer seltener in Angriff nehmen, denn damals galt beim Fernsehen die Devise: „Macht Freizeit bezogene Sendungen, denn die Leute sehen in ihrer Freizeit fern.“ Zwar hat sich Grossmann 1969 mit dem Kauf des Reihenhauses in Kronberg für einige seiner Frankfurter Freunde „erschreckend angepasst“. „Sie betrachteten unseren Umzug damals tatsächlich als Verrat“, blickt er zurück.

Doch er und seine Frau bleiben ihren Überzeugungen treu. Dem konservativen Kronberg zum Trotz gründen sie dort sogleich 1970 mit Gleichgesinnten die „Freie Kinderschule“, eine Kindertagesstätte, in der auch die eigenen Kinder unter starker Einbeziehung der Eltern antiautoritär erzogen wurden, zunächst im Keller ihres Hauses in der Schmiedeberger Straße, später in zwei Räumen der Jamin-Villa in der Jaminstraße. Nach dem Abriss der Villa zog die Freie Kinderschule nach Schwalbach um. Sie besteht bis heute in Unterliederbach. Zur selben Zeit initiierten die Eltern auch die ersten Kronberger Ferienspiele, deren Konzept wegweisend wurde für viele Ferienspiele in der Umgebung.

Mehrere Publikationen entstehen bis 1989, unter anderem 1971 das erfolgreiche Fischer-Taschenbuch mit dem Titel „Bügerinitiativen – Schritte der Veränderung“ unter anderem mit einem Bericht über die Gründung des antiautoritären Kindergartens. Seit 1991 ist Grossmann Mitglied bei den Sozialdemokraten in Kronberg, einige Jahre auch gewähltes Miglied im Unterbezirksvorstand der Hochtaunus-SPD. Wer meint, Heinz Grossmann hätte sich inzwischen in den „Ruhe-Stand“ versetzt, der irrt gewaltig. Er nutzte die neu gewonnene Zeit nach seiner Pensionierung 1995, um seiner Frau für fünf Jahre nach Kassel zu folgen, wo sie zu diesem Zeitpunkt eine Professur innehatte. „Ich habe dort eine eigene Galerie aufgemacht und auch einige Ausstellungen organisiert, unter anderem über plastische Keramik“, erzählt er mit Stolz. Aber auch in Kronberg ist er immer zur Stelle, wenn es darum geht, die Kultur und Kunst zu unterstützen, sei es noch vor einigen Jahren mit der Übernahme von Reden zu Ausstellungs-Eröffnungen, sei es neuerdings durch Vorträge im Kronberg Treff zu hessischen oder Ballenstedter Geschichtsthemen, zum Beispiel über den Hofmaler Wilhelm von Kügelgen in Ballenstedt. In seinem neuesten Vortrag berichtete er über die Landgräfin Eliza von Hessen-Homburg und der von ihr ermöglichten Homburger Pracht. Die Vereins- und Organisationsmitgliedschaften des Jubilars lassen sich nicht an einer Hand abzählen, „natürlich“ ist der Geschichtsinteressierte auch Mitglied im Burgverein, wo er aktiv wurde, als es um den Burgverkauf ging, und Gründungsmitglied des Silberdistel-Vereins Bürgerselbsthilfe Kronberg, bei dem er einige Jahre die Pressearbeit machte. „Ich strebe aber die Konzentration meines Engagements auf die Kronberger Malerkolonie an“, verrät er augenzwinkernd, nach diesem umfassenden Einblick in sein Werk und Wirken.



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