Flüchtlingssituation: „Gemeinsam werden wir das schaffen“

Kronberg (pu) – Selten stößt eine Informationsveranstaltung auf so großes Interesse wie die gemeinsame Veranstaltung des Magistrats, der Flüchtlingshilfe Kronberg und des Vereins „Integration.Flüchtlinge.Kronberg“ letzten Dienstagabend. Gerechnet hatte man mit rund 100 Interessierten und daher die Räume Feldberg I+II entsprechend bestuhlt. Dass letztendlich auch eilig herangebrachte Sitzgelegenheiten nicht ausreichten und etliche Bürger ohne Murren mit Stehplätzen vorlieb nahmen, skizzierte Integrations-Dezernent Hans Robert Philippi mit den Worten: „Das belegt, wie hoch dieses Thema in Kronberg angesiedelt ist und die Bevölkerung sich intensiv mit der Integration beschäftigt.“ In diesem Zusammenhang sei außerdem erwähnt, dass an diesem Abend auch einige Flüchtlinge anwesend waren.

Um einen möglichst fundierten Überblick sowohl über das unter Umständen nicht für jeden auf den ersten Blick erkennbare Komples „Flüchtlingshilfe“ sowie über die aktuelle Situation zu geben, hatte neben Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos), Integrations-Dezenent Hans Robert Philippi, Hans-Willi Schmidt (einer der beiden Ansprechpartner der AG Integration) sowie dem Vorsitzenden des Vereins „Integration.Flüchtlinge.Kronberg“, Dr. Bernhard von Braunschweig, auch die Fachbereichsleiterin der Ausländerbehörde des Hochtaunuskreises, Annette Volk, auf dem Podium Platz genommen.

Kreis rotiert

Sie gab anhand der fertig gestellten Flüchtlings-Notunterkunft in den Bleibiskopfturnhallen in Oberursel ein anschauliches Beispiel für die momentanen Unwägbarkeiten und Überraschungseffekte. Der Einsatzbefehl zur Erstellung dieser Unterkunft sei vom Katastrophenschutz des Landes Hessen gekommen mit der Vorgabe, die Maßnahme in 72 Stunden zu stemmen. Alles andere als blauäugig habe der Landrat als unterste Katastrophenschutzbehörde selbstverständlich mit einer derartigen Nachricht gerechnet, allerdings nicht so schnell. „Aufgrund der in Frankfurt vorgesehenen Feierlichkeiten zum 3. Oktober und der Gewissheit, dass sowohl Einsatzkräfte als auch Absperrgitter, Toilettenhäuschen und vieles mehr zu diesem Zeitpunkt gebunden sein würden, konnten wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass uns bis zum 3. Oktober kein Einsatzbefehl ins Haus flattert. Die Hiobsbotschaft kam dann am Samstagabend gegen 19 Uhr und ich kann Ihnen versichern, seitdem sind alle dafür erforderlichen Kräfte in Bewegung.“ Volk verwies für weitere Informationen auf die eingerichtete Info-Hotline sowie die E-Mail-Adresse für das Ehrenamtsbüro. Wann die ersten Menschen in die Notunterkunft einziehen, war am Dienstagabend noch nicht bekannt. Gleiches gelte für die Auswirkungen auf die zwölf Kommunen im Kreis. „Zurzeit steht vieles noch in den Sternen, weil uns vom Bundesamt in Nürnberg keine aktualisierten, verlässlichen Zahlen vorliegen.“ Momentan seien 2.000 Flüchtlinge im Asylverfahren im Hochtaunuskreis notiert, mit weiteren 500 bis Jahresende habe man bisher bei geschätzten 300.000 bis 400.000 nach Deutschland strömenden Zufluchtsuchenden rechnen müssen. Die seit einigen Wochen prognostizierten 800.000 bis 1 Millionen Flüchtlinge bis Jahresende hätten sicherlich zur Folge, dass, heruntergebrochen nach dem Königsteiner Schlüssel, nochmals 3.000 zusätzliche Asylanwärter bis Ostern 2016 auf den Landkreis zukommen könnten.

Dementsprechend rüstet man sich auch in der Burgstadt Kronberg, Philippi rechnet mit etwa 300 weiteren Zufluchtsuchenden in 2016. Von den in diesem Jahr insgesamt erwarteten 184 Menschen seien 163 bereits untergebracht, das Aufnahmedelta von 21 Personen könne mit den bisher verfügbaren Unterbringungsmöglichkeiten abgedeckt werden, unter anderem auch deshalb, weil einerseits bereits in der letzten Woche sechs Personen aus den als sicher geltenden Herkunftsstaaten zurückgeführt wurden und weitere neun Abschiebungen für diese Woche geplant seien. Darüber hinaus ist, wie bereits berichtet, das Gesetz inzwischen dahingehend geändert worden, dass die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge erst gar nicht mehr in der Kommune ankommen werden.

Drei weitere Gemeinschaftsunterkünfte

Nichtdestotrotz müssen nach vorliegenden Erkenntnissen drei weitere Gemeinschaftsunterkünfte realisiert werden. Dabei handelt es sich um die bereits publik gemachten geplanten Standorte Grüner Weg (städtisches Grundstück), das Gelände der ehemaligen Gärtnerei Ziemann und eines unterhalb des Parkplatzes des Altkönig-Stifts in der Feldbergstraße. Insgesamt soll damit Platz für 318 Personen geschaffen werden, zwei Unterkünfte – Grüner Weg und Feldbergstraße – sollen „in einer anständigen und annehmbaren Architektur“ entstehen, um mittelfristig dem sozialen Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stehen (Nachnutzungsoption). In dieser Angelegenheit laufen, laut Philippi und Temmen, ebenso Gespräche wie die Suche nach weiteren – bestehenden – Unterkünften, die nutzbar wären. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem auch das Deutsche Bank-Gelände genannt. „Nicht nur die Stadt, sondern auch andere öffentliche Körperschaften, haben inzwischen ihr Interesse bekundet, wir erwarten eine kurzfristige Entscheidung vom Vorstand“, unterstrich Bürgermeister Klaus Temmen. In jedem Fall strebe die Burgstadt Reserven an, damit möglichst keine Notlösungen spruchreif werden.

Ehrenamt

Wie wiederholt vom Kreis und der Stadt bekräftigt wurde, wäre die große Herausforderung ohne die ehrenamtlichen Initiativen überhaupt nicht zu stemmen. Und so waren die Zuhörer nicht minder gespannt auf die Berichte der Arbeitsgruppen und des Vereins. Dessen Vorsitzender Dr. Bernhard von Braunschweig verwies erneut in aller Deutlichkeit darauf, dass der Verein nicht als Dachverband der Arbeitsgruppen zu sehen ist, sondern auf der gleichen Ebene agiert und die Vereinsgründung ausschließlich vor dem Hintergrund erfolgte, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um für die Flüchtlingshilfe Kronberg Geldspenden sammeln und dafür Spendenquittungen ausstellen zu können. „Wir sorgen mit unserer Sammlung von Geldspenden und deren anschließender Bereitstellung dafür, dass der Ofen nicht ausgeht“, warb von Braunschweig um weitere Spenden, da absehbar finanzielle Mittel beispielsweise für Sozialbetreuung oder errreichte Kapazitätsgrenzen benötigt werden. „Irgendwann ist möglicherweise die Kapazität der ehrenamtlichen Helfer erschöpft, für diesen Fall müssten wir dringend erforderliche Leistungen zukaufen.“ Für alle, die Spenden leisten wollen, nochmals die Bankdaten des Vereins: Verein Integration.Flüchtlinge. Kronberg e.V., Frankfurter Volksbank, IBAN: DE23 5019 0000 6200 6517 72.

Einen Einblick in die umfangreichen Aufgaben der Arbeitsgruppen gewährte Hans-Willi Schmidt. Von Anfang an habe man sich auf die Fahnen geschrieben, „den Menschen, die aus fremden Kulturen zu uns kommen, einen Rahmen zu bieten, damit sie sich in Kronberg akzeptiert und wohlfühlen und rasch Teil der Gesellschaft werden“, rief er in Erinnerung. Flüchtlinge willkommen heißen, bedeute, sie zu begleiten, zur Bewältigung des Alltags befähigen. Als wichtige Voraussetzung nannte Schmidt das Lernen der deutschen Sprache. Inzwischen umfasse das Angebot acht Sprachkurse unterschiedlichster Ausrichtung vom Anfänger bis zur individuellen Betreuung Einzelner im 1. Trimester 2015/2016. Von den derzeit in Kronberg knapp 170 lebenden Flüchtlingen besuchten 70 den Deutschunterricht, der eine eminent wichtige Basis für den anschließend gesetzlich vorschriebenen Integrationskurs bilde. 32 ehrenamtliche Sprachlehrer stünden zur Verfügung.

Dringend bezahlbarer Wohnraum gesucht

Nicht minder wichtig: Die AG Integration und Wohnen. Letzere unterstützt unter anderem die anerkannten Flüchtlinge aktiv bei der Suche nach Wohnraum. Bezahlbaren, versteht sich. „In Kronberg und Frankfurt logischerweise ein schwieriges, und auch mit Enttäuschungen verbundenes Unterfangen. Dennoch konnten sieben Wohnungen gefunden werden und wir hoffen auf weitere.“ Die Zeit drängt, nach ihrer Anerkennung müssen Flüchtlinge die Gemeinschaftsunterkunft innerhalb von drei Monaten verlassen. Weitere Infos dazu und vieles mehr auf der Internetseite www.fluechtlingshilfe-kronberg.de. Auch der Kronberger Bote wird in der nächsten Ausgabe noch eine Übersicht über die Arbeitsgruppen veröffentlichen.

Allen riesigen Herausforderungen zum Trotz zeigte sich Schmidt optimistisch: „Gemeinsam werden wir diese große Herausforderung schaffen.“ Und Bürgermeister Temmen ergänzte: „Integration kann man nicht von oben drüber stülpen, sie muss von der Gesellschaft kommen und ich bin guter Hoffnung.“



X