Hessisches Ministerium schließt HEAE im Deutschen Bank-Gebäude

Kronberg / Wiesbaden (mw) – Der Hessische Minister für Soziales und Integration, Stefan Grüttner, hat im Rahmen des Standortkonzepts der Landesregierung zur Unterbringung von Flüchtlingen darüber informiert, dass das Hessische Ministerium auf die aktuellen Zugangszahlen der Flüchtlinge reagierend, weitere hessische Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE) schließt. Darunter befindet sich auch das HEAE im ehemaligen Schulungszentrum der Deutschen Bank, Am Aufstieg 22 in Kronberg. Wie der städtische Pressesprecher Andreas Bloching mitteilt, sind derzeit dort 270 Flüchtlinge untergebracht. „Das Land hat uns am 1. September über die geplante Schließung der HEAE Kronberg informiert“, so Bloching. Einen genauen Schließungstermin habe das Land bisher nicht genannt, sodass der Zeitpunkt der Schließung der HEAE noch offen sei. Die Flüchtlinge in der HEAE sollen dann auf andere Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes verteilt werden.

„Damit handeln wir mit Augenmaß und Verantwortung“, argumentiert der Staatsminister. „Die Zugangssituation ist derzeit so, dass wir unsere Unterbringungskapazitäten weiter reduzieren.“ Grüttner betonte, damit bleibe man weiterhin für beide Fälle „gut gerüstet“: man trage den niedrigen Zugangszahlen Rechnung, sei aber zugleich auch auf einen denkbaren Anstieg vorbereitet.

In den vergangenen Monaten haben sich die bundesweiten Zugangszahlen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum weiter auf niedrigem Niveau verstetigt. So sind in den zurückliegenden drei Monaten jeweils etwa 16.000 Flüchtlinge bundesweit eingereist. Entsprechend zeigen die hessischen Zahlen ein ähnliches Bild (zirka 1.200 Flüchtlinge monatlich), informiert das Ministerium. Zum Vergleich: In den Hochzeiten der Flüchtlingskrise in 2015 kamen an einem Tag mit Werten über 1.300 weit mehr Menschen nach Hessen als derzeit in einem Monat. „Die Anpassung darf uns jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die aktuelle internationale Flüchtlingslage nach wie vor hoch brisant und nicht prognostizierbar ist“, so Grüttner. „Egal, ob wir die Situation in Griechenland, die EU-Türkei-Vereinbarung oder die Lage in Libyen analysieren, die weitere Entwicklung berge viele Unwägbarkeiten. Seitens des Bundes gebe es weiterhin keine Flüchtlingsprognose für 2016.“ Bereits im April dieses Jahres hatte die Hessische Landesregierung ein neues Standortorganisationskonzept vorgelegt, um auf verschiedene Entwicklungen flexibel reagieren zu können. „Durch die Aufteilung in sogenannte Aktiv- bzw. Reservestandorte und der Schließung von Einrichtungen wurde Hand in Hand mit dem für die Suche und Verwaltung der Liegenschaften verantwortlichen Ministerium der Finanzen ein System entwickelt, das auch auf einen unvorhersehbaren Anstieg hilfesuchender Menschen vorbereitet ist“, stellte Grüttner dar.

Kernpunkt der Modifikation ist die Reduzierung der aktiven Standorte von 19 auf elf Einrichtungen mit insgesamt zirka 14.000 Plätzen. Hiervon werden rund 5.000 Plätze so organisiert, dass diese, je nach Auslastung flexibel zu- oder abgeschaltet werden können. „Wir halten damit Reservekapazitäten in aktiven Standorten vor, die somit in kürzester Zeit aktiviert werden können“, erläutert Grüttner. Damit erhalte das Land auch bei stark ansteigenden Zugangszahlen seine Reaktionsfähigkeit.

Darüber hinaus werden noch sechs weitere Liegenschaften mit einer Kapazität von rund 6.000 Plätzen weiter als sogenannte „Passiv-Standorte“ vorgehalten, die nach einer festgelegten Vorlaufzeit aktivierbar sind. Diese Zeit wird durch die Reserveplätze in den Aktiveinrichtungen erzielt. In der Gesamtsicht wird damit auch eine Vorlaufzeit für die hessischen Gebietskörperschaften erzielt. 21 Standorte mit rund 15.000 Plätzen sollen sukzessive komplett deaktiviert werden. Dazu zählt auch die Kronberger Erstaufnahmeeinrichtung.

Die Stadt wurde seitens des Ministeriums auch gefragt, ob sie nach Schließung des HEAE Interesse an einer Weiternutzung der Geländes als Flüchtlingsunterkunft habe, so die Information aus dem Rathaus und ob sie in den bestehenden Vertrag zwischen der Deutschen Bank und dem Land einsteigen wolle, der noch bis zum 30. November 2018 läuft. „Die Stadt prüft dies gegenwärtig“, informiert Bloching, der damit auch auf eine Anfrage der Kronberger FDP auf die geplante Schließung der Kronberger HEAE reagiert. „Allerdings gehen wir eher nicht davon aus, dass es zu einer städtischen Nutzung kommt.“ Dagegen sprächen die hohen Kosten für die Nutzung der Liegenschaft und vor allem die Tatsache, dass das Areal nachfolgend nicht als dauerhafte Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge in Frage kommt, für die auch die Stadt Kronberg entsprechenden Wohnraum schaffen muss. „Die Planungen für andere Flüchtlingsunterkünfte, die anschließend in sozialen Wohnungsraum umgewandelt werden können, beispielsweise Grüner Weg, werden daher weiter vorangetrieben“, erklärt er.

Die Stadt geht davon aus, dass mit der Schließung der HEAE Kronberg auch die mit dem Kreis getroffene Regelung, die Menschen in der HEAE auf die Kronberger Quote anzurechnen, hinfällig werden wird. Derzeit werden ein Drittel der Maximalbelegung mit 600 Flüchtlingen in der HEAE Kronberg auf die Kronberger Quote angerechnet. „Gegenwärtig beträgt unsere Quote 383“, so der Pressesprecher. Abzüglich der 200, die angerechnet werden, seien dies also 183 Flüchtlinge. In Kronberg sind ohne die Erstaufnahmeeinrichtung aktuell zirka 170 Flüchtlinge auf die städtischen Unterkünfte verteilt.

„Die Fortschreibung wurde in Abstimmung zwischen dem für die Liegenschaften und das Objektmanagement zuständigen Hessischen Ministerium für Finanzen, dem Ministerium

für Soziales und Integration, dem Regierungspräsidium Gießen, der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung und dem Landesbetrieb Bau und Immobilien Hessen entwickelt“, informiert Grüttner weiter. Folgende Kriterien standen bei der Analyse des Portfolios im Schwerpunkt: die Kapazität des Standorts, die Standortstruktur zur Abbildung von Unterbringungsreserven, Standorte mit besonderer Zweckbindung (Fürsorge, besonderes Schutzbedürfnis, besondere Sicherheitsanforderungen), die Qualitätsbewertung, Unterbringungsstandard, Lage, Gebäude, Freiflächen und Kosten. Grüttner wies abschließend darauf hin, dass Hessen die Ausnahmesituation im vergangenen Jahr 2015 und zu Beginn 2016 sehr gut gemeistert habe. „Durch das enge Zusammenstehen der ganzen Gesellschaft konnten wir allen schutzsuchenden Menschen Aufnahme und Hilfe bieten. Mein großer Respekt gilt den Kommunen, den Hilfsorganisationen, den Ärztinnen und Ärzten, den Gesundheitsämtern, den Bürgerinnen und Bürgern, und vielen, vielen mehr, die sich engagiert haben. Wir haben Hessen zupackend, weltoffen und solidarisch präsentiert. Dafür danke ich im Namen der Hessischen Landesregierung allen Beteiligten.“



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