Liest, schreibt, lehrt und engagiert sich: Wilma Aden-Grossmann

Gestern am Mittwoch feierte die gebürtige Berlinerin Professor in Dr. Wilma Aden-Grossmann ihren 80. Geburtstag. Foto: Archiv

Kronberg (pf/mw) – Sie ist eine Frau, die zupackt, wenn es Arbeit gibt. Das hat sie in den mehr als 40 Jahren, die sie mittlerweile in Kronberg wohnt, immer wieder bewiesen. Als ihre Kinder noch zur Schule gingen, engagierte sie sich im Elternbeirat. „Aber das machen ja viele“, merkt sie bescheiden an. Später war sie eine Zeit lang stellvertretende Vorsitzende der Kronberger SPD und in der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen aktiv. Nach ihrer Emeritierung als Professorin für Sozialpädagogik an der Universität Kassel übernahm sie Aufgaben in der Arbeitsgemeinschaft der Kronberger Frauenverbände, die jährlich den Kronberger Frauenpreis vergibt. Sie mischt mit bei den Silberdisteln und im Kronberg Treff. „Aber am wichtigsten waren mir immer mein Beruf und meine Familie“, sagt sie. Und die Arbeit an ihren Büchern. „Ich schreibe und lese einfach gerne“, gesteht sie. In den letzten fünf Jahren sind aus dieser Leidenschaft drei Bücher entstanden.

Schon als sie 2007 die Biographie über den als Juden verfolgen Juristen und Sozialpädagogen Berthold Simonsohn veröffentlichte, nahm sie sich vor, in einem zweiten Band seine Schriften herausgeben, erzählt sie. 2012 gab sie zum 100. Geburtstag von B. Simonsohn eine Auswahl seiner Schriften heraus. Darin enthalten sind unter anderem Aufsätze über das Ghetto Theresienstadt, für Frieden und Verständigung im Nahen Osten und über jüdische Sozialarbeit. Wie ein roter Faden zieht sich über Jahrzehnte hinweg ihr Interesse für Reformen in der Pädagogik, insbesondere beschäftigte sie die antiautoritäre Erziehungsbewegung. Sie publizierte 2014 die Biographie über Monika Seifert, die den bundesweit ersten antiautoritäten Kinderladen in Frankfurt gründete.

Mit einem Kindergarten hatte 1969 auch ihre Zeit in Kronberg begonnen. „Als wir damals aus Frankfurt wegzogen, weil es uns zu laut wurde und uns die Umgebung nicht mehr gefiel, brauchten wir einen Wohnort mit S-Bahnanschluss und mit allen Schulen vor Ort, die unsere beiden Kinder selbstständig erreichen konnten“, erinnert sie sich. Sie hatte damals bereits an der Universität Frankfurt eine Stelle als Assistentin von Professor Dr. jur. Berthold Simonsohn, der den Lehrstuhl für Sozialpädagogik und Jugendrecht inne hatte. Und ihr Mann, der Journalist Heinz Grossmann, war damals beim Westdeutschen Rundfunk in Köln beschäftigt. Erst einige Jahre später wechselte er zum Hessischen Rundfunk in die Abteilung Fernsehen nach Frankfurt.

Ihre Tochter, 1959 geboren, besuchte schon die Schule, aber der Sohn, der 1964 zur Welt kam, war noch im Kindergartenalter. Und so gründeten sie gleich in ihrem ersten Jahr in Kronberg gemeinsam mit gleichgesinnten Eltern die „Freie Kinderschule“, denn Kindergartenplätze waren damals Mangelware. Das antiautoritäre Konzept der „Freien Kinderschule“ erregte damals einiges Aufsehen. Aber die Kronberger Ferienspiele, die von den engagierten Eltern damals ebenfalls ins Leben gerufen wurden, fanden schnell Anerkennung und begeisterte Teilnehmer. „Wir haben damals mit den Anstoß und Impulse gegeben, die Leute zusammen gebracht und den Raum zur Verfügung gestellt“, so umreißt sie ihr damaliges Engagement in der „Freien Kinderschule“, das endete, als ihr Sohn in die Schule kam.

1974 promovierte Wilma Aden-Grossmann in Erziehungswissenschaften an der Uni Frankfurt, wurde zunächst Hochschuldozentin und vier Jahre später mit einem Sechsjahresvertrag zur Professorin auf Zeit ernannt. Nach insgesamt zehn Jahren lief ihr Vertrag mit dem Land Hessen aus und sie wechselte an die Universität Dortmund, wo sie eine Vertretungsprofessur für Sozialpädagogik übernahm. Die Professorin, die sie vertrat und deren großzügiges Büro sie übernahm, war Rita Süßmut, die gerade Familienministerin unter Bundeskanzler Helmut Kohl geworden war und sich hatte beurlauben lassen. „Damals haben wir erstmals eine Frauenbeauftragte an der Universität etabliert“, erinnert sich Wilma Aden-Grossmann.

1986 habilitierte sie sich an der Technischen Universität Berlin, was damals nur wenige Frauen taten, und 1990 wurde sie auf die Professur für Sozialpädagogik an die Universität Kassel berufen. Einige Jahre wurde so Kassel zum Mittelpunkt ihres Lebens. „Trotzdem beschlossen mein Mann und ich, nach Kronberg zurückzukehren. Es war schön, dass wir hier von unseren Freunden freundlich wieder aufgenommen wurden, was mir das Wiedereinleben in Kronberg sehr erleichterte.“

In all den Jahren als Professorin hatte sie sich neben ihrer Arbeit in vielen Gremien engagiert: Im Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, im Kuratorium und als Vertrauensdozentin in der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie war Bundesvorsitzende des Fachgruppen-Ausschusses Hochschule und Forschung, in dem Vertreter aller Bundesländer saßen, und war in der Zeit nach der Wiedervereinigung entsprechend viel auf Reisen. Auch nach ihrer Rückkehr nach Kronberg dauerte es nicht lang, bis sie sich wieder engagierte. Aber wenn sie eine neue wissenschaftliche Arbeit oder ein neues Buch begann, zog sie sich zurück, um in Ruhe zu schreiben. Und so konnte dieses Jahr die „Geschichte der sozialpädagogischen Arbeit an Schulen – Entwicklung und Perspektiven von Schulsozialarbeit“ erscheinen. „Darin habe ich mich mit einer aktuellen pädagogischen Entwicklung befasst“, sagt sie.

Obgleich Lehrer, Schulleiter und Eltern Schulsozialarbeit als wichtige Unterstützung schätzten, gibt es dieses Angebot längst nicht an allen Schulen, informiert sie. Und schon ist sie wieder mittendrin, sich mit unermüdlichem Tatendrang zu engagieren – dieses Mal im gesellschaftspolitischen Bereich und gleichzeitig auch wieder in Kronberg. Denn an der Kronberger Altkönigschule arbeiten sehr erfolgreich zwei Schulsozialarbeiter auf Teilzeitstellen, deren Finanzierung aber Jahr für Jahr neu beantragt werden muss. „Ungesicherte Finanzierung von Schulsozialarbeit gibt es nicht nur in Kronberg, sondern hessenweit an sehr vielen Schulen“, weiß sie. Nach ihrer Auffassung ist dies ein „unhaltbarer Zustand“. Sie hat daher gemeinsam mit ihrem Kollegen Prof. Dr. Gerd Iben eine Petition ins Internet gestellt, in der die finanzielle Absicherung von Schulsozialarbeit gefordert wird. „Geholfen hat es nicht, denn der Minister verweigerte einen Gesprächstermin, obgleich mehr als 12.000 Menschen die Petition unterzeichnet hatten“, berichtet sie. Aber aufgegeben hat sie deshalb noch lange nicht. „Ich glaube, dass sich dies schon bald ändern könnte, denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und die großen Wohlfahrtsverbände setzen sich inzwischen ebenfalls für eine gesetzliche Verankerung und finanzielle Absicherung von Schulsozialarbeit ein“, erläutert sie. Gestern am Mittwoch feierte die gebürtige Berlinerin Professorin Dr. Wilma Aden-Grossmann ihren 80. Geburtstag. Anlässlich ihres Geburtstages hat sie ihre Gäste gebeten, anstelle eines ihr zugedachten Geschenkes eine Spende dem Förderforum der Altkönigschule zukommen zu lassen zugunsten des Projektes Schulsozialarbeit.



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