Mozart und Mendelssohn Bartholdy gegen den Novemberblues

Die großartige Leistung aller Musiker machte Mozart alle Ehre.

Foto: Hackel

Kronberg (aks) – Der Novembernieselregen war mit den ersten majestätischen Klängen von Mozarts Meisterwerk „Davidde penitente“ vergessen. Mozarts Musik griff sofort ans Herz und brachte ein Leuchten über die Solisten, den Chor, den Chorleiter Bernhard Zosel, „das Orchester“ aus Frankfurt und auch die zahlreichen Gäste brachte es zum Strahlen. 1785, als 29-Jähriger, war Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Höhepunkt seiner Karriere. Auf die Schnelle sollte er eine Kantate für ein Benefizkonzert schreiben, und so handelte Mozart schlau und lieh sich Kompositionen seiner eigenen Großen Messe in c-Moll, die damals noch unvollendet war. Lorenzo da Ponte, sein Opernlibrettist, unterlegte die Musik mit italienischem Text, so gelang eine eingängige fast opernhafte Verbindung mit dem Lobgesang auf Gott.

Sharon Kempton, die amerikanische Sopranistin, sang hell und rein, ihre „geläufige Gurgel“ hätte sicher auch dem großen Meister selbst gefallen. Die zweite Sopranistin, Heidemaria Oberthür, mit weicherem, dunkleren Timbre klang wunderbar tröstend: „Ah, respirate omai“ – „Ach, schöpft wieder Atem!“ – auch wenn Kummer und Sorgen die Menschen umtreiben.

Der Tenor Christian Dietz betete um Barmherzigkeit mit einer eher verhaltenen flehenden und schönen Stimme: eine anrührende Interpretation der Arie „A te, fra tanti affanni“, die so viel Verzweiflung ausdrückt.

„Cantiamo le glorie“, das Gloria aus Mozarts Großen Messe, bedeutete den Höhepunkt des Konzerts, ein herrliches Mozart’sches Glanzstück, das die Menschen auch an diesem Abend mit Freude und Ehrfurcht erfüllte, überragend und inbrünstig vorgetragen vom Chor von St. Johann. Kantor Bernhard Zosel agierte dabei mit einer Leichtigkeit, dass man die großartige Leistung aller Musiker nur als Freude nicht als Anstrengung erlebte.

Die Kantate im Stil biblischer Buß- und Reuegebete ist voller Flehen, voller menschlicher Zweifel und Angst – dagegen steht immer wieder die Hoffnung, die in Gott liegt, dem „Signore amabalissimo“, dem allerliebenswertesten Herrn, als Gegensatz zum strafenden Gott des Zorns, der auch beschworen wird. Allein der Glaube an den Gott der Liebe wird den Menschen von seinen Sorgen und seiner Einsamkeit erlösen, so lautet das christliche Versprechen. Die Musik in ihrer Festlichkeit mit Pauken und Trompeten ist der Aufruf, sich zu freuen („é tempo da goder!“), auch wenn die äußeren und inneren Stürme den Menschen fast zerreißen. Das Terzett der beiden Soprane und des Tenors ist ein Gebet aus tiefstem Herzen, einfühlsam gesungen, die Worte sprechen vielen aus der Seele: „O Dio, salvami“ – diese Arie hat Mozart neu dazu komponiert.

Die Schlussfuge gehört dem Chor mit einer glanzvollen Solisten-Kadenz, „chi in Dio spera non ha timore“, die letzten drei Worte werden mit eindrucksvollen Pausen gesungen. Eine frohe Botschaft also: Wer auf Gott vertraut, kennt keine Furcht. „Fürchtet Euch nicht!“, das ist der engelsgleiche Trost für alle Menschen in Not und Angst.

Der Chor formierte sich neu für die Vertonung des 42. Psalms von Felix Mendelssohn Bartholdy, den dieser 1837 auf seiner Hochzeitsreise komponierte, mit dem überraschenden Titel „Wie der Hirsch schreit“. Fagott, Oboe und Horn klingen im ersten Augenblick ein wenig nach Wald und Jagd. Der Chor vermittelt mit weichen Stimmen eindringlich das Urbedürfnis nach Gott, als Grundbedürfnis des Menschen, wie Wasser und Brot, mit einem eindrucksvollen A-Cappella-Abschnitt am Schluss. „Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir!“.

Ein leidenschaftliches Credo: Zum Überleben brauchen wir Gott so nötig, wie der Hirsch das frische Wasser. Ein romantisches Bild, das wuchtig und klar ist. Der Sopran ist hier im harmonischen Dialog mit dem Frauenchor. Die große Sehnsucht der Menschen wird tiefgründig interpretiert in den Rezitativen und Sopran-Arien. Von Tränen wird gesungen und von der Angst ,von Gott vergessen zu werden, vor dem Alleinsein, ohne dass die Sängerinnen jemals sentimental oder melodramatisch werden. Die Zerrissenheit des Menschen wird im inneren Monolog der Arien deutlich, dabei ist alles ganz einfach: „Harre auf Gott!“. Die Pauken und Trompeten des bestens besetzten „Orchesters“ unterstreichen die Hoffnung, die alle Menschen über sich hinaus erhebt. Die Musik Mendelssohn Bartholdys entließ die Kirchengemeinde mit einem erneuerten Gottvertrauen und so strahlte die Kirche wieder einmal im Glanz himmlischer Musik. Der Nieselregen auf dem Nachhauseweg war auch nur noch ein leises harmonisches Plätschern.



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