Perlen der Barockmusik auf der Burg

„Il giuoco del Quadriglio“, die Kurzoper für drei Soprane und ein Mezzosopran von Antonio Caldara von 1734, amüsierte bei klarem Sternenhimmel Zuschauer und Sängerinnen gleichermaßen. Fotos: Sura

Kronberg (aks) – Die mittelalterliche Burg erwachte am Samstagabend zur blauen Stunde zu zauberhaftem Leben: Barocke Klänge und himmlische Bach-Arien waren nicht nur im Terracottasaal und dem neu renovierten Wappensaal zu hören, sondern auch im Außenbereich mit dem „Großen Haus“ im Hintergrund und sogar im verwunschenen Prinzengarten wurde musiziert. Die Entführung ins 17. und 18. Jahrhundert begann stilecht mit acht Bläsern (Oboe-Band), die zum Einlass bliesen. Die Besucher hatten dann die Qual der Wahl, denn im Halbstundentakt wurden „wunderbare Perlen“ der Barockmusik aufgeführt, von der Kantate bis zur Instrumentalmusik. Herausragend die Bach-Kantate „Mein Herze schwimmt im Blut“, vorgetragen von Sopranistin Caroline Ballmann, die für ihre wunderbar verzierende Stimme und ihre schönen Koloraturen allgemein gelobt wird. Die Produktionsleitung liegt seit 1996 bei Thomas Rainer von Allegra Mannheim. Alle Künstler und Dozenten kommen von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst aus Frankfurt, in der die „Alte Musik“ eine besondere Stellung genießt. Es sind Studierende vom Institut für Historische Interpretationspraxis, die unter anderem auch im Karmeliterkloster in Frankfurt und im Kloster Eberbach auftreten. Sie brachten ihre historischen Instrumente auf der Burg zu vollem Einsatz. Besonders die Telemann Sinfonie D-Dur für Trompete, in schöner Pracht vorgetragen vom Orchester aus Studierenden unter der Leitung von Michael Schneider, erregten mit ihren historischen Instrumenten und mit einer festlichen Solotrompete die Neugierde und die Begeisterung der Zuhörer – so manches Zupfinstrument sah aus wie eine überdimensionierte Gitarre. Das anschließende Divertimento Es-Dur gehört zu den allerletzten Werken Telemanns – zwischen beiden Kompositionen liegen 50 Jahre! Die Jagdlust des Landgrafen von Hessen-Darmstadt hatte den 84-jährigen Komponisten zu dieser Suite mit Waldhörnern inspiriert. Zur Einstimmung auf die laue Sommernacht inmitten der pittoresken Burgkulisse sorgten Marie Takahashi an der Viola und Oleg Belyaev am Cello mit zwei Sonaten von Joseph Bodin de Boismortier – ein feiner Dialog der beiden Künstler mit ihren Instrumenten. Das Quartett mit Oboe, Viola da Gamba und Cembalo erwartete die Gäste im neu renovierten Wappensaal mit guter Akustik und glänzte mit einer Suite von Pierre Danican Philidor und einer Sonate für zwei Oboen von Georg Philipp Telemann.

Ein Blick vom Wappensaal hinunter zum Prinzengarten, von wo aus man bei geöffnetem Fenster die letzten Klänge von Haydns Trio IV erhaschen konnte, erzeugte ein leises Bedauern, nicht überall gleichzeitig sein zu können – zumindest an diesem Abend.

Um 22 Uhr wurde nach der Telemann-Sinfonie die Kurzoper „Il Giuoco del Quadriglio“ des Wiener Hofkomponisten Antonio Caldara (1734) von zahlreichen Musikliebhabern mit Spannung erwartet, die sich als kleines Juwel entpuppte, vor allem dank der Sangeskunst und -freude der vier jungen Sopranistinnen Penelope Mason, Julie Grutzka, Jungyun Jun und Sarah Mehnert. Bevor die Serenade begann, stimmten sie das Publikum in die Geschichte ein, in der es um eine Art Pokerspiel geht, bei dem die vier Protagonistinnen ständig um ihren Einsatz fürchten, mit Zitaten wie: „Es gewinnt immer nur einer!“ oder „Menschen übervorteilen sich ständig aus Habgier“ als Warnung – auch wenn es sich wie hier nur um ein Spiel handelt. „Man sollte offen und unverblümt handeln, wozu sollte man sich etwas vormachen?“ als Rat oder „Wir lassen uns nicht zum Objekt zweitklassiger Männer machen!“ als Vorsatz – der viele Lacher brachte. Die Moral von der Geschicht: Statt sich beim Spiel zu besiegen, lieber tanzen und in aller Freundschaft feiern gehen! Also nichts wie auf in die noch junge klare Sommernacht, die man sinnlicher nicht hätte beginnen können. Ein schöner und würdiger Abschied der Geschäftsführerin des Kronberger Kulturkreises, Jutta Dieing, die zum 1. Oktober weiter an den Bodensee zieht.

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