Temmen: „Der Kommunale Finanzausgleich ist nicht fair“

Kronberg (mw) – Nach dem Beitrag über steigende Flüchtlingszahlen und den Unterbringungsmöglichkeiten in Kronberg (siehe weiteren Bericht in dieser Ausgabe) im Rahmen der Bürgerversammlung am Montagabend in der Stadthalle erläuterte Bürgermeister Klaus Temmen äußerst anschaulich, was eine Entscheidung für den vom Land Hessen geplanten Kommunalen Finanzausgleich (KFA) für Kronberg bedeuten könnte. Er malte ein düsteres, aber durchaus realistisches Szenario, denn es zeichne sich im hessischen Landtag eine Mehrheit für die erarbeitete Neuordnung ab, für das KFA. Schon lange nutzt Temmen jede Gelegenheit, um über der Arbeitsgruppe KFA, der Kreisversammlung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes Hochtaunus die, wie er es nennt, „Systemfehler“ des Papiers zu informieren. „Der KFA ist nicht „Klar, fair und ausgewogen“, wie der hessische Landtag werbe. „Es steht mit seinen Anfangsbuchstaben wohl eher für Kronberg finanziert andere!“, kritisierte der Rathauschef. Diese Überzeugung teilt er mit den Kronberger Stadtverordneten genauso wie mit dem Hessischen Städte- und Gemeindebund. Längst ist beschlossene Sache, kommt die Neuordnung, wollen die Kommunen gemeinsam dagegen den Klageweg beschreiten. „Das geht allerdings erst, wenn das KFA gilt und bis es dazu eine Rechtsentscheidung gibt, werden drei bis vier Jahre ins Land gehen, in denen die Stadt Kronberg erstmal zahlen muss.“

Und das, was die Stadt zu zahlen hätte, deren Haushalt ohnehin nach wie vor ein strukturelles Defizit von rund einer Million Euro aufweist, wie Klaus Temmen den anwesenden Bürgern erklärte, ist kein Pappenstiel. „Wir werden insgesamt nach heutigem Haushaltsstand 1,1 Millionen Euro mehr an das Land zahlen müssen als jetzt“, kündigte er an.

Nach den neuen Modellrechungen des Landes Hessen, mit dem Ziel nach dem „Alsfeld-Urteil“, das die Pauschalausschüttung von 23 Prozent der Steuerverbundmasse als verfassungswidrig befand – der KFA soll sich am tatsächlichen Bedarf der Kommunen ausrichten – kommt die Arbeitsgruppe nach Zahlenanalyse zu „erschreckenden Ergebnissen“. „Es wird weniger und schlechtere Leistungen für die Bürger und Unternehmen geben, dafür Steuer- und Gebührenerhöhungen sowie erhöhte Nutzungsentgelte.“ Die Gründe: die Finanzmasse ist nicht bedarfsgerecht ermittelt: Defizite der Kommunen bei Pflichtaufgaben und freiwilligen Leistungen werden nicht voll anerkannt, die Abundanzermittlung erfolgt nicht gemeindespezifisch sondern pauschalisiert. „Außerdem werden Bedarfe klein, Ertäge jedoch hoch gerechnet“, kritisiert der Bürgermeister. Und er nennt ein Beispiel: Obwohl das Leben hier in hessischen Mittelzentren eindeutig teurer sei als in Randgebieten, siehe Mieten, Kitas und vieles andere mehr, würden für alle gleiche Mittelsätze gebildet, gleichzeitig aber noch Erträge eingerechnet , die Kronberg gar nicht habe. „Nach der Modellberechnung verfügt die Stadt Kronberg über 2 Millionen Euro an Steuereinnahmen, über die sie gar nicht verfügt“, so Temmen. Die Orientierung an Durchschnittssätzen in Hessen für die Gewerbe- und die Grundsteuern ziehe eine Steuererhöhungsspirale nach sich und das Land sei fein raus, denn dadurch werde der zu zahlende Landesanteil verringert, die Kreis- und Schulumlage jedoch erhöht. „Es wird außerdem nicht anerkannt, dass wir hier in einem Ballungsgebiet mit Metropolfunktion leben.“ Anhand einer Tabelle, die die verbleibende Finanzkraft der Kommunen nach Einführung des KFA demonstrierte, machte er weiter deutlich, dass hier strukturschwache Regionen und der ländliche Raum durch eine „überproportionale Schwächung des Ballungsraumes“ gestärkt würden. Dabei sei die gegenüber schwächeren Kommunen zu leistende Solidarität, mit der hier geworben werde, längst „tägliche Realität“. Das jedenfalls dokumentierte eine weitere Tabelle anschaulich, nach der beispielsweise der Hochtaunuskreis und die Stadt Frankfurt schon heute viele Millionen Euro über die Einkommenssteuerkappung, Umlagen und Ähnliches abführen, was dann einem Landkreis Kassel oder Gießen zugute kommt. „Wir haben in Kronberg 65 Bürger, die ein zu versteuerndes Einkommen über 1 Million Euro haben“, so Temmen. Der Anteil davon, werde jedoch nach einem zu versteuernden Einkommen von 70.000 Euro im Jahr berechnet, denn da liegt die sogenannte „Kappungsgrenze“.

Die Forderungen einer Änderung des geplanten KFA liegen für Temmen auf der Hand: Es gilt, die Finanzausgleichmasse zu erhöhen, keine neue Solidaritätsumlage einzuführen, die Hebesätze nicht anhand von Durchschnittwerten zu berechnen, die maximale Kreis- und Schulumlage „einzufrieren“ und die Metropolfunktion der Region anzuerkennen, fasste er zusammen.

Was bedeutet der KFA 2016 für Kronberg?

Ein düstere Zukunft würde der KFA 2016 der Stadt Kronberg bescheren, da ist sich Temmen sicher. Denn die Stadt hat in den letzten Jahren aufgrund des strukturellen Haushaltsdefizits bereits zahlreiche Sparmaßnahmen umgesetzt: Es wurden Stellen abgebaut, der Bürgerservice, siehe Stadtbücherei und Bürgerbüro runtergefahren“, so Temmen, Vereinszuschüsse und Kulturetats gekürzt oder gestrichen, Stadtwerkeleistungen reduziert, ein Jugendhaus geschlossen, Straßen- und Gebäudesanierungen geschoben, zählte er auf. Gleichzeitig wurden Erträge bei der Grundsteuer A und B erhöht, die Zweitwohnungsteuer eingeführt, eine Vielzahl von Gebühren und die Nutzungsentgelte erhöht (Kita, Friedhof, Märkte, Bücherei, Schwimmbad), um die wichtigsten Punkte zu nennen. So seien die Möglichkeiten, für erneute Konsolidierung aufgrund der möglicherweise zu zahlenden weiteren Million Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich „begrenzt“, aber weitere Leistungsreduzierungen und Sparmaßnahmen bei Steuererhöhungen, womöglich auch der Gewerbesteuer, dann aber trotzdem unumgänglich. „Der neue KFA wird, trotz unserer Konsolidierungsbemühungen der letzten Jahre der Stadt Kronberg ein neues strukturelles Defizit in 2017 bescheren.“



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