Ära des Nassauer Hofs beendet – ein kleiner Rückblick

Ein Foto aus der Gründerzeit der Kerbeburschen Foto: privat

Oberhöchstadt (pu) – Nun ist es Fakt, die seit jeher als Familienbetrieb geführte Traditions-Apfelweinkneipe „Nassauer Hof“ hat am 14. Dezember endgültig ihre Pforten geschlossen. Das Ende einer Ära!

Die Besitzer, das Geschwisterpaar Magdalena und Heinz-Peter Sachs, setzten damit für sich persönlich den Schlusspunkt unter einen langen Lebensabschnitt, der von Kindesbeinen an von dem Bestreben geprägt war eine urige gastfreundliche Wirtsstube „ohne großen Schnickschnack“ zu betreiben mit bodenständiger Hessischer Küche wie Handkäs‘ mit Musik oder Schnitzel und „einem recht guten Äppelwoi“, wie Sachs schmunzelnd während des Interviews verriet. Familiäre Atmosphäre und ein offenes Ohr gab es „beim Sachs“ stets zum Nulltarif obendrein.

Entsprechend groß ist im Ort und über die Stadtgrenzen hinaus die Wehmut über den herben Verlust. „Uns ist durchaus bewusst, dass unsere Stammgäste ein Stück Heimat verlieren“, fühlt der Kneipier mit den langjährigen Weggefährten mit. „Viele kannten mich schon als kleinen Steppke, im Laufe der Jahre lernt man einfach seine Leute kennen.“ Das gelte nicht nur für ihn und seine Schwester, sondern auch für die langjährige Bedienung „Mischa“ Krebs. „Sie ist schon ewig hier, kennt Gott und die Welt, wir haben den Laden all die Jahre zu dritt geschmissen.“ Dennoch wirbt er um Verständnis für die alles andere als leichtherzig getroffene Entscheidung, aus mehreren Gründen einen Schlussstrich zu ziehen (wir berichteten).

Treffpunkt von Stammtischen und Vereinen

Dabei war von einem Gasthaus auf diesem Grundstück anfangs gar keine Rede. „Unsere Vorfahren bauten zunächst eine Ziegelhütte, später kamen das Wohnhaus, eine Scheune und unter anderem die Gastwirtschaft dazu“, gab Heinz-Peter Sachs seinen Kenntnisstand der Anfänge wieder. Seinerzeit habe das Anwesen im Übrigen noch außerhalb des Dorfes gelegen, die Adresse daher auch „vor dem Dorf“ gelautet. Nach Urgroßvater Peter Josef Sachs und dem gleichnamigen Großvater hätte irgendwann sein Vater Heinrich den Betrieb übernommen. Ein glühender Fan der Frankfurter Eintracht, was regelmäßig hitzige Diskussionen mit dem sich Sonntagsmorgens im Nassauer Hof treffenden „Geißbock-Stammtisch“ mit sich brachte. „Das war eine liebevoll gepflegte Rivalität zwischen den rund 20 Anhängern des 1. FC Köln, die uns seit 1963 die Treue hielten“, plauderte Heinz-Peter Sachs aus dem Nähkästchen. Der Stammtisch sei damals auf Initiative von Karl Huss, von allen nur liebevoll Husse Karl genannt, gegründet worden. Von den damaligen Gründungsmitgliedern sei bedauerlicherweise nur noch Leo Lau am Leben.

Ein zweiter Stammtisch, der in früheren Jahren quasi zum „Sachs‘schen“ Inventar zählte, war der des Club „Humor und Freude“, aus dem sich 1966 eine 15-köpfige Gruppe herauslöste, um als Oberhöchstädter Kerbeburschen die damals brach liegende Kerb wieder zum Leben zu erwecken – zunächst in der Gaststätte versteht sich. Amors Pfeil war hin und wieder auch dabei. Heinz-Peter Sachs dazu: „Ich kriege noch heute erzählt, ich habe bei euch auf der Kerb meine Frau kennengelernt.“ Gleich für vier Vereine bot der „Nassauer Hof“ eine willkommene Anlaufstelle. „Montags und freitags kam die Feuerwehr, dienstags der Gesangverein und donnerstags die Fußballer“, blickte Sachs zurück. Die logische Konsequenz: „Unser Ruhetag war seit den 1960er-Jahren am vereinsfreien Mittwoch.“ Im „Nassauer Hof“ fand am 23. Juni 1959 auch die erste ordentliche Vereinsringsitzung des neu zu gründenden Oberhöchstädter Vereinsrings unter Führung von Albert Sanftenberg statt.

Während der Karnevalszeit ging in der Kultkneipe bei Masken- oder Lumpenbällen sowie Fremdensitzungen regelmäßig die Post ab, teilweise auf der Theke tanzend. Nach der Eröffnung des Hauses Altkönig vor über 40 Jahren gingen diese Veranstaltungen nach und nach verloren; die berühmt-berüchtigte Rasselböck-Fastnacht bei saunaähnlichen Temperaturen fand jedoch bis zuletzt statt. Ob in früheren Jahren das Brunnenfest, spontane abendliche Skatrunden, Familienfeiern oder der Absacker am Feierabend – „Lass uns doch zum Sachs gehen.“

Sommergäste

Der Biergarten unter dem alten Kastanienbaumbestand hatte dabei seine ganz eigene Fangemeinde. „Nicht wenige Gäste kamen ausschließlich im Sommer, das aber konsequent. Mit den ersten Sonnenstrahlen waren sie da und nach Schließung des Biergartens im September wiederum für ein halbes Jahr von der Bildfläche verschwunden“, erzählt Sachs.

Nie in die Öffentlichkeit gedrängt

Doch auch dieses Phänomen ist endgültig Vergangenheit. Was bleibt sind die Erinnerungen an unzählige unvergessliche Momente, es fällt dem Geschwisterpaar sichtlich schwer einzelne herauszupicken. Die Beiden waren nach eigener Aussage „immer öffentlich und jeden Tag da“, aber das ausschließlich im Rahmen ihrer Tätigkeit, die sie mit großer Leidenschaft und Freude ausübten. Dennoch hielten sie sich bis zuletzt ganz bescheiden im Hintergrund, drängten nie ins Licht der Öffentlichkeit. Aus diesem Grund lehnten sie auch ein Erinnerungsfoto vor dem Haus oder hinter der Theke ab, „beim Sachs“ standen stets die Gäste im Mittelpunkt.

Für Heinz-Peter und Magdalena Sachs beginnt nun ein ganz neuer, ungewohnter Lebensabschnitt, für die Oberhöchstaädter endet eine Epoche.

In den nächsten Wochen wird über die Zukunft des Grundstücks entschieden, das markante Gebäude wird wohl abgerissen.



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