Begegnungen mit Klängen und Texten beim Konzert im Altkönig-Stift

Christoph Werkhausen zitierte Gedichte und Prosa von Goethe, Kleist, Gryphius, Ringelnatz und dem schwedischen Literaturnobelpreisträger Tranströmer. Foto: Wittkopf

Oberhöchstadt (pf) – Musik mit Sprache zu kombinieren – dieses Wagnis unternahmen das Blechbläserquartett Frankfurt City Brass und hr-Moderator Christoph Werkhausen Samstagabend im Altkönig-Stift beim dritten Konzert der Reihe „Klassik in Kronberg“. Unter dem Motto „Blech und Literatur“ erklang nicht nur Bläsermusik aus sechs Jahrhunderten, sondern auch zur Musik passende Gedichte und eine Passage aus Johann Wolfgang von Goethes Bericht über seine erste Italienreise, in der er seinen Aufenthalt in Venedig schildert.

„Was würden Sie tun, wenn Sie das neue Jahr regieren könnten?“ Mit dieser Frage und dem Gedicht von Joachim Ringelnatz, das sie hintersinnig-humorvoll beantwortet, eröffnete Christoph Werkhausen den ungewöhnlichen Abend, ehe die beiden Solotrompeter Markus Bebek und Matthias Kowalczyk und die beiden Solo-Posaunisten Klaus Bruschke und Manfred Keller mit strahlendem Ton Benedetto Marcellos „Die Himmel erzählen die Ehre Gottes“ anstimmten.

Ehe sich Musiker und Moderator auf den Weg nach Italien und Venedig machten, standen mit den poetischen Gedichten des schwedischen Literaturnobelpreisträgers von 2011 Tomas Tranströmer Abstecher nach Skandinavien und mit drei englischen Madrigalen nach Großbritannien auf dem Programm. Für viele im Publikum dürfte es die erste Begegnung mit dem schwedischen Dichter gewesen sein, der mit wunderbaren Metaphern Bilder malt und ganz besondere Augenblicke festhält. In seinem Gedicht „Allegro“ etwa schreibt er: „Die Musik ist ein Glashaus am Hang, wo die Steine fliegen, die Steine rollen. Und die Steine rollen quer hindurch, doch jede Fensterscheibe bleibt ganz.“

Goethes sehr anschauliche Venedig-Schilderungen begleiteten die vier Musiker mit einem Ricercare von Andrea Gabrieli und vier Canzoni von Giovanni Gabrieli.

Blechbläser, so charakterisierte sie Christoph Werkhausen, der selbst ausgebildeter Trompeter ist, seien robuste Persönlichkeiten. Schließlich hätten sie schon seit dem Altertum in ihre Instrumente gestoßen, um Feinde zu erschrecken. Aber die vier Bläser der Frankfurt City Brass konnten auch sehr warme, weiche Töne und gefühlvolle Melodien spielen. Zu Beginn des zweiten Konzertteils allerdings bliesen sie mit Igor Strawinskys „Fanfare for a New Theatre“ eher zum Sturm. Und auch Samuel Scheidts „Galliard Battaglia“ klang recht kriegerisch.

Dazu hatte Christoph Werkhausen Gedichte von Andreas Gryphius ausgewählt, der vor Ausbruch des 30-jährigen Krieges 1616 in Glogau geboren wurde und dort 1664 auch starb. Er gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des deutschen Barock und schildert in seinen sprachgewaltigen Sonetten „das Leiden, die Gebrechlichkeit des Lebens und der Welt“. Kriegerisch ging es auch in Heinrich von Kleists dennoch höchst vergnüglicher „Anekdote aus dem letzten preußischen Kriege“ zu, die Christoph Werkhausen vorlas.

Zu Paul Hindemiths Morgenmusik aus „Plöner Musiktag“ hatte er mit „Morgenstund’ hat Gold im Mund“, „Frühling hinter Bad Nauheim“ und „Sommerfrische“ wieder drei heitere Gedichte von Joachim Ringelnatz ausgewählt. Mit drei Spirituals des 1941 in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays geborenen Posaunisten, Arrangeur und Komponisten Enrique Crespo, der Soloposaunist der Bamberger Symphoniker, später des Radio Sinfonieorchesters Stuttgart war und die Formation „German Brass“ gründete, ging das ungewöhnliche Konzert zu Ende.

Das Publikum applaudierte begeistert und ließ die Akteure erst von der Bühne, nachdem sie eine Zugabe gespielt und ein weiteres Gedicht gesprochen hatten – wieder eins von Joachim Ringelnatz. Die Zuschauer waren sich einig, dass die ungewöhnliche Kombination von Musik, Gedichten und Prosatexten nicht nur ein gelungenes Experiment war, sondern neue Horizonte erschloss.



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