Bis zu 40 Erwachsene plus Kinder werden im RPZ-Bettenhaus einziehen

Oberkirchenrat Markus Keller (links), die Erste Kreisbeigeordnete des Hochtaunuskreises Katrin Hechler und Integrations-Dezernent Hans-Robert Philippi (rechts) stellten sich den kritischen Fragen. Gesprächsleiter Martin Fedler-Raupp, Dekan des Evangelischen Dekanats Kronberg (Zweiter von links) führte durch den Abend. Foto: Genthe

Schönberg (pu) – Die Leitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) als Gebäude- und Grundstückseigentümer der Liegenschaft im Brühl 30 hat sich letzten Donnerstag in Sachen Flüchtlingsaufnahme zu einer Entscheidung durchgerungen: Bis zu 40 Erwachsene plus eine bisher unbekannte Anzahl an Kindern werden im „Bettenhaus“ des ehemaligen Religionspädagogischen Zentrums aufgenommen.

Nach Angaben von Oberkirchenrat Markus Keller, dem Leiter der Bau- und Liegenschaften, der noch am gleichen Abend im Verlauf einer Informationsveranstaltung in den Räumen der Evangelischen Markus-Gemeinde über die neuesten Entwicklungen informierte, konnte die Kirchenleitung letztendlich der Bitte des Schönberger Kirchenvorstands, maximal 15 bis 20 Personen und zwar vorwiegend Familien aufzunehmen, aus mehreren Beweggründen nicht entsprechen.

Ab 40 Personen halbe Stelle für sozialpädagogische Betreuungskraft

Der Größe des Mietobjekts entsprechend – zur Verfügung stehen rund 1.300 Quadratmeter (Zimmer, Büro für die Sozialarbeit sowie in den Räumen des ehemaligen Jugendhauses eine Küche und ein Aufenthaltsraum) – hätten der Empfehlung der Liga der freien Wohlfahrtspflege entsprechend maximal 60 Personen Platz gefunden. „Wir wollen aber auf 40 Erwachsene begrenzen und haben darauf gedrungen im auf zwei Jahre befristeten Mietvertrag einen Passus aufzunehmen, der maximal 30 alleinstehende Männer vorsieht, um dem an uns herangetragenen Wunsch von Gemeindevorstand und Anwohnern Rechnung zu tragen.“

Stichhaltigstes Argument für diesen Entschluss: Ab 40 Bewohnern, und das bestätigte auch die ebenfalls auf dem Podium sitzende Erste Kreisbeigeordnete des Hochtaunuskreises Katrin Hechler (SPD), sei eine halbe Stelle für eine sozialpädagogische Betreuungskraft vorgesehen und damit „ein Kümmerer, der Verantwortung übernimmt und auf die Einhaltung des sozialen Friedens und der Hausordnung achtet. Bei 20 Personen wäre es nur eine Viertel Stelle gewesen. Dies war für uns das stichhaltigste Argument.“

Ein Teil der weit über einhundert der Einladung gefolgten Interessenten ließ zwar keinen Zweifel aufkommen, wie wichtig auch ihnen eine geregelte, am liebsten sogar 24-stündige Rundumbetreuung ist, damit die Einrichtung weder im Schmutz noch im Lärm und Terror versinkt; die Aufstockung der von ihnen dort angestrebten Bewohnerzahlen trieb allerdings etlichen postwendend die Zornesröte ins Gesicht: „Unglaublich – 15 bis 20 waren versprochen“.

Keller verteidigte die Position der Kirche. „Wir sehen uns im Sinne der Humanität und der Nächstenliebe in der Pflicht der Bitte der Stadt Kronberg und des Hochtaunuskreises zu entsprechen.“ Die in den vergangenen Monaten aus den Reihen der Nachbarschaft geäußerten Ängste und Einwände würden mitnichten einfach vom Tisch gewischt, andererseits habe er eine Stellungnahme des interkulturellen Beauftragten der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau vorliegen, derzufolge es keine besonderen Schwierigkeiten oder Missstände bei Einrichtungen mit bis zu 50 Flüchtlingen gäbe.

Um dennoch keine Fakten über Jahre hinaus zu schaffen, werde nach eineinhalb Jahren eine Auswertung der dann vorliegenden Erkenntnisse vorgenommen, die in die Verhandlungen über eine etwaige Verlängerung des Mietvertrages einfließen. Den ebenfalls offen geäußerten Vorwurf, die Kirche wolle sich durch die Vermietung bereichern, wies Keller energisch zurück. „Der auf die reine Wohnfläche begrenzte Mietpreis von 7,50 Euro pro Quadratmeter entspricht der Hälfte dessen, was uns von einem Gutachter als angemessene Miete empfohlen wurde.“ Auf Beschluss der Kirchenleitung wird, sofern nach der nötigsten Bauerhaltung und Abschreibung Überschüsse aus den Mieteinnahmen verbleiben, dieses Geld in die Flüchtlingshilfe gesteckt. „Falls die Gemeinde zum Beispiel eine ehrenamtliche Betreuungsperson einstellen will, wollen wir das daraus finanzieren.“

Die meisten Menschen werden hierbleiben

Die Erste Kreisbeigeordnete des Hochtaunuskreises Katrin Hechler (SPD) dankte der Kirche auch vor dem Hintergrund, dass bisher in Schönberg keine einzige private Wohnung angeboten worden sei, dafür „dass sie die Türen öffnet und die Menschen aufnimmt“. Erneut verwies sie auf die weiter wachsenden Flüchtlingzahlen „die Zahl der Neuankömmlinge im Hochtaunuskreis und damit auch in Kronberg werden sich verdoppeln“ und die damit verbundene Dringlichkeit, Lösungen zu finden.

Laut Hechler sind Brandschutz und Bauamt über den Zustand des Bettenhauses „begeistert“, die notwendigen Vorbereitungsarbeiten laufen auf Hochtouren, damit höchstwahrscheinlich Montag, 27. Oktober eine Familie mit zwei Kindern dort den Reigen der Neuankömmlinge eröffnen kann. „Wir werden uns alle Mühe geben, dass sowohl die Spielregeln als auch die Hausordnung eingehalten werden. Ich bitte Sie deshalb eindringlich, geben Sie diesen Menschen eine Chance, es geht darum, dass wir eine gemeinsame Zukunft haben, denn die meisten Menschen werden hierbleiben“, richtete sie einen flammenden Appell an die Bevölkerung. Die meisten kämen aus Somalia, Eritrea und Syrien.

Wie schnell die Integration letztendlich gelingt, müssen die nächsten Monate zeigen. Am Informationsabend kochten die Emotionen jedenfalls noch einmal richtig hoch. Gesprächsleiter Martin Fedler-Raupp, Dekan des Evangelischen Dekanats Kronberg, bewahrte die Übersicht und ließ alle zu Wort kommen. Im Verlauf der hitzigen Diskussion wies Bürgermeister Klaus Temmen Spekulationen über einen Deal zwischen Kirche und Stadt energisch zurück. „Es gibt keinen Deal, damit die Kirche die Villa Spieß versilbern kann!“ Für den Fall, dass die Kirche tatsächlich irgendwann den Wunsch einer Umwidmung an die Stadt herantrage, „müssten Magistrat und Stadtverordnetenversammlung eine Änderung des Bebauungsplans auf den Weg bringen und dann hätten sie wie immer in solchen Fällen ausreichend Gelegenheit sich einzubringen.“

Hans-Willi Schmidt vom Arbeitskreis Integration zeigte sich erschrocken über die Äußerungen und Vorverurteilungen: „Ich bitte Euch Leute, seid doch mal menschlich und christlich. So wie wir auf die Flüchtlinge zugehen, so gehen sie auch auf uns zu.“

Mit den Planungen der angepeilten Sammelunterkünfte in den beiden anderen Stadteilen kommen Stadt und Kreis laut Integrations-Dezernent Hans-Robert Philippi ebenfalls voran. In Bezug auf das Gebäude in der Dieselstraße in Oberhöchstadt hofft man bis Ende des Jahres wenigstens Teile des Gebäudes nutzen zu können, in Kronberg sollen auf einem privatem und einem städtischen Grundstück Unterkünfte in Elementarbauweise entstehen.



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