Bad Homburg. Die Karnevalisten meinen es ernst und mit ihnen der katholische Pfarrer Werner Meuer und die Vertreter der Politik. Alle tragen an diesem Tag die Narrenkappe. Sie wollen Spaß haben, Freude und Menschlichkeit in die Welt tragen in schwierigen Zeiten. Gemeinsam und über alle selbst konstruierten Grenzen hinweg. Der „Närrische Gottesdienst“ in der Kirche St. Marien war eine offene fröhliche Demonstration für diesen verfolgten Ansatz in der fünften Jahreszeit bis zum Höhepunkt am ersten März-Wochenende.
Wenn der Pfarrer über dem Talar einen Fastnachtsorden um den Hals trägt und die Narrenkappe auf dem Kopf, dann muss das ein besonderer Tag sein. Und schon gar, wenn eine Prinzessin von karnevalistischem Geblüt, also die Kurstadt-Prinzessin Anna-Lena I. von den „Freunden des Carneval“ an seiner Seite steht vor dem Einzug in die Kirche und Bürgermeister Oliver Jedynak, dezent in der zweiten Reihe, auch Orden und Kappe trägt. Umgeben von bunten Gardemädchen, karnevalistischen Hochkarätigen aus allen vier Bad Homburger Karnevalsvereinen und auch Vize-Landrat Thorsten Schorr ist im dezent närrischen Outfit mit Orden und roter Fliege zu sehen. Gleich werden sie gemeinsam in buntem Zug mit ihren Standarten einmarschieren in die altehrwürdige Kirche, unter Fanfarenklängen und rhythmischem Klatschen der bunten Kirchengemeinde und der Gesang langsam übergehen in ein Loblied auf den Herrn.
Die Kapp bleibt uff, das macht Pfarrer Meuer wenig später klar, hier wird Fastnacht mit dem Segen Gottes gefeiert, also mit Hut, Perücke und Kostümierung, das ist ausdrücklich erwünscht. Nur er selbst zieht die Kapp ab, weil das ungewohnte Ding ein wenig zu viel wackelt auf dem Kopf, einen Ehrenplatz während des Gottesdienstes bekommt sie auf dem Altar. Bei der Begrüßung der Gottesdienst-Besucher durch den Narrenratsvorsitzenden Torsten Hainz von den „Freunden des Carnevals“, klingt das erste Helau trotz dessen 20 Jahre Erfahrung auf diesem Posten noch dezent und etwas reserviert, das gibt sich im weiteren Verlauf des Gottesdienstes. Betont begrüßt Torsten Hainz neben vorneweg natürlich Anna-Lena I. Tollitäten aus den Nachbarorten zwischen Kransberg und Bad Soden, die sich diesen besonderen fastnachtlichen Einsatz nicht entgehen lassen, und die Vertreter des Homburger Carneval-Verein 1902, vom Club Humor und vom CV Heiterkeit sowie der Kolpingfamilie. Den ersten Tusch aus der Kirchenorgel bekommt er für die Begrüßung der Gäste, die leider nicht mehr dabei sein können: „Im 11. Himmel ist der Stammtisch gut besetzt.“ So soll es sein, Fastnacht mit dem Segen Gottes, wie im Himmel so auf Erden. Das betont auch Hauspfarrer Werner Meuer bei dieser 7. Auflage des „Närrischen Gottesdienstes“ mehrfach.
Das „Halleluja“ dirigiert der Pfarrer im Wechselgesang, seine Predigt hat er in gereimten Zeilen konzipiert. Eine Predigt, die auch Mut machen soll und animieren zum Überschreiten selbst gesetzter Grenzen. Fastnacht mit dem Segen Gottes, dies bedeute auch, wie wichtig es sei, die Fastnacht lebendig zu halten und der Karneval nicht ausfällt, auch nicht, wenn die politische Situation „ein Graus“ sei. „Wir dürfen trauern, aber auch feiern“, so Meuer. „Wir stehen zusammen, feiern zusammen.“ Der Spruch „den lieben Gott einen guten Mann sein lassen“, bekommt eine wunderbare Leichtigkeit in diesem Kontext.
Später wird auch Helene Fischer mit ihrem Lied „Jetzt oder nie“ eingeblendet und Pfarrer Meuer gibt den Takt zum Klatschen im Stehen von allen vor. Natürlich mit einem Tusch zum Abschluss. Seine Gedanken zum neuen amerikanischen Präsidenten und dessen begrenzter Philosophie verpackt Meuer in einen emotionalen Aufruf zur Menschlichkeit. Und er spricht ihn in einer Sprache, die auch Donald Trump in seiner beschränkten Außenwelt verstehen kann. „Make humanity great again, make charity great again, make solidarity great again, make respect great again.“ Es geht um Menschlichkeit, Nächstenliebe und Wohltätigkeit, Solidarität und Respekt. „Wir dürfen ausgelassen feiern und fröhlich sein. Amen und Helau“. Applaus und doppelter Tusch von der Orgel.