Ausdrucksstark und präzise

Frenetischen Applaus und Bravorufe gibt es für den Pianisten Leonhard Dering. Foto: abv

Bad Homburg (abv). Im letzten Meisterpianisten-Konzert der Saison der Schlosskonzerte trat Leonhard Dering auf. Im russischen Tomsk in eine deutsch-russisch-lettische Familie geboren, wie er selbst in seiner Biografie angibt, und aufgewachsen in Coburg, genoss Dering seine gesamte Ausbildung bei Lehrern, die in der Tradition der russischen Klavierschule unterrichten. Unter anderem bei Lev Natochenny, der nach seiner Emeritierung in Bad Homburg unterrichtet.

Das komplette zweite Buch der Préludes von Claude Debussy bildete das Programm des ersten Teils. Zwischen 1910 und 1913 komponiert gelten die zwölf Genrestücke als idealtypische Darstellung des musikalischen Impressionismus. Debussy vertonte hier Alltagsbeobachtungen wie Brouillards (Nebel), Feuilles mortes (Welke Blätter), Personen oder Figuren wie Les Fées sont d’exquises danseuses (Die Feen sind ausgezeichnete Tänzerinnen) oder Général Lavine – excentric (Der exzentrische General Lavine), Gebäude wie La Puerta del Vino (Das Weintor) bis zum finalen Feux d’artifices (Feuerwerk). Das Spiel Derings war ebenso ausdrucksstark und präzise, kreativ und bildhaft.

Im zweiten Teil des Konzerts wartete ein „großer Brocken“ Klaviermusik auf den 31-jährigen Dering. Franz Liszt, der auch als Wegbereiter des Impressionismus gilt, wie es der Pianist selbst ausführte, komponierte seine Klaviersonate in h-Moll 1852/53. Dering verstand es, neben der meisterhaften Bewältigung der pianistischen Höchstschwierigkeiten, den großen Bogen dieses Meilensteins romantischer Klaviermusik auszudeuten. In der Weiterentwicklung der tradierten Sonatenform vermied Liszt die Anlage einzelner, durch Pausen getrennter Sätze wie es bis dahin üblich war. Es lassen sich trotzdem drei Teile ausmachen, die ohne wahrnehmbare Pausen ineinander übergehen, was dem gesamten Werk eine potpourrihafte Gestalt verleiht. Wie schon bei Debussy gestaltete Dering die einzelnen Abschnitte durchdacht und brillierte besonders mit der makellosen Darbietung der typisch Liszt’schen Klangkaskaden. Schwächen in der Interpretation ließen sich in den wenigen Stellen des Werks ausmachen, in denen Liszt Motive einführte und kompositorisch entwickelte.

Interessant ist, dass hier auch andere Schüler Natochennys nicht gerade ihre Stärken haben. Das Publikum goutierte die hervorragende Leistung von Leonhard Dering mit frenetischem, zum Teil stehendem Applaus und vielen Bravorufen. Dering bedankte sich zuerst beim Veranstalter, dass dieser trotz der zweimaligen coronabedingten Verschiebung an diesem Konzert festgehalten hat, und beim beseelten Publikum nicht mit einem kurzen „Schmankerl“, sondern einem Spätwerk Liszts, den „Wasserspielen der Villa d‘Este“.



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