Champagnerluft gemischt mit Pommes-Duft

Wegweiser: Der „Kommissär“ ist der wichtigste Mann im Start/Ziel-Bereich. Anton Koppai zählt die gefahrenen Runden und läutet die Glocke für Sprintwertungen. Foto: js

Bad Homburg (js). „Großer Preis der Stadt Bad Homburg“ – das hört sich gut an, das passt zum Kurort mit dem gewissen Flair. Und ist alle Jahre wieder ein Anziehungspunkt für Radsportfreunde aus der Region. Schon früh am Morgen zieht es ehrgeizige Väter mit ehrgeizigen Söhnen zu den Rennen des Nachwuchses, schon früh lagert das Begleitpersonal am Rand des Kurparks. Es gibt Kuchen, später Pommes mit Ketchup und Bratwurst im Brötchen zur Champagnerluft. Ein buntes Völkchen kommt da zusammen, über den Tag verteilt ziemlich viele auf ziemlich teuren Rennrädern, die anderen hinter den Absperrgittern zur Sicherheit von Fahrern und Zuschauern. Große Namen stehen in der Siegerliste der vergangenen 40 Jahre, Namen von Männern mit strammen Waden, die man aus Rennlisten weltberühmter Rennen kennt. Oder weil einer von ihnen im Nachbarort wohnt.

Natürlich kam John Degenkolb die paar Kilometer aus Oberursel, wo er seit ein paar Jahren residiert und schon einen Eintrag ins Goldene Buch der Stadt vorweisen kann, mit dem Fahrrad zum Start vor der Wicker-Klinik. Für Selfies mit Fans ist er sich nie zu schade, Autogramme schreibt er bereitwillig und lächeln tut er meistens auch. Ein bisschen zurückhaltend vielleicht in diesem Jahr, die Saison verlief für ihn ohne Tour de France nicht so wie gewünscht. In Bad Homburg wird „Dege“, wie sie ihn gerne nennen, trotzdem mit viel freundlichem Applaus empfangen, hier hat er sich mit drei Siegen (2013, 2016, 2018) bereits so oft wie kein anderer in die ewige Bestenliste eingeschrieben.

Über den sportlichen Wert des „Großen Preis der Stadt Bad Homburg – Rund um den Kurpark“ wird am Wegesrand hinter den Absperrgittern immer wieder gern diskutiert. Dass es eine Traditionsveranstaltung mit viel Renommee ist und von hohem Wert als Werbefaktor für die Kurstadt, ist unumstritten. Ein Jubiläumsrennen war das am Sonntag, mit einem Wetter perfekt für einen Radausflug in Richtung Kurpark. Zum 40. Mal ging die wilde Hatz rund um den Park, in dem derzeit außerdem noch die international bekannte Blickachsen-Ausstellung präsentiert wird. Gut für ein wenig Laufkundschaft im Publikum. 50 Runden à 1,6 Kilometer muss die Elite bewältigen, im Zwei-Minuten-Takt rauscht da das Feld im Start- und Zielbereich an der Kaiser-Friedrich-Promenade vorbei. Da ist der Zuschauer stets mittendrin im Sirren der Räder. Und am Ende gewinnt meistens der, der als Sieger vorgesehen ist.

Das „Kurparkrennen“ passt zur neuen Philosophie der Fortbewegungskultur in der Stadt. Fahrradfreundlicher soll die Promenade werden, das haben sich in Bad Homburg alle politischen Parteien auf die Fahne geschrieben, mit der Umsetzung wurde bereits begonnen. Es geht voran, konnte der Oberbürgermeister schon berichten, beim Rennen der Elite darf er den Startschuss abgeben und Degenkolb mit dem Auftrag „Du gewinnst für Oberursel“ auf die Reise schicken. Beim Tempo der Radler drückt die Ordnungspolizei am Rennsonntag ein Auge zu. Und hält die Luft an, wenn das Hauptfeld in halsbrecherischer Fahrt in die engen Kurven etwa am Schwedenpfad oder beim Einbiegen in die Kisseleffstraße schießt. Fast doppelt so schnell wie erlaubt sind hier die Profis unterwegs.

Im Affenzahn um den Park

Zehn Rennen gehen bis zum frühen Nachmittag über die Bühne. Jugend, Junioren, Senioren, Jedermänner, die Radsportszene wächst. Man zeigt sich, Fachgespräche werden im hautengen, meist knallbunten körperbetonten Dress geführt. Viele sind längst wieder weg, wenn die Elite startet, das eigene Rad ist dem Freizeitradler wichtiger als das vermeintlicher Stars. „Wo fahrt ihr hin?“, fragt Peter aus Frankfurt die Kumpels. „Erstmal über den Feldberg und dann nach Königstein.“ Aha, zu langweilig Runde um Runde im Affenzahn um den Kurpark. Immer nur Rechtskurven. Und die wirklich großen Stars der Szene sind ohnehin nicht dabei.

Egal, sagen diejenigen, die immer wieder kommen. „Jeder mit Affinität zum Radsport zeigt sich hier“, fasst Anton Koppai zusammen. „Spätestens beim Elite-Rennen sind die da.“ Stimmt, mit dem Start der Stars wächst das Publikum am Straßenrand und im Kurpark. Früher ist Koppai auch Rennen gefahren, vor 40 Jahren gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des veranstaltenden RSC Bad Homburg. Heute steht er als „Kommissär“ an der Ziellinie, streicht im Ferrari-roten Polo-Shirt und mit passender Kappe die gefahrenen Runden ab und läutet passend zu den Sprintwertungen die immer noch analoge Glocke. Und kann schöne Geschichten erzählen aus dem Radsport, spannende Interna, von „Operettenrennen“ und „Krabbelgruppen“. Ganz klar: „Es gewinnt schon der Richtige.“

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