Die Chancen ergreifen und offen für Neues sein

Mit Begeisterung und Informationen über Berufsausbildungen und -chancen werben in der Ausbildung befindliche Azubis, erfahrene Ausbildungsleiter und Mitarbeiter von 24 Firmen, Betrieben und Unternehmen während der 11. Nacht der Ausbildung in Bad Homburg – und Schüler und andere junge Menschen kommen ins Gespräch wie hier am Stand der Drogeriekette „dm“ mit Filialleiter Andreas Ubl (l.) und seinen Mitarbeiterinnen. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Eigentlich war sie ein Lichtblick, die 11. „Nacht der Ausbildung“ in Bad Homburg, die nach zwei Jahren Ausfall und einem eher im digitalen Abseits gelandeten Format im Jahr 2021 nun endlich wieder in Präsenz stattfand. „Das Digitale kann nicht das persönliche, direkte Gespräch mit interessierten Jugendlichen über Berufsangebote ersetzen“, sagte Oberbürgermeister Alexander Hetjes bei ihrer Eröffnung in der Fresenius-Zentrale. 24 Firmen, Betriebe und Institutionen warben, über die ganze Innenstadt verteilt, um möglichen Nachwuchs für mehr als 90 Ausbildungsberufe und duale Studiengänge. Handwerk, Hotellerie und Gastronomie, Banken und Versicherungen, städtische Verwaltungen, Öffentlicher Dienst, Krankenhaus und Rotes Kreuz, große Handels-Ketten und Großkonzerne, sie alle hatten nicht nur erfahrene Mitarbeiter und Ausbilder mobilisiert, sondern vor allem ihre jungen Azubis, die bereits in der Ausbildung sind, um Schüler und andere junge Menschen über mögliche Berufs- und Karrierewege zu informieren und sie dafür zu begeistern.

Und es war eine Freude, zuzuhören, mit welcher Überzeugung und ambitionierten Haltung viele der jungen Auszubildenden im zweiten und dritten Lehrjahr im gewählten Beruf über ihre gemachten Erfahrungen erzählten. „Die vielen jungen Menschen sind Ihre besten Werbeträger“, hatte Stadträtin Lucia Lewalter-Schoor den Vertretern der Unternehmen in ihrer Eröffnungsrede bescheinigt. Die Präsentationen waren vielseitig und ideenreich vorbereitet worden – und doch lag ein wenig Coronalähmung wie Mehltau über der Nacht der Ausbildung. Den Neugierigen, die gekommen waren und im Shuttlebus oder auf eigene Faust Stationen ansteuerten, konnte vonseiten der Unternehmen in den Gesprächen viel Zeit gewidmet werden – intensive Information statt oberflächliche Werbung war angesichts der Interessentenzahlen an so manchem Stand angesagt.

„Die Flaute an Azubis in den meisten Handwerksberufen ist keine aktuelle Entwicklung wegen der Pandemie oder den wirtschaftlichen Unsicherheiten jetzt“, konstatierte Markus Noll, Ausbildungsberater der Kreishandwerkerschaft Main und Hochtaunus, der in der Fresenius-Halle mit Hilfe neuester digitaler 3D-Brillentechnik 15 Handwerksberufe sowie das Projekt „Ausbildungsbotschafter:in“ der IHK, der Landkreise und der Handwerkskammer präsentierte. „Fleischer, Bäcker, Dachdecker – es herrscht katastrophaler Personalmangel. 70 Prozent der jungen Leute wollen heute Abitur machen, studieren, und an den Schulen findet kaum eine Berufsorientierung statt, die auch klassische Ausbildungsberufe einbezieht“, so Noll.

Trotzdem ein Lichtblick: Am Stand der gewerblich-technischen Ausbildung stand der angehende Industriemechaniker Niklas Fritz, Fachabiturient und 19 Jahre alt, hinter einem Tisch mit selbst gefrästen Metallteilen wie Hammerköpfen und Schraubschlüsseln und hielt einen handgefrästen Schraubstock hoch: „Mir gefällt, was ich mit der Hand mache. Auf diese Stück bin ich stolz. Nach mehreren Absagen für eine kaufmännische Ausbildung hatte ich die Idee: Mach doch ein Handwerk. Und die Entscheidung war richtig – jeder Arbeitstag ist abwechslungsreich und spannend!“ Dass Begeisterung und Engagement für die Ausbildung entscheidend sind, meinte auch der gleichaltrige Vincent Kowatsch, der im zweiten Lehrjahr als Bankkaufmann bei der Nassauischen Sparkasse ist und in der Filiale an der Louisenstraße mit Schülern ins Gespräch kam. Bei den Azubis der Bank hatten sich im Verlauf von zwei Stunden bereits 70 Interessierte über Zugangsvoraussetzungen und Bewerbungsformalitäten informiert. Kowatsch, Absolvent eines bilingualen Fachabiturs, erzählte nicht nur über Lerninhalte wie Kundengespräche führen, Private Banking oder Firmenkunden-Beratung, sondern auch über die „gute Unterstützung von erfahrenen Bank-Mitarbeitern, die uns anleiten und ihr Wissen gerne teilen“. Seine Ambitionen? „Ich will in den Vorstand“, lachte er, und dann: „Ich war schon Handballtrainer im Verein, ich denke sozial und möchte Menschen helfen, zum Beispiel alten Menschen, die mit Online-Banking nicht zurecht kommen.“

Vorbei an der offenen Tür der Taunus Sparkasse und mit Blick auf die Jugendlichen, die den Infoständen des Hotel „Maritim“ zustrebten, kam der Stand der Drogerie-Kette „dm“ ins Visier: „Hier kannst du auch mit einem guten Hauptschulabschluss Karriere machen, sogar im Anschluss an die Ausbildung eine Weiterbildung zum Handelsfachwirt machen, was dem Bachelor of Arts entspricht“, erklärten Filialleiter Andreas Ubl und seine jungen Mitarbeiterinnen. Die Filiale hat gerade vier Azubis und drei Ausbilder und Lern-Paten, das sind erfahrene Mitarbeiter. Ubl erklärte die „dm“-Firmen-Philosophie von einer flachen Hierarchie, viel Eigenverantwortung der Mitarbeiter und flexiblen Arbeitszeiten.

Zwei junge Damen, die sich dem Infostand genähert hatten, spitzten die Ohren, als Ubl sagte: „Irgendwie ist der Handel, ähnlich wie der Pflege-Bereich, als Beruf nicht mehr so attraktiv. Das liegt nicht am Gehalt, sondern mehr an der Haltung der jüngeren Generation. Sie wollen viel Freizeit, keine Samstagsarbeit, stellen hohe Ansprüche und haben auch Vorurteile, anstatt sich richtig zu informieren über Berufsbedingungen.“

Wie vielfältig Berufsangebote und Chancen tatsächlich sind, zeigte die „11. Nacht der Ausbildung“ in der Kurstadt auf jeden Fall. Denn es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten für junge Leute: Nämlich hoffnungsvoll die Chancen zu ergreifen, zu lernen, zu forschen und zu erfinden, neue Technologien zu nutzen und altbewährte weiterhin auszuüben, weil alles gebraucht wird, um Wirtschaft und Gesellschaft voranzubringen. Deshalb war die Informations-Nacht zu Berufswahl, Ausbildung und Karriere ein Lichtblick, der noch viel mehr Zuspruch verdient hat.

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