Bad Homburg (fk). Günther H. Oettinger ist ein Mann der klaren Worte. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg (2005 bis 2010) war der Gastredner beim Jahresempfang der CDU Bad Homburg, der sich bei seinem Vortrag „Deutschland hat gewählt – was jetzt?“ Nicht scheute, verbal den Finger in so manche Wunde zu legen. Egal, ob Fragen zur Wirtschaft, Außenpolitik, der inneren oder äußeren Sicherheit, dem Finanzsektor, Themen der transatlantischen Verbindung, Rentenproblematik oder dem Gesundheitswesen – kaum ein wichtiges Feld wurde an diesem frühen Abend nicht bearbeitet.
„Aktuell finden fast zeitgleich zwei Veranstaltungen statt. In Washington trifft sich unser Bundeskanzler mit dem US-Präsidenten und wir haben hier den Jahresempfang der CDU“, so der Ex-EU-Kommissar scherzhaft unter dem Gelächter der zahlreichen Gäste im ehemaligen Güterbahnhof. Doch dann wurde es schnell ernst. „Man kümmert sich um Gendersternchen und Cannabis, obwohl es wahrlich dringendere Probleme gibt. Wir müssen uns den Wahrheiten stellen. Souveränität, Freiheit und Demokratie wollen geschützt werden“, erklärte der Jurist.
„Um die nationale Sicherheit zu gewährleisten, die Verteidigungsfähigkeit zu erhalten, die Probleme der Demografie zu bewältigen und die nicht berechtigte Migration zu finanzieren ist ein wirtschaftliches Wachstum Voraussetzung. Diese Ziele erreicht man nicht mit Stagnation. Sicherheit kostet nun einmal Geld. Deutschland ist noch wirtschaftlich stark. Und die Begriffe Fleiß, Leistungsbereitschaft und Ehrgeiz zählen etwas. Das kann sich aber schnell ändern“, unterstrich der Christdemokrat in seiner Rede. Oettinger erinnerte sich an seine Eltern und Großeltern, als Begriffe wie „Rente mit 63“, „Vier-Tage-Woche“, „Work-Life-Balance“ oder „Homeoffice“ noch absolute Fremdworte waren. Beim Reisen durchs Land sind diverse Mängel seit Jahren präsent und werden nur sehr schleppend angegangen beziehungsweise gelöst. Stellvertretend sind hier das veraltete Schienennetz der Bahn, die damit auch zusammenhängende Unpünktlichkeit sowie die maroden Brücken (ungefähr 50 Prozent) und Autobahnen oder verkommene Infrastruktur im öffentlichen Bereich zu nennen. „In den Bereichen Bau, Produktion, Landwirtschaft ist Homeoffice keine Alternative. Aber auch im Dienstleistungssektor, der Verwaltung oder Behörden ist das Arbeiten von zu Hause nicht unbedingt die beste Lösung“, sagte der erfahrene Politiker unter dem Beifall der Gäste. Auch dass von der aktuellen Regierung wichtige Reformen zur Pflege- und Rentenreform und zum Gesundheitswesen für die Dauer von mindestens zwei Jahren in Fachkommissionen „verschoben“ werden, kritisierte Oettinger deutlich, da bereits heute schon viele Kliniken von der Hand in den Mund leben würden.
Auch im Bildungssektor zeigen sich düstere Wolken am Horizont. „Es kann nicht sein, dass jeder vierte Viertklässler nach der Grundschule nicht richtig lesen, rechnen und schreiben kann. Die Schule muss die Kinder auf das Leben und die Wirklichkeit vorbereiten. Da gilt nun einmal das Leistungsprinzip. Eine Überforderung der Schulen durch Migration oder falsche Elternbeiträge seien da nicht hilfreich. Auch bei den Bundesjugendspielen sollen Stoppuhr und Maßband wieder Einzug halten. Es können nun einmal nicht alle Kinder gleichzeitig Sieger sein“, ist sich der streitlustige Schwabe sicher und erntet mit seinen Aussagen reichlich Applaus aus dem Auditorium.
Auch die „feministische“ Außenpolitik der letzten Jahre bekommt ihr Fett weg. „Es kommt nun einmal nicht gut an, wenn Deutschland in Gegenden wie der Golfregion erzieherisch mit erhobenen Zeigefinger als Moralapostel auftritt. Nicht nur diese Länder erwarten eine Partnerschaft auf Augenhöhe und keine neokolonialistische Besserwisserei“, übt Oettinger deutliche Kritik. „Im Wettlauf mit China und den politisch (eventuell) schwächenden USA könne Europa zu einem sichern Hafen werden. Diese Chance ist da. Dafür muss Europa aber in Zukunft souveräner handeln, weiter Vertrauen aufbauen, Kontinuität zeigen und Stabilität unter Beweis stellen. Eine enge politische Achse zwischen Rom, Paris, London, Warschau und Berlin könnte hier Führungsstärke beweisen“, ist sich der CDU-Mann sicher.
Zuvor unterstrichen OB Alexander Hetjes, Fraktions-Chef Dr. Clemens Wolf und CDU-Vorsitzender Thorsten Bartsch die gelungene Arbeit auf lokaler Ebene, zu der unter anderen die Verbesserung der Sport-Infrastruktur für die Vereine oder das Voranschreiten von Großprojekten wie dem Kurhaus gehören.