Wenn es dunkel wird, beginnt die Kröten-Rush-Hour

Krötenrettung in Dornholzhausen mit (v. l.): Barbara Gördes, Heike Bergmeier, Amelia Schmidt und Silke Klewer. Foto: fch

Bad Homburg (fch). „Hier geht es um Leben und Tod“, sagt Heike Bergmeier. Die Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) Bad Homburg ist zurzeit jeden Abend in den Straßen rund um den Forellenteich in Dornholzhausen unterwegs. Gemeinsam mit Annette Both, Kristine Schmidt, Anne und Eva Seidel organisiert sie wieder die mehrwöchige Krötenrettungsaktion. Zusammen mit zwölf ehrenamtlichen Helfern und einigen Kindern ist Heike Bergmeier täglich zwei Stunden und mehr in Sachen Amphibienrettung in der Kurstadt im Einsatz. So werden Kröten vor dem Überfahren gerettet. Nachdem die Amphibien den Winter meist in frostfreien Verstecken verbracht haben, zieht es sie im Frühjahr zum Wasser. Sie gehen auf Wanderschaft, um sich fortzupflanzen.

Alle haben nur ein Ziel: Das Laichgewässer, dem sie einst selbst entstiegen sind. Dort treffen sie ihre Artgenossen und pflanzen sich fort. Zu guten Wanderbedingungen für die Amphibien gehören Dunkelheit, Regen, Temperaturen ab fünf Grad Celsius sowie wenig Wind. „Jedes Jahr ist es anders. Normalerweise beginnen die Kröten hier in diesem Bereich mit ihrer Wanderung Anfang März, und der Höhepunkt ist Mitte März erreicht. In diesem Jahr ist es erst Mitte März losgegangen. Wir werden erstmals über Ostern zur Rettung der Amphibien hier sein“, informiert die BUND-Vorsitzende.

In dem sich dahinschleppenden Frühlingsbeginn ist der große Startschuss mit Idealbedingungen für Kröten und Frösche bisher ausgeblieben. Die Tageslänge und die Hormone signalisieren den Tieren aber, dass nun Fortpflanzung angesagt ist. Und so laufen sie nachts los, sobald die Bedingungen besser werden. Nimmt der „Laichdruck“ zu, kommt es vor, dass Amphibien bei weiterhin kalten Nächten mit der Wanderung zunehmend in die Tagesstunden ausweichen. Der starke Temperaturanstieg in den vergangenen Tagen macht den Amphibien Beine. Von Tag zu Tag setzen sich immer mehr Tiere in Bewegung. „Am Freitag waren es 100 Tiere, am Samstag und Sonntag weniger.“

2017 bei der ersten Dornholzhäuser Krötenrettung wurden 6000 Tiere gefangen und sicher in Eimern über die Straße getragen. Im vergangenen Jahr wurden 2500 Tiere vor dem Überfahren gerettet. „Experten schätzen die Population in diesem Gebiet auf 10 000 Tiere.“ Dominiert wird die Krötenwanderung in Dornholzhausen von der Erdkröte. Sie legt auf ihrem Weg zum Forellenteich meist weite Strecken von mehreren hundert Metern und in Einzelfällen sogar bis zu drei Kilometern zurück. Viele Tiere leben an den Ufern des Heuchelbachs, aber auch im Wald. Auf ihrem Weg zur Fortpflanzung im Forellenteich durchqueren sie Gärten, Höfe und Straßen. „Viele der hier wandernden Erdkröten werden als Kaulquappen oder Jungkröten vom Teichüberlauf in den Heuchelbach gespült. Und wachsen dann in Ufernähe auf“, informiert Bergmeier. Gefahren drohen durch für sie unüberwindbare Barrieren wie hohe Bordsteinkanten, Gebäude oder enge Zäune. Auf ihren Umwegen landen viele Kröten in Gullys oder anderen ausweglosen Sackgassen.

Vor allem das Überqueren von Straßen und Wegen bezahlen die Amphibien oft mit ihrem Leben. Zwar machen Hinweisschilder auf die Wanderungen aufmerksam, doch oft sind die Tiere für Auto-, Bus- oder Motorradfahrer nicht rechtzeitig zu erkennen. „Die Kröten sind die ganze Nacht ab Einbruch der Dämmerung unterwegs. Wenn es dunkel wird, beginnt die Kröten-Rush-Hour rund um den Wald-, Tannenwald- und Güldensöllerweg samt Nebenstraßen und Wegen.“ Die Teams haben festgelegte Sammelabschnitte. Hier gehen sie auf und ab, leuchten mit Taschenlampen in Gräben, Gärten, Grundstückseinfahrten oder den Waldrand, um wandernde Kröten zu entdecken. Heike Bergmeier und ihre Helfer hören die Tiere meist im Gras rascheln, bevor sie die perfekt an ihre Umgebung angepassten Kröten sehen.

Die Oberseite der Erdkröte ist bräunlich-grün gefärbt und mit einer Vielzahl von Warzen besetzt. Außer Taschenlampen und Warnwesten gehören zwei Eimer zur Grundausstattung der Retter. „In einen Eimer kommen nur die kleinen Männchen, in den anderen Eimer die größeren bauchigen Weibchen oder bereits verkuppelte Krötenpaare, bei denen sich das Männchen huckepack auf dem Rücken des Weibchens zum Gewässer tragen lässt“, sagt Bergmeier. „Die Männchen sind im Fortpflanzungsmodus. Sie krallen sich überall selbst an Fingern fest. Gestern saßen vier Männchen auf einem Weibchen, was für dieses tödlich enden kann“, berichtet Valeria Confucio. Die Oberurselerin ist mit ihrem Mann zum dritten Mal bei der Amphibienrettung im Einsatz. „Ich entspanne mich beim Krötenretten total“, sagt der Oberurseler. Die Eimer werden höchstens zu einem Drittel mit Kröten gefüllt. Kaum werden die Tiere auf der anderen Straßenseite wieder in Freiheit entlassen, setzten sie ihre Wanderung fort. Im Forellenteich geben die Weibchen nach der Paarung Laichschnüre mit 3000 bis 6000 Eiern ab. Corona-bedingt tragen die Helfer eine Maske, halten Abstand zueinander, haben sich angemeldet und an einem Briefing teilgenommen. Heike Bergmeier erstellt für jeden Tag einen Helferplan und hat eine Genehmigung der Aktion durch das Gesundheitsamt erhalten.

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