Wenn das eigene Haus zu einer Festung wird

Der Krieg ist allgegenwärtig, beim Arbeiten an der Staffelei und auch in den Kunstwerken von Iryna Vale. Foto: fch

Bad Homburg (fch). „My house is my fortress“ lautet der Titel der Ausstellung mit Zeichnungen und Bildern der ukrainischen Künstlerin Iryna Vale zum Krieg in ihrer Heimat. Noch bis Freitag, 15. Juli, sind ihre Werke in der Volkshochschule (VHS) Bad Homburg, Elisabethenstraße 4-8, zu sehen.

Zur Eröffnung der Ausstellung begrüßte VHS-Leiter Volker Mohn die Künstlerin in einer Videozuschaltung. Moderiert und übersetzt wurde das Gespräch von der ebenfalls zugeschalteten Düsseldorfer Übersetzerin Janna Keberlein. Die Künstlerin, die in Kiew lebt, weilte während des Gesprächs im Urlaub in Georgien. Sie berichtete, wie sie den russischen Angriff rund 30 Kilometer außerhalb von Kiew in ihrem Elternhaus in einer Gartensiedlung erlebte. Sie schlief im zweiten Stock, als der Angriff am 24. Februar um 5.20 Uhr begann. Sie wurde durch die Explosionen geweckt, verständigte ihre im Erdgeschoss schlafenden Eltern. Nachdem sie sich im Internet informiert und mit Freunden ausgetauscht hatte, packte die Familie Notfallrucksäcke. Doch ihre Eltern, die kein Auto haben, weigerten sich, ihr Haus und die Stadt zu verlassen – wegen der Tiere der Familie.

Die Explosionen nahmen vor allem nachts stark zu, da es in der Nähe große Öltanks gibt, die von den russischen Angreifern bombardiert wurden. Sie schilderte, dass sie vor dem Angriff als freie Illustratorin für Firmen und Verlage gearbeitet hatte. Sie habe sich auf Zeichnungen und Collagen spezialisiert, unter anderem Kinderbücher illustriert, kreative Kalender gestaltetet und eine Kolumne zu Illustrationen geschrieben. In ihrem künstlerischen Umfeld, das sie als unpolitisch beschrieb, hätten viele einen russischen Angriff für unmöglich gehalten. Sie schilderte anschaulich, wie der Alltag durch Hamsterkäufe, gesperrte Konten und andere Maßnahmen belastet wurde.

Rund zwölf Tage nach Kriegsbeginn habe sie begonnen, ihre Ängste und Empfindungen, aber auch politische Bilder über den Krieg zu zeichnen. Die Illustrationen der Bilderserie „My house is my fortress“ umfasste ursprünglich neun Bilder. Sie hat sie inzwischen durch weitere Werke und Serien vergrößert, um so den Krieg besser verstehen und verarbeiten zu können. Die in Bad Homburg gezeigten Bilder spiegeln die Gefühle der Künstlerin wider, wenn sie nahe Einschläge russischer Raketen hörte und das Haus erzitterte. In den Bildern erzählt sie, wie Fenster verdunkelt und kreuzweise mit Tesafilm verklebt werden, damit die Bewohner vor Glasscherben geschützt werden. Sie erzählen vom Geräusch der Waschmaschine, das an nahende Raketen erinnert, an Ängste und Zweifel, ob es richtig sei, in der Stadt zu bleiben. Iryna Vale thematisiert aber auch den großen Wunsch, nach dem Krieg wieder alles aufzubauen.

Ein Bild mit Blumen in einer Flasche hat sie zum internationalen Frauentag am 8. März gezeichnet. Der Text dazu lautet: „Vielen Dank für die Blumen, aber die Flasche wird noch – zum Bau von Molotow-Cocktails – gebraucht.“ Neben einer in einem Käfig eingesperrten Friedenstaube gibt es auch ein Bild mit Herz, Glückskette und dem Präsidenten. Ihre Bilderserie und weitere Werke wurden bisher mehrfach in verschiedenen Ausstellungen im Ausland beispielsweise in Prag, Posen und Hanoi gezeigt. Unter anderem waren sie im ukrainischen Pavillon der diesjährigen Biennale in Venedig zu sehen.

Nach Deutschland – erst nach Bayern und jetzt nach Hessen – geholt hat die Ausstellung die Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie hätte Interesse an einer virtuellen Ausstellung mit Werken ukrainischer Künstler, die sich mit dem Krieg auseinandersetzen, bekundet. Ihre beiden vor Kriegsbeginn angelegten Instagram-Profile seien inzwischen eine Art Tagebuch. Ihre Entscheidung, in Kiew zu bleiben, beurteilt sie heute als richtig. Nur so habe sie die Entwicklung mitbekommen, erlebt, wie das Leben in die zerstörten Städte teils zurückkehre, die Bankautomaten wieder funktionierten und Waren in den Ladenregalen zu finden sind. Inzwischen habe sie auch wieder Aufträge erhalten. Iryna Vale malt derzeit mit der Hand. Sie zeichnet keine Kriegsmotive mehr, sondern hält ihre Reiseeindrücke fest.

!Kopien der gezeigten Bilder im DINA3-Format können während der gesamten Ausstellungsdauer zu den Öffnungszeiten der Volkshochschule zum Preis von je zehn Euro erworben werden. Die gesamten Einnahmen spendet die Volkshochschule an die ukrainische Hilfsorganisation Vostok-SOS, die im Kriegsgebiet humanitäre Hilfe leistet (https://vostok-sos.org/en/) – in Kooperation mit dem „WIR Vielfaltszentrum“ und Büro für interkulturelle Angelegenheiten der Stadt. Weitere Informationen gibt es bei der VHS Bad Homburg, Elisabethenstraße 4-8.

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