Ein Energiebündel mit großem Spektrum

Abwechslungsreich und interessant ist der Abend mit Lucy Woodward im Kulturspeicher des Bahnhofs. Foto: agl

Bad Homburg (agl). Ihr schönster Song kommt gleich nach der Pause. Lucy Woodward hat ihn komponiert, als sie mit Rod Stewart als Background-Sängerin unterwegs war. Nach einem dieser vielen Konzerte saß sie allein in ihrem Hotelzimmer in Melbourne und schrieb sich an einem Abend ihre Gefühle von der Seele. Dabei heraus kam ein leicht melancholischer Song, der berührt und nach mehr verlangt.

Der Konzertbeginn war zunächst mitreißend und von eindringlichen Improvisationen geprägt. Nach der Pause kommen dann die zarten Töne zum Zug. Lucy Woodwards Spektrum ist groß, und das macht diesen Abend abwechslungsreich und interessant. Sie ist ein Energiebündel, und ihr Spaß am Performen wird in jeder Minute deutlich. Lucy Woodward wurde in einer Musikerfamilie groß, die allerdings nur klassische Musik gelten ließ. Jazz war da nicht gern gehört. Erst der Jazz aber ermöglichte ihr, eine Distanz zu ihren Eltern herzustellen. Wobei man ihr auch, wenn sie mit ihrer Quirligkeit über die Bühne fegt, glauben würde, dass in ihr einmal ein Britney-Spears-Fan steckte.

Ihre Stimme kann schmeicheln und im nächsten Moment die tiefen Töne hervorholen. Dass sie viel Bühnenerfahrung hat, merkt man ihr sofort an. Sie tanzt und bewegt sich souverän. Sehr natürlich kommt sie rüber, wenn sie ihre Stücke anmoderiert. Dann erzählt sie von sich und ihrem Leben und entschuldigt sich für ihre fehlenden Deutschkenntnisse. Ihre selbstkomponierten Stücke reichen über poppigen Jazz bis hin zu Jazzrock. Wobei der Keyboarder bei manchen seiner Improvisationen den Spirit von Keith Jarrett anklingen ließ. Der Bassist hantierte mit einem sechsaitigen Bass, was in der Musikwelt eher ungewöhnlich ist. Es ermöglicht ihm mehr Varianz in seinem Spiel.

Jeder der begabten Musiker kam an diesem Abend zum Zug. Jeder hatte seinen Solopart. Dann trat Lucy Woodward in den Hintergrund und überließ die Bühne sympathischerweise ihren Jungs. Das Publikum konnte sich gar nicht satt genug hören und forderte Zugabe um Zugabe. Sehr zur Freude der Band. Der Drummer überzeugte durch guten Backgroundgesang und außergewöhnliche Klangfarben seines Schlagzeugs. Seine Solo-Zugabe war eher verhalten.

Das letzte Stück dieses Zugabemarathons war eine Jazzadaption des Popklassikers „Faith“ von George Michael, der zu einem einzigartigen Moment wurde. Die Losgelöstheit und Improvisationsfähigkeit der Band zeigte sich in diesem letzten Stück, als der Keyboarder einige Takte des weiteren George Michael Klassikers „Las Christmas“ einstreute und sowohl die Band als auch das Publikum in verjazzter Weise darauf eingingen.

Dieser spontane Einfall amüsierte selbst die überraschte Band sichtbar, und es war deutlich, dass hier nichts einstudiert war, aber trotzdem perfekt dargeboten wurde. Bitte mehr davon.



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