Erntedankgottesdienst: „Der Dienst am Anderen ist gefragt“

Bad Homburg (a.ber). Mit der Dankbarkeit sei es wie mit der fünften Tasse Kaffee am Morgen: Sie stehe in der Gefahr zu erkalten. Mit diesem Vergleich begrüßte Pfarrer Andreas Hannemann von der evangelischen Erlöserkirchengemeinde die Gottesdienstbesucher zum ökumenischen Erntedankgottesdienst unter freiem Himmel. Ein Gottesdienst zu Erntedank helfe, die Dankbarkeit zu erwärmen, sagte Hannemann. Gemeinsam mit der katholischen Kirchengemeinde St. Marien, vertreten durch Pfarrer Werner Meuer, und der Aktionsgemeinschaft Bad Homburg hatte die Erlöserkirche auf den tiefergelegenen Platz zwischen Sparkasse und Ladengalerie vor dem Kurhaus Bad Homburg eingeladen. Mit Blick auf das Kreuz und einen reich geschmückten Altar feierten mehr als 200 Menschen den ökumenischen Gottesdienst zum Thema „Danken und Teilen“ inmitten des Erntedankmarkts mit.

Mit einem englischen Lobpreislied leitete der Gospelchor „praiSing“ unter Leitung von Heidrun Steiner die gottesdienstliche Feierstunde ein. „Lobe den Herrn, meine Seele! … Du lässt Gras wachsen für das Vieh, auch Pflanzen für den Menschen, die er anbaut“, heißt es im Lob-Psalm 104, den Pfarrer Werner Meuer mit der Gemeinde im Wechsel betete. „Fürchte dich nicht, liebes Land, sondern sei fröhlich und getrost, denn der Herr kann auch Gewaltiges tun“, las Bürgermeister Oliver Jedynak aus dem Joel-Buch der Heiligen Schrift. In seiner Predigt legte Pfarrer Meuer den Fokus auf „gelebte Solidarität, das Für- und Miteinander einer Stadtgemeinschaft, das sich an Herausforderungen entwickelt.“

Erntedank 2021 – auch nach anderthalb Jahren der Pandemie „begleiten uns noch Hinderungen“, so Meuer. Der Erntedankgottesdienst sei ein Innehalten, sich zu vergewissern, dass wir viel geschenkt bekämen. Die Sorge für ein gutes Miteinander sei uns deshalb aufgetragen. „Der Dienst am Anderen ist gefragt, viele machen mit, wir sind eine offene, freie und sozial engagierte Stadt“, sagte der Pfarrer und lobte das traditionell gute Miteinander von Politikern, Wirtschaft und Kirchen in Bad Homburg. „Wir schauen nicht nach Religion, Farbe der Partei oder der Kultur, sondern freuen uns an den Farben aller, die hier sind.“ Die Christen hätten „viel im Rucksack“: Achtung voreinander, Bewahrung dessen, was uns Menschen in die Hände gelegt werde. Pfarrer Meuer brachte Dank und Solidarität für Landwirte zum Ausdruck und ging auf Wachsen, Reifen und Ernten ein: „Wir sollten uns bewusst machen, dass wir uns einem Gott verdanken, der begleitet und nicht drängelt, der uns Intellekt und Herz gegeben hat, alles zu entwickeln. Der Schöpfer lässt auch uns Menschen wachsen mit allen Macken und Kanten“, sagte der Theologe.

Mit musikalischem Schwung trugen die Sänger des Gospelchors „praiSing“ der Erlöserkirche zur feierlich-fröhlichen Stimmung bei. Mit den vielen Gottesdienstteilnehmern, auch denen, die nicht auf den aufgestellten Stühlen Platz gefunden hatten oder wegen der von der Stadt angeordneten 3-G-Regel nur außerhalb des mit Bändern abgesperrten Platzes stehen konnten und trotzdem auf den Treppenstufen oberhalb mitfeierten, sprachen anwesende Stadtpolitiker und Vertreter der Kirchengemeinden und der Aktionsgemeinschaft die Fürbitten.

„Lasst uns miteinander mutig Schritte gehen und eine offene und freie Stadt sein für alle Menschen“, so Oberbürgermeister Alexander Hetjes in seiner Fürbitte. Für Kinder in armen Verhältnissen, für von Katastrophen Betroffene und für ein gutes Klima des Miteinander in Deutschland erklangen Bitten. Gebetet wurde auch „für Geimpfte und Genesene und alle, die helfen, dass wir die Pandemie überwinden“. Dass die Stadt Bad Homburg für den diesjährigen Erntedank-Gottesdienst im Freien eine 3-G-Regel erlassen hatte „und nicht die Kirche und die Aktionsgemeinschaft diese Auflagen gemacht haben“, hatte eine Vertreterin der Aktionsgemeinschaft Bad Homburg schon zu Beginn des Gottesdienstes betont und allen gedankt, die trotzdem von außerhalb des Platzes mitfeierten. Dennoch sollten sich die beteiligten Kirchen aus christlich-inhaltlicher Sicht fragen, warum in eine Fürbitte mit Bezug auf die Pandemiesituation nicht auch jene einbezogen werden, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht zu den von Covid Genesenen und den Geimpften gehören. Und der Stadt, verantwortlich für die Covid-Auflagen für den ökumenischen Gottesdienst im Freien, hätte nach anderthalb Jahren Erfahrung mit der Pandemie gemeinsam mit den Veranstaltern vielleicht auch ein eher geeigneter, größerer Ort im Innenstadtbereich einfallen können als der begrenzte im Souterrain des Kurhausvorplatzes. Drinnen oder draussen, das sollte bei einem Freiluft-Gottesdienst und auch sonst nicht die Alternative sein.



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