„Wer etwas bewegen will, muss Mut beweisen“

Die Teilnehmerin in der einheimischen Kleidung ihres Heimatlands Pakistan stellt Benazir Bhutto (1953-2007) vor, die 1988 zum ersten Mal in der Geschichte eines islamischen Staates als erste Regierungschefin in der islamischen Welt vereidigt wurde. Foto: Ludwig

Bad Homburg (ny). Das war ein fröhliches Fest trotz des ernsten Themas: „Frauen in der Politik? Na klar! Weltweit!“. So hieß es in der Einladung für die Veranstaltung im Rahmen der interkulturellen Woche. Eine bunt gemischte Schar von Zuhörerinnen aus vielen Ländern, sogar mit Kindern, war in die Albin-Göhring-Halle gekommen. Bei der Eröffnung sagte die kommunale Frauenbeauftragte Gabi Pilgrim, dass es bedauerlich sei, dass trotz des Jubiläums „100 Jahre Frauenwahlrecht“ bei der letzten Bundestagswahl der Frauenanteil von 36 auf 31 Prozent gesunken sei. Über ihren Werdegang berichtete Sozialstadträtin Lucia Lewalter-Schoor (SPD). Sie habe zuerst das Haus Mühlberg und danach eine große Einrichtung für psychisch Kranke in Wiesbaden geleitet. In ihrer Jugend sei sie Gründungsmitglied des Kinderschutzbundes gewesen. In einer Sitzung des Sozialausschusses habe sie gemerkt, welche ablehnende Meinung über die notwendige Hilfe für Kinder dort geherrscht habe. Da sei ihr klar geworden, dass sie selbst auf der Seite stehen will, die Entscheidungen fällt.

Die ehrenamtliche Stadträtin Mechthild Weiß-Hennerici (CDU), ehemalige Mathelehrerin an der Humboldtschule und Studienrektorin an der gymnasialen Oberstufe, war zuerst in Oberursel, dann in Bad Homburg Stadtverordnete und auch früher Abgeordnete im Kreistag. Seit drei Jahren gehört sie dem Magistrat an. Nebenbei lernte sie Chinesisch und später wegen der Betreuung von Flüchtlingen auch Arabisch. Ihr politisches Vorbild war die frühere Präsidentin des Bundestages, Rita Süßmuth, die sich für Frauenrechte und Integration eingesetzt habe.

Gabi Pilgrim und Sengül Ötztürk vom Integrationsbüro befragten die Stadträtinnen. Mechthild Weiß-Hennerici erzählte, dass sie in Oberursel von einer älteren Stadtverordneten an die Hand genommen worden sei, „aber man musste sich durchkämpfen, denn alle Posten waren von Männern besetzt“. Für Lucia Lewalter-Schoor waren Rosa Luxemburg, die immer die Freiheit des Andersdenkenden für unerlässlich hielt, und Annemarie Renger, frühere Präsidentin des Bundestags, Vorbilder. Gabi Pilgrim erinnerte daran, dass der frühere Stadtrat Dieter Kraft Mechthild Weiß-Hennerici als das soziale Gewissen der CDU gelobt habe. Inzwischen wurde sie als Integrationslehrerin anerkannt und führt Deutschkurse durch, die ihr viel Spaß machen. Zu ihren Erfahrungen erklärte sie, man dürfe sich nicht unterkriegen lassen, dann finde man Verbündete. Als Beispiel schilderte sie, wie es gelingen kann, einen Antrag auf Veranstaltung eines Weltkindertages durchzubringen. Sengül Ötztürk fragte die Sozialstadträtin, wie berufstätige Frauen mit Kindern politisch aktiv sein können. Die Antwort war eindeutig: nur mit einem verständnisvollen Partner, darum arbeiten wenig Frauen mit kleinen Kindern mit.

Wie sie einmal eine Niederlage erlebte, darüber berichtete freimütig Lucia Lewalter-Schoor. In der Stadtverordnetenversammlung hatte sie als Stadtverordnete falsch abgestimmt. Danach sei es wichtig, sich zu entschuldigen, betonte sie, was sie bei ihrer Parteivorsitzenden und beim Kämmerer getan hatte. Selbst Oberbürgermeister Alexander Hetjes habe sie per SMS getröstet und gesagt, das könne doch mal passieren. Später habe ihre Partei sie für einen freiwerdenden Posten nominiert. Abschließend fragte Gabi Pilgrim, wie ein Aufruf für Frauen lauten müsste, um sie in die Politik zu bringen? Mechthild Weiß-Hennerici schlug vor: „Frauen müssen Mut haben. Sie schaffen es!“ Und Lucia Lewalter-Schoor sagte: „Wer etwas bewegen will, muss den Mut auch beweisen und etwas dafür tun!“

Gabi Pilgrim stellte Teilnehmerinnen vor, die sich in den „Internationalen Frauenzimmern“ der Stadtteile treffen und Politikerinnen aus ihren Heimatländern vorstellen wollten. Die Schicksale der Frauen aus vielen Ländern, die einige bis in die höchsten Staatsämter oder in die parlamentarischen Gremien brachten, waren eindrucksvoll. Es waren Ärztinnen, Lehrerinnen, auch eine Schweißerin, später Gewerkschafterin, eine Ministerin und eine Premierministerin darunter. Sie alle setzten sich für Rechte der Frauen und Bildung für alle ein. Die türkische Politikerin und Islamgelehrte Bahriye Ücok und Benazir Bhutto aus Pakistan bezahlten ihre Aktivität durch Mordanschläge mit dem Leben.

Das internationale Büfett mit leckeren Gerichten und Gebäck aus vielen Ländern lockte die Zuhörerinnen an, und es ergaben sich anregende Gespräche. Für die Bewirtung der Gäste und das organisatorische Drumherum waren Helferinnen aus den „Frauenzimmern“ tätig. Schon erklang flotte Discomusik, die Djane Karin kreierte. Nicht lange, und die große Tanzfläche wurde von jungen und auch älteren Teilnehmerinnen erobert. Ohne Pause tanzten sie bis zum Ende der fröhlichen Veranstaltung um 22 Uhr.



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