Fordern, fördern, motivieren und begeistern

Tristan Meister (2. v. r.), Dozent und Chorleiter, mit seinen musikalischen Schützlingen während einer Probe kurz vor dem Auftritt in der Erlöserkirche. Foto: nl

Hochtaunus (nl). „Seid behutsam. Nehmt euch zurück, aber haltet den Ton.“ Ganz bewusst hat Tristan Meister herausfordernde Gesangstücke alter Meister ausgesucht. Und er fordert damit seinen knapp über 30 Stimmen starken Kammerchor Hochtaunus auch tatsächlich ganz schön heraus. So aus dem Stegreif ist das unmöglich zu bewältigen. Die jungen Sänger, denen er das zutraut, blicken alle auf eine lange Chorzeit und Gesangserfahrung zurück.

Johann Sebastian Bach, Felix Mendelssohn Bartholdy, Henry Purcell – wie Tristan Meister es schafft, ihre Musik einzustudieren und dabei junge, begabte Menschen an die Klassik zu binden, das bleibt ein wunderbares Rätsel. Denn das Ergebnis ist pure Professionalität mit jeder gesungenen Note. Am Ende ist es möglicherweise eine Frage der persönlichen Bindung. So viel zum beiläufig erscheinenden, aber entscheidenden Talent des Menschenfischens, um gemeinsam etwas Großes zu erreichen. Hinzu kommt noch eine weitere wichtige Ingredienz, um als Chorleiter Erfolg zu haben und das Ausnahmetalent eines jeden seiner Chormitglieder zu erfassen und zu fördern: Die einer eigenen Faszination für die Klangperfektion, deren Funke auf seine Chormitglieder überspringt. So steht es zu vermuten. Tristan Meister, der Unaufgeregte, schafft es, dem Kammerchor täglich eine sechsstündige Übungsphase über eine Woche lang mit Leichtigkeit abzuringen. Von diesem enormen Pensum und davon, wie wichtig diese intensive Probenzeit ist, hat er kurz vor seiner ersten Kammerchor-Premiere in der evangelischen Erlöserkirche am ersten Septemberwochenende erzählt.

Zunächst einmal ist es seine eigene Begeisterung für die Barock- und Renaissancemusik, die ansteckend wirkt. Er selbst hat in Limburg in seiner Kindheit und Jugend täglich mit Chormusik zugebracht. Was für andere so selbstverständlich ist wie die aktuellen Charts auf Spotify, ist für ihn das Repertoire der E- Musik. Dabei wirkt er gar nicht weltfremd oder zugeknöpft. Vielleicht wäre das auch ein Klischee. Offen und verbindlich ist sein Umgang. Genau und äußerst präzise sein Anspruch an die Chormitglieder. Tristan Meister geht es dabei beim Einstudieren der Stücke nicht nur ums genaue Kennen des Repertoires. Außer diesem selbstverständlichen Anspruch ist es ihm wichtig, dass jeder seiner Sänger ein Gefühl für die Musik und für die Zeit, in der sie entstanden ist, entwickelt. Wie befreiend sich offenbar dabei auch gemeinsames Singen auf jeden Einzelnen auswirken kann, das erlebt jeder, der einmal einer der äußerst professionell ablaufenden Proben beiwohnen darf.

„Das ist schon eine Challenge“, erklärt Pauline, 24 Jahre, die im Alltagsleben als Sozialarbeiterin tätig ist. Damit meint sie, in wenigen Tagen intensiven Probens komplexe Stücke miteinander bis zur Bühnenreife zu bringen. Was nämlich einfach und klar klingt, wie beispielsweise die Musik von Johann Sebastian Bach, ist von ungeahnter Kompliziertheit. Gerade die scheinbar einfachen Stücke sind das Ergebnis einer peinlichst genau aufeinander abgestimmten Vielstimmigkeit. Schließlich war Bach grundlegend als Vorläufer von Brahms und Mozart ein Vorbild, an dem sich spätere Genies zu orientieren wussten.

Kilian, 20 Jahre und kurz vor seinem Bachelor im Fach Biochemie, bringt die Komplexität der Kammerchor Hochtaunus-Leistung sehr genau auf den Punkt: „Hier darf und kann sich keiner von uns auf seinen Nachbarn oder seine Nachbarin verlassen. So nach dem Motto, was der oder die singt, das singe ich jetzt mit. Musikalische Harmonie entsteht, wenn jeder den anderen mithört, aber dennoch für sich allein singt.“ Sonst wird aus Klarheit plötzlich ein Einheitsbrei. Nicht mehr schön übersichtlich angerichtete Sterneküche, sondern ein Eintopf aus Beliebigkeit. Die ersten Zuhörer durften sich am Sonntag in der Erlöserkirche beim Premierenkonzert vom besonderen Können des Kammerchors überzeugen.



X