„Die Freiheit, die Fesseln trägt“

Bad Homburg (hw). Am Palmsonntag, 5. April, und am Karfreitag, 10. April, wird jeweils um 17 Uhr in der Erlöserkirche Johann Sebastian Bachs Johannespassion aufgeführt. Bei dem Werk handelt es sich ohne Zweifel um eine der bedeutendsten und bekanntesten Kompositionen der Musikgeschichte. Schon der monumentale Eingangschor führt mit seiner Verbindung von Prachtentfaltung und Ernsthaftigkeit in eine Atmosphäre der Andacht, der sich kaum ein Zuhörer entziehen kann. Der berühmte Schlusschoral „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ schließlich gehört zu den ergreifendsten Momenten geistlicher Musik.

Bachs Johannespassion gehört zum Standard-Repertoire des Bachchors der Erlöserkirche. In diesem Jahr wird das Werk aber aus einem neuen Blickwinkel beleuchtet: Unter dem beziehungsreichen Titel „Die Freiheit, die Fesseln trägt“ werden zwischen die einzelnen Teile des Werks Texte aus den Akten des Prozesses eingefügt, den der NS-Volksgerichtshof in Berlin, geleitet von Roland Freisler, am 10. Januar 1945 gegen den Protestanten Helmuth James Graf von Moltke und den Katholiken Pater Alfred Delp SJ führte. Beide Widerstandskämpfer wurden wegen ihrer konsequenten, unbeugsamen christlichen Haltung hingerichtet. Moltke und Delp dachten darüber nach, wie ein sich auf sittliche und demokratische Grundsätze zurückbesinnendes Deutschland in einer Zeit nach Hitler entstehen könnte – dies rechtfertigte in den Augen Freislers ein Todesurteil.

75 Jahre nach dem Tod der beiden Märtyrer verknüpft die szenische Aufführung der Johannespassion, die der Schauspieler Till Krabbe konzipiert hat, den Prozess Jesu vor Pilatus mit dem Prozess gegen jene aufrechten Männer im unmenschlichen Naziregime. Pater Klaus Mertes SJ, der das Konzept theologisch begleitet hat, schreibt dazu: „Die Gewöhnung an Bachs großartige Komposition kann dazu führen, die Passion lediglich als kulturelle Preziose zu rezipieren. Die Erschütterung, die das Werk auslösen soll, kann nur wiederholt werden, wenn es nicht bloß wiederholt wird.“

Ein Einführungsvortrag durch Pater Klaus Mertes SJ (in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule) findet am 4. April um 19.30 Uhr in der Unterkirche der Erlöserkirche statt – der Eintritt ist frei. Zu den Konzerten gibt es Eintrittskarten zum Preis zwischen 35 und zehn Euro an der Abendkasse, im Online-Vorverkauf unter www.erloeserkirche-badhomburg.de sowie bei Tourist Info + Service im Kurhaus, Telefon 06172-1783710.

Der Bachchor, dem gegenwärtig etwa 125 Sänger angehören, besteht seit 1908. Besonders am Herzen liegt dem Chor die kontinuierliche Pflege des Chorwerks von Bach, das nahezu vollständig aufgeführt wurde. Daneben stehen aber weithin beachtete und anerkannte Aufführungen von großen Chorwerken anderer Meister bis hin zu bedeutenden Stücken des 20. und 21. Jahrhunderts.

Bei den beiden Aufführungen der Johannespassion wird der Bachchor der Erlöserkirche begleitet von einem Orchester auf historischen Instrumenten. Die Vokalsolisten sind Anna Nesyba (Sopran), Ulrike Malotta (Alt), Johannes Gaubitz (Tenor), Bertold Possemeyer (Bass) und Markus Flaig (Bass). Als Schauspieler treten Till Krabbe und Andreas Mach auf. Die Leitung liegt in den Händen von Kantorin Susanne Rohn.



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