„Wir geben Eigenverantwortung an der Garderobe ab“

Für die Eigenverantwortung des Bürgers und der Wirtschaft und gegen eine Verstaatlichung auf allen Gebieten plädiert der frühere Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Roland Tichy, bei seinem Vortrag. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). „Wir müssen die Stärken unseres Landes betonen und dürfen Deutschland nicht schlechtreden“: Mit diesem Plädoyer konfrontierte Roland Tichy seine Zuhörer, die auf Einladung des Rotary-Clubs Bad Homburg-Kurpark und des Amtes für Bildung der Stadt in die Englische Kirche gekommen waren.

Der Journalist und Publizist entwickelte in seinem Vortrag Gedanken des Gründers der liberalen Marktwirtschaft, Ludwig Erhard, und wandte sich ebenso wie dieser dagegen, dass der Staat in Unternehmen eingreifen solle. So oft seien diese Eingriffe schief gegangen, betonte Roland Tichy und verwies auf „Eigenverantwortung und Freiheit“ der Wirtschaft. „Doch wir geben die Eigenverantwortung heute an der Garderobe ab“, sagte Tichy. Dabei sei Wettbewerb doch wichtig.

Der liberalkonservative Journalist nannte den sich immer weiter ausbreitenden Wohlfahrtsstaat unsozial. „Der Staat hat doch gar nichts erwirtschaftet, das sind alles Leistungen, die die Bürger selbst gegeben haben“, meinte er. Heute sei nicht nur die Beschäftigungsquote so hoch wie nie, sondern auch die Sozialleistungsquote sei auf einem Rekordniveau. „Es werden immer neue Sozialleistungen erfunden“, kritisierte Tichy die Berufspolitiker. Doch Sozialwohltaten und Verstaatlichung „schaffen nicht einen Quadratmeter Wohnraum mehr“. Viele Menschen in Deutschland glaubten mittlerweile nicht mehr an die Marktwirtschaft: Die anstehende Fusion zweier Großbanken und die verstaatlichte Energiewirtschaft seien Beispiele hierfür.

„Ist die Welt wirklich so kaputt?“, fragte Roland Tichy, der seit 2014 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung ist, das Publikum. Er verwies auf die zurückgegangene Säuglingssterblichkeit und Armut, die besseren Luftwerte heute und kritisierte die Demonstrationen „Friday for Future“: „Wir können natürlich immer noch mehr tun für das Wohl des Planeten, aber hier wird eine Weltuntergangsstimmung verbreitet, die ich nicht teile.“

Wohlstand für alle

Er plädierte dafür, den Bürgern „oben wie unten mehr zu lassen von dem, was sie sich verdient haben“, und sie in die Eigenverantwortung zu rufen. Stattdessen stecke hinter vielen Ideen des Sozialstaats die Idee, „dass der Staat dem Einzelnen alles abnimmt“. Der Journalist schlug vor zu überlegen, wie man Wohlstand für alle erlangen könnte; Abgaben und Einnahmen des Staates müssten durch eine liberale Wirtschaft neu justiert werden. Die anschließende Diskussion über die provozierenden Thesen des Redners mussten zum Bedauern der Zuhörer in der Englischen Kirche entfallen, da Roland Tichy zu einem Fernsehauftritt gerufen worden war.



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