Wo sich Gedanken und Erinnerungen verwirren können

Freuen sich, dass die Textrauminstallation mit dem Titel „O.T./Ariadnefaden“ nun in der Schlosskirche zu sehen ist (v. l.): Oberbürgermeister Alexander Hetjes, Julia Cloot, Künstlerin Corinna Krebber und Kirsten Worms. Foto: Stadt Bad Homburg

Bad Homburg (ks). Erinnerungen begleiten den Menschen ein Leben lang; schön die einen, hartnäckig, peinlich und schwer zu vertreiben andere. Manche fliegen nur vorbei, als Fetzen und Bruchstücke, die sich nicht immer zusammenfügen lassen. Auch Friedrich Hölderlin, dessen 250. Geburtstag in Bad Homburg noch über das Jahr hinweg gefeiert wird, hat das Thema beschäftigt. Der Freund und Kenner der antiken Welt, ihrer Götter, Helden und Mythen hat sich in seinem Gedicht „Mnemosyne“ direkt an die Göttin der Erinnerung gewandt und festgehalten, dass auch sie, die Hehre, Verlust und Tod Nahestehender hinnehmen und ertragen musste.

Der nicht leicht zugängliche Text hat die Künstlerin Corinna Krebber zu einer „Textrauminstallation“ inspiriert, die sie „o.T./Ariadnefaden“ nennt. Als verschlungenes lichtes und filigranes Gebilde schwebt sie unerreichbar über dem Chorraum der Schlosskirche und besteht aus 300 „zarten Schriftbahnen“ des Hölderlin-Gedichts, die durch den „Ariadnefaden“ zusammengehalten werden: beweglich aber formlos, ohne feste Struktur. Anders als das mythologische Vorbild ist es kein „Leitfaden“, den die Königstochter Ariadne einst Theseus mit auf den Weg durch das Labyrinth gab, wo der gefährliche Minotaurus hauste. Theseus konnte dass Untier töten und mit Hilfe des Fadens den Weg zurück finden. Bei Corinna Krebber steht der Ariadnefaden eher für das Labyrinth selbst, in dem sich Gedanken und Erinnerungen verwirren können, chaotisch und ohne Ordnung, aber dennoch luftig und leicht. Sie setzt in ihrer Kunst immer wieder auf die Verbindung von Wort und Text, bemüht, ihnen „Gestalt“ zu geben, dem „Sinn“ in der dritten Dimension des Raumes näher zu kommen. Ein komplexer Vorgang, von dem die Künstlerin behauptet, dass das Ausschneiden von Texten aus Papierbahnen „sehr viel mit einem Schreiben solcher Texte zu tun habe“. Der Prozess des intensiven, langsamen Schneidens stelle sogar eine wesentlich intensivere „fast meditative“ Beschäftigung mit dem Textinhalt dar. Letzterer Aussage kann man zustimmen, aber ob es mit dem Schreiben eines solchen Textes etwas zu tun hat, sei dahingestellt. Dazu muss man schon ein begnadeter Dichter sein. Hölderlin hatte es sich damit nicht leicht gemacht, denn es gibt mehrere Entwürfe für das Gedicht. Auch Corinna Krebber beschäftigt sich schon länger mit dem „Mnemosyne-Zyklus“ und hat diese Installation 2013 schon einmal in der Frankfurter Allerheiligenkirche gezeigt. Bei der Eröffnung der Ausstellung verwies Oberbürgermeister Alexander Hetjes auf die Bedeutung der Literatur, die sich auch in den Jubiläumsveranstaltungen für Friedrich Hölderlin widerspiegele. In diesem Fall sind daran auch der Kulturfonds Frankfurt-Rhein-Main und die Verwaltung der Hessischen Schlösser und Gärten als „Hausherr“ der Kirche beteiligt. Sie wurde von Direktorin Kirsten Worms vertreten. Flötistin Betty Nieswandt fügte sich mit einem Werk von Bach und einem moderneren Sound ein, die„sphärenhaft“ von der Empore aus den Raum erfüllten.

!Die Ausstellung in der Schlosskirche ist donnerstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Maximal 15 Personen mit Maske können sie gleichzeitig besuchen. Infos zum Hölderlin-Jubiläum gibt es im Internet unter www.bad-homburg.de/hoelderlin.



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