Ein großes musikalisches Gemälde

Leid und schmerzliche Gefühle, hoffnungsvolle Freude und Dankbarkeit: Die Besucher des Gottesdienstes zum Auftakt des Orgelfestivals Fugato lauschen der vom „Collegium Vocale“ und Solisten musizierten Friedensmesse „The Armed Man“ von Karl Jenkins und stimmen gemeinsam mit Pfarrer Werner Meuer in Lieder und Gebete um Frieden ein. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). „Du kennst die Kreuze unserer Tage.“ Ein aufrüttelnder Moment war der Musikgottesdienst zum Festivalbeginn des Orgelfestivals Fugato in der katholischen Kirche St. Marien. In der Friedensmesse „The Armed Man – A Mass For Peace“ des berühmten walisischen Komponisten und Jazzmusikers Karl Jenkins für gemischten Chor und Orchester erklangen die Schrecken und Leiden des Kriegs und die Hoffnung, dass „Gott alle Tränen abwischt“. Die einzelnen Stücke der ausdrucksstarken Musik waren eingebettet in die Gottesdienst- und Abendmahlsliturgie mit Gemeindeliedern und Gebeten, begleitet an der großen Klais-Orgel von Organist und Bezirkskantor Bernhard Schmitz-Bernard.

„Die Friedensmesse ist ein großer Aufruf, für Frieden und Versöhnung der Menschen und Völker zu wirken – die Bitte an Gott, er möchte unsere Sehnsüchte erhören: dass Diktatoren umkehren, dass wir Christen die Botschaft des Friedens in Wort und Tat in die Welt tragen, Despoten beim Namen nennen und uns den Mund verbrennen für die Rechte und die Freiheit aller Menschen auf der Welt“, sagte Pfarrer Werner Meuer. Seine Predigt reflektierte auch Leid und Kreuz des Alltags der Menschen, „Kreuze, die nicht sichtbar sind und doch oft noch schmerzhafter als die offenbaren Leiden“, Kreuze im eigenen Leben, durchkreuzte Pläne und Hoffnungen. „Christen sind aber keine schicksalsbehafteten Menschen, sondern solche, die dem vertrauen, der sich auf die Ebene der Menschen stellte, der uns mit der Dornenkrone des Leidens anschaut und solidarisch mit uns ist“, so Pfarrer Meuer. Mit „einem heruntergekommenen Gott“, der mitleidet, könnten wir Zeiten bestehen, in denen Leid herrscht. Und mit offenem Herzen selbst Solidarität üben.

Ein dunkles Cello-Solo, darüber schwebende Flötentöne, eine Solostimme, die das „Kyrie eleison“ singt, in das nach und nach der ganze Chor wie in einen Strom flehenden Bittens einstimmt, untergründig drohende Paukenklänge: Höhen und Tiefen des Menschseins, Bedrohung und Hoffnung des Lebens drückt Karl Jenkins (geboren 1944) schon im ersten Stück seiner Messe „The Armed Man“ aus. Das „Collegium Vocale“ Bad Homburg und Instrumentalsolisten musizierten unter der Leitung von Dr. Helmut Föller, Kirchenmusiker an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt, mit beeindruckend schönen Klängen und großer innerer Sammlung die meditativen Klangbilder, die Jenkins als Auftragsarbeit im Angesicht des Kosovo-Krieges Ende der 1990er-Jahre komponiert und im Jahr 2000 in London uraufgeführt hatte. Die Messe basiert auf dem französischen Soldaten-Volkslied „L’homme armé“ aus dem 15. Jahrhundert und Gesängen der katholischen Messliturgie. Sie bezieht sich auf jüdische, islamische, christliche und hinduistische religiöse Texte sowie auf Gedanken von Schriftstellern über den Krieg, unter anderem solchen des japanischen Autors Toge Sankichi über den Atombombenabwurf auf Hiroshima.

In Kyrie, Gloria, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei der auf Lateinisch gesungenen tridentinischen Messe erklang in der St.-Marien-Kirche ein großes musikalisches Gemälde: von marschierenden Füßen und schrillem Erklingen des französischen Soldatenlieds durch die Piccoloflöte und angriffslustigen Kriegstrompeten über die Schreie Sterbender und die unheimliche Stille auf den Schlachtfeldern bis hin zum Hornsignal „The Last Post“ und den Leiden und Selbstvorwürfen der Überlebenden des Krieges erzählte diese Musik. Die Einfachheit der Ruhe, nach der sich der Mensch sehnt, drückte das „Collegium Vocale“ in einem wunderschönen, innig gesungenen Agnus Dei aus – das „O Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt“ endet bei Jenkins in einem einzigen stillen Satz: Gib uns Frieden.



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