„Jetzt nicht die Hände in den Schoß legen“

Dank für Brot und Leben und die Bitte für einen respektvollen Umgang miteinander in dieser schwierigen Zeit: Christen beider Konfessionen haben sich bei herbstlichen Temperaturen zum ökumenischen Erntedankgottesdienst auf dem Kurhausvorplatz versammelt. Foto: Bergner

Von Astrid Bergner

Bad Homburg. „Die ganze Schöpfung seufzt und ängstigt sich – gerade in dieser Zeit. Und dennoch dankbar sein – denn Danken und Denken gehören zusammen, das heißt: Eine dankbare Lebenshaltung ist auch ein Prozess der Willensentscheidung. Die Entscheidung, nachzudenken über das, wofür wir dankbar sein können, macht frei und bringt Hoffnung.“ Was Pfarrer Andreas Hannemann von der evangelischen Erlöserkirche auf dem zentralen Platz in der Innenstadt beim ökumenischen Erntedankgottesdienst am vergangenen Sonntag sagte, war dazu angetan, Zuversicht zu geben.

Die Aktionsgemeinschaft Bad Homburg, der Verein der Gewerbetreibenden der Kurstadt, hatte zu dem Gottesdienst unter freiem Himmel eingeladen. „Es sind schwierige und merkwürdige Zeiten. Wir haben unseren jährlichen Erntedankmarkt in der Innenstadt absagen müssen. Aber mit dem Gottesdienst wollen wir ein Zeichen setzen, denn eines muss bleiben: die Hoffnung für alle Menschen in unserer Stadt und Solidarität untereinander“, sagte Eberhard Schmidt-Gronenberg, Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft und Mitglied der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Bad Homburg. Liebevoll hatten Mitarbeiter der Aktionsgemeinschaft das Ereignis vorbereitet. Der mit Kürbissen und Blumen geschmückte Altar, ein Apfel mit einem ermunternden Spruch daran auf jedem Platz, Blumen an den um den Platz aufgestellten Gittern, ein alter Traktor, der an diejenigen erinnerte, die für das tägliche Brot der Menschen in der Landwirtschaft arbeiten – und mehr als 70 Menschen hatten sich trotz kalter Temperaturen eingefunden, auch mancher, der gerade in der Innenstadt unterwegs war, blieb stehen und nahm an der Erntedankfeier teil.

Mit Posaunenklängen

Mit dem Lied „Lobet den Herren“ eröffnete der evangelische Posaunenchor den Gottesdienst, mit Wollmützen auf dem Kopf und Handschuhen intonierten die Bläser mit Trompeten, Posaunen und Hörnern altbekannte und neuere Kirchenlieder.

Der katholische Pfarrer Werner Meuer gab in einer einleitenden Ansprache zu bedenken, dass „Gott da ist in unserer Stadt, wo wir respektvoll miteinander umgehen. Wir Christen dürfen jetzt die Hände nicht in den Schoß legen.“ Vor zahlreichen Vertretern der Stadtpolitik und des Kreises sagte Meuer: „Man kann sich bei dem, was man in Bezug auf die Pandemie sagt, zur Zeit durchaus auch mal den Mund verbrennen. Und man kann so oder so entscheiden. Wichtig ist anzuerkennen, dass wir alle das Wohl der Stadt wollen.“

Den Predigttext aus dem 1. Thessalonicherbrief der Bibel, „Seid dankbar in allen Dingen“, legte Pfarrer Hannemann von der Erlöserkirche aus. Der Pfarrer sprach sich dafür aus, eine „Kultur der Dankbarkeit“ zu entwickeln. Dazu gehöre in einem ersten wichtigen Schritt, in staunender Selbstbetrachtung dankbar für das eigene Dasein zu sein. Negative Gefühle und gar Hass in einem selbst seien Ausdruck innerer Unzufriedenheit, „weil der Mensch sich selbst nicht annehmen kann, wie er ist.“ Hannemann zitierte den Dichter Manfred Hausmann: „Dankbarkeit ist staunende Liebe.“ Ein Mensch könne trotz Schicksalsschlägen und Krankheiten den Blick auch auf gute Dinge und Erfahrungen im täglichen Leben richten. Und mit dem Blick auf Christus werde dem Menschen Hoffnung geschenkt. „Wer danken kann, gehört zu den Gesegneten dieser Erde.“ Mit Fürbitten, die Vertreter der Stadt, des Hochtaunuskreises und der Aktionsgemeinschaft hielten, und einem gemeinsamen Vaterunser endete der feierliche Erntedankgottesdienst.

Weitere Artikelbilder



X