Ein Hauch von Wimbledon im Kurpark

Nun steht dem WTA-Turnier nichts mehr im Weg, der Vertrag ist unterzeichnet. Über den gelungenen Deal freuen sich (stehend, v. l.) Oliver Hartlieb, Werner Voigt, Tanja Finken, Meinhard Matern und Dr. Rudolf Pietzke sowie (vorne, v. l.) Ralf Gotta, Oberbürgermeister Alexander Hetjes und Dr. Uwe Eyles.

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg. Zurück auf den Rasen, den Blick in die Zukunft gerichtet. So will die Kurstadt an alte Tennis-Tradition anknüpfen. Vom kommenden Jahr an werden sich zahlreiche Top-Tennisspielerinnen auf der Anlage zwischen Thai-Sala und Spielbank tummeln und bei einem WTA-Turnier auf das Highlight Wimbledon vorbereiten.

Die Euphorie ist groß, sehr groß. Allenthalben wird die Entscheidung der Wimbledon-Organisatoren für ein Vorbereitungsturnier der Tennisdamen in der Kurstadt als der absolut größte Hauptgewinn in der Sport-Lotterie gefeiert. So empathisch und mit Begeisterung Entscheidungen feiernd, erlebt man das Stadtparlament selten. „Ja, wir sind euphorisch, das ist eine einmalige historische Chance“, sagte etwa der CDU-Fraktionsvorsitzende Dr. Oliver Jedynak vor der Abstimmung. „Es ist eine große Chance für Bad Homburg, auf der Landkarte noch bekannter zu werden“, befand Armin Johnert (BLB). „Mutig zu sein“, forderte der neue erste FDP-Sprecher Philipp Herbold die Kollegen im Stadtparlament auf. Tennisspieler Oberbürgermeister Alexander Hetjes (CDU) glänzte mit Sach- und Fachkenntnissen und formulierte ein flammend leidenschaftliches Plädoyer für jedweden Einsatz der „kommunalen Familie“ in dieser Sache. Denn: „Wimbledon ruft nur einmal an.“

Die wichtigen Herren und Damen im All England Lawn Tennis Club Limited (AELTC), die in ihrem Job mit vielen Millionen Euro jonglieren, waren die entscheidenden Wegbereiter für das, was in der Kurstadt jetzt als Coup gefeiert werden kann. Hetjes hat das nicht vergessen. „Wir sind gefunden worden. Das ist ein einmaliges Geschenk für uns.“ Das Ja des Stadtparlaments mit nur zwei Gegenstimmen aus den Reihen der Grünen und ein paar Enthaltungen bei Grünen und BLB war nur der Schlusspunkt, um ein umfangreiches kompliziertes Vertragswerk mit vielen Partnern abzusegnen. „Wir waren Getriebene“, gestand Hetjes, seit dem ominösen Anruf und einem ersten Trip zu Vorgesprächen ins Tennis-Mekka im Londoner Südwesten im Frühsommer sei auf vielen Ebenen in vielen Nachtschichten gearbeitet worden, um das große Los an Land zu ziehen und im Kurpark zu verankern.

Thai-Sala-Areal bleibt frei

Die entscheidenden Vertragspartner der Stadt sind der All England Lawn Tennis Club, der als Lizenznehmer beim Turnier mit der Agentur Perfect Match und dem Management von Deutschlands Spitzenspielerin Angelique Kerber zusammenarbeiten wird. Mit im Tennis-Boot die Kur- und Kongress-GmbH, der Tennis Club Bad Homburg mit seiner Traditionsanlage im Kurpark und die Homburger Turngemeinde (HTG), auf deren Gelände am Niederstedter Weg drei Trainingsplätze eingerichtet werden sollen.

Auch HTG-Präsident Ralph Gotta sieht die Entscheidung für Bad Homburg als „absoluten Gewinn für die Stadt“, die beteiligten Vereine und den Tennissport. Er erwartet einen mächtigen Schub für die Sportart, die in Bad Homburg ohnehin eine Tradition seit 1874 vorweisen kann.

Wimbledon soll für die Anlage sämtlicher Tennisplätze verantwortlich zeichnen. Aktuell wird mit Kosten von etwa 1,4 Millionen Euro für die Errichtung von sechs Spielplätzen mit Rasenuntergrund kalkuliert. Der AELTC soll den größten Anteil übernehmen, an den bisher eingeplanten Restkosten in Höhe von 475 000 Euro wird sich das Land im Rahmen der Sportförderung mit bis zu 300 000 Euro beteiligen. An der Stadt Bad Homburg sollen maximal 250 000 Euro hängenbleiben, abzufedern über die zuletzt stark gestiegenen Gewinne der Spielbank, hieß es im Stadtparlament.

Den Weg frei gemacht für das Spektakel in der Woche vom 20. bis 27. Juni 2020 hatte außer Stadt und Kur, Wimbledon und Veranstaltern in der vergangenen Woche das Landesamt für Denkmalpflege und die untere Wasserschutzbehörde. Demnach sollen die zwei Rasenplätze, die zusätzlich zum Herzstück des Turniers, dem Centre Court mit Tribüne auf dem Gelände des TC Bad Homburg im Kurpark notwendig sind, auf einer Rasenfläche zwischen Kisseleffstraße und Kaiser-Wilhelms-Bad entstehen. Das Areal vor der Thai-Sala soll frei bleiben, der Denkmalschutz hatte Bedenken angemeldet. Für den dauerhaften Rasenplatz auf dem Vereinsgelände wird die Stadt zwei neue Sandplätze anlegen und finanzieren, denn Tradition verpflichtet auch in diesem Fall.

Rund 145 Jahre reicht sie zurück, die Tennis-Tradition im noblen Kurort des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Englische Kurgäste haben den damals jungen Sport mitgebracht auf das Festland, erst wurde in einer Hotelanlage gespielt, wenig später auf provisorisch abgesteckten Feldern auf den Rasenanlagen im Kurpark. Der erste Tennis-Club auf dem Kontinent wurde hier 1876 gegründet.

Über fünf vertraglich abgesicherte Jahre bis 2024 soll der Kurpark nun wieder Schau- und Show-platz der internationalen Tennis-Welt sein. Mit Angelique Kerber als Turnierbotschafterin und Zugpferd, mit dem Vernehmen nach internationalen Top-Spielerinnen aus den ersten Reihen der Rangliste und mit einem „sehr, sehr glücklichen“ Oberbürgermeister an der Seitenlinie. Sein Schlusswort im Stadtparlament: „So macht kommunale Familie Spaß.“

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