Mit Hölderlin und Prinzessin Eliza zurück ins Kulturleben

Bad Homburg (js). Kunst und Kultur sind zurück, das sollte die frohe Botschaft am Pfingstwochenende sein. Endlich ist wieder ein Besuch bei Prinzessin „Eliza“ im Landgrafenschloss möglich. Die Hölderlin-Ausstellung mit Performances im öffentlichen Raum geht mit weiteren Auftritten bis 18. Juli in die Verlängerung, das umfunktionierte Horex-Museum mit Schaudepot des Gotischen Hauses ist wieder geöffnet, auf der Saalburg kehrt alt-römisches Leben neu ein.

Die jungen Menschen im hautfarbenen Unterkleid mit übergestülpten Kostümen aus Plexiglas mit dem Dichter Hölderlin in Verbindung zu bringen, ist nicht ganz einfach für überraschte Spaziergänger am Samstag im landgräflichen Gustavsgarten. Wie Waldgeister aus einer anderen Welt tauchen sie auf, kommen plötzlich und doch ganz langsam zwischen tiefhängenden Ästen von Bäumen im feinsten Mai-Grün hervor. Stumm, in sich versunken, fast in Zeitlupe sich bewegend in einer Sphäre, in der jeder allein unterwegs ist. Beziehungslos, in weitem Abstand, eingezwängt in Korsetts, die mehr sind als ein Kostüm aus Plexiglas. Ziellos, aber wie durch ein geheimes Band verbunden, sind sie in ihrer Zwischenwelt unterwegs.

Irritierend, das soll es auch sein. Menschen beim Picknick im Gras werden plötzlich still. Das freut Nadine Wagner, auch wenn sich andere beschwert hätten, dass sie von den stummen Gestalten keine Antwort auf freundliche Ansprache bekommen hätten. Dezent im Hintergrund beobachtet Nadine Wagner das Spiel. „Die Kostüme sollen was mit den Menschen machen“, sagt die Kunststudentin, die sie kreiert hat. Die Performance im Gustavsgarten und im Kleinen Tannenwald nebenan will die Wahrnehmung Hölderlins aus dem Korsett stereotyper Formen befreien. So wie der Dichter sich externen Repressionen entzogen habe und seinem künstlerischen Freigeist folgte, ehe er die zweite Hälfte seines Lebens in einem Turm in Tübingen verweilte.

Mit Hölderlin und durch ihn leben Kunst und Kultur nach langer Pandemie-Dürre wieder auf. „O! Johann Christian Friedrich Hölderlin“ ist die Erinnerung an den großen Dichter mit Wurzeln in der Kurstadt übertitelt. Am Pfingstmontag war auch die selbsternannte „Zweckgemeinschaft Hölderlin“ im öffentlichen Raum unterwegs. Noch so ein Lebenszeichen. Gar seltsam gekleidete Figuren in Kutten mit großen Kapuzen, die sich aus ihrer Außenseiterposition heraus mit Ideen der Lebensführung, deren Reform und Optimierung beschäftigen. Sagen sie. Weitere Information zu „O!“ gibt es auf der Homepage der Stadt unter www.bad-homburg.de.

Im Englischen Flügel des Schlosses freuen sich Walter Beier am Eingang und Schlossführerin Birgit Kaiser auf jeden Gast. „Die Leute, die kommen, sind glücklich“, hat Birgit Kaiser gespürt. Die Erwartungshaltung sei groß nach der erzwungenen Abstinenz, die lange vorbereitete und erwartete große Ausstellung zum Leben der englischen Prinzessin, die so viele Impulse vor allem in die Gartenkunst im Schlosspark brachte, könnte jetzt endlich ein Höhepunkt werden. Täglich von 10 bis 17 Uhr hat „Eliza“ Besuchszeit, bis Mitte November ist die Ausstellung verlängert.

Kleine Gruppen

Knapp zwei Dutzend Gäste konnte Birgit Kaiser am ersten Tag der neuen Zeit in kleinen Gruppen mit bis zu fünf Personen durch Elizas Welt führen. Die Regeln sind noch streng, Impfnachweis oder aktueller Corona-Test muss vorgelegt werden, in den zum Schutz stets geschlossenen Räumen sind sieben hochwertige Luftreiniger installiert worden. Zum 1. September ist die Wiedereröffnung des sanierten Königsflügels geplant. „Die Räume sind fertig, die Kunstwerke kommen zurück“, berichten die Schloss-Liebhaber.

Ein aktueller negativer Schnelltest galt auch im Horex-Museum am Samstag als Lizenz zum freien Eintritt, ab dieser Woche sind weitere Lockerungen vorgesehen. Zwei Stunden nach der Öffnung um 12 Uhr mittags sind Dirk Mehlhorn und sein Schwiegersohn die ersten Gäste. „Wir freuen uns, dass wieder auf ist“, sagt Motorrad-Fan Mehlhorn. Dass Fahrzeuge der legendären Marke derzeit wegen der Nutzung als Schaudepot nur sparsam ausgestellt sind, wusste er nicht. Für Dirk Mehlhorn und seinen Begleiter gibt’s als Bonus einen Blick durch die Schaufenster der Horex Motorcycles GmbH gegenüber.

Während die Hölderlin’schen Waldgeister im Gustavsgarten so plötzlich wieder verschwunden sind wie sie aufgetaucht waren, weht ein Hauch römischer Geschichte noch bis zum frühen Abend durch das Römerkastell Saalburg. Der Größe des Geländes entsprechend, sind ohne Zeit-Slot gleich wieder 500 Besucher pro Tag erlaubt. Test wird empfohlen, ist aber keine Pflicht, Führungen und Veranstaltungen gibt es noch nicht. Familien beim unbedrängten Fotoshooting vor historischem Mauerwerk brauchen keine Maske tragen, es ist angenehm ruhig, jeder findet seinen Platz, und überraschend sind auch schon das Triclinium, die Ausstellung „Religion und Verkehr“, die Kommandantur und der Getreidespeicher Horreum für interessierte Besucher geöffnet. Aber bitte mit Maske. Der Wirt der „Taberna“ strahlt, über die Außengastronomie dürfen wieder Schweine- und Kinderschnitzel mit Pommes angeboten werden. Am Pfingstwochenende stieg die Zahl der Besucher von Tag zu Tag.

Wie Waldgeister aus einer anderen Welt tauchen die jungen Menschen im hautfarbenen Unterkleid mit übergestülpten Kostümen aus Plexiglas auf, kommen plötzlich und doch ganz langsam zwischen tiefhängenden Ästen hervor. Foto: js



X