Jazz-Größen bringen den Speicher zum Beben

Bad Homburg (agl). Mitten in der Woche, an einem ganz normalen Novembertag war nichts normal im Kulturspeicher. Die Karten waren blitzschnell ausverkauft, denn der Jazz mit den Stars der Szene versprach einen extrem hochkarätigen Auftritt. Und so war es auch: Es begann mit Marc Marshall.

Für die Jüngeren sei erklärt, dass Vater Tony mit seinem „Schöne Maid hast du heut’ für mich Zeit“ und der Curling-Frisur, die bis in den Nacken reichte, stets die Hallen füllte mit seinem Timbre und seinem Schnulzeneffekt. Marc Marshall, Kind der Showbranche, versteht den generösen intellektuellen Touch zu suggerieren. Er, grauhaarig, untersetzt und mit knappem Jackett, eröffnet den Abend. Die Stimme passt, der Sound auch: ein grooviger Song, rockiger Jazz. Gepflegtes Klatschen und nach dem ersten Titel kommt schon der nächste Gast auf die Bühne: Judy Niemack. Ihre Stimme ist variantenreich und warm, angenehm und fügt sich gut ins Gesamtkonzept des Abends, der da zu lauten scheint: Jazz kann harmlos sein, Jazz kann das Gegenteil von Improvisation sein und Ohrwürmer erzeugen.

Niemack trägt als erstes Ella Fitzgerald vor. Wunderschön. Es folgt der coole Cosmo Klein. Er hat eine eigene Show, in der Marvin Gaye und Prince gecovert werden – auf die jazzige Weise des großen Cosmo Klein. Kaum vergehen seine ersten Takte, da stehen die Bad Homburger auch schon auf von ihren Stühlen. Für diesen einen Song wird’s richtig gut. Partystimmung. Dann folgt Peter Fessler. Schieberkappe, Brille und tiefe sonore Stimme, so tief wie die Batschkapp ins Gesicht ragt. Er ist eine durch und durch stimmige Erscheinung mit 40 Jahren Bühnenjubiläum auf dem Rücken, wie er zurecht stolz erzählt. Seine Interpretation von „New York – Rio – Tokyo“ von „Trio Rio“ ist ein echter Hinhörer. Er moduliert mit fein zurückhaltender Stimmgewalt. Und Spaß hat er auch noch dabei. Denn er spielt mit seinem Publikum, flirtet mit ihm bei der Anmoderation, wenn er zugibt: „Ich steh’ dazu und singe euch was aus den 80ern.“ Das Publikum steht auf so viel Ehrlichkeit. Cosmo kommt dann nach der Pause endlich auch wieder zum Zug. Er singt von Prince „Kiss“, und da scheint auf der Stelle im Speicher die Erde wieder zu erbeben. Als hätten sich alle im Raum abgesprochen, springt beinahe der gesamte Saal wie auf Kommando auf und ist voll dabei. Begeisterung pur.

Gitarrist, Hanno Busch, der alle Stücke vom Blatt abspielt und nicht wie im Jazz üblich ein paar Klangkapriolen fabriziert, darf dann endlich aus seinem Album ein Solostück hören lassen. Musikalisch ähnelt es ganz der Art des Yes-Gitarristen, Steve Howe, der geniale Griffe auf seinem Instrument zustande brachte. Ein Insider-Juwel des Abends, der das Motto „Jazz Club“ hat.

Vom Feinsten

„My funny Valentine“ von Frank Sinatra kommt als Schlusspunkt des Abends. Die ersten Zeilen beginnen mit „But Don’t Change Your Hair For Me, Not If You Care For Me, Stay Little Valentine“. Oh ja. Man möchte noch bleiben, auch wenn vor lauter Mitjazzen Frisuren durcheinandergeraten sein mögen und nicht mehr top gestylt. Jeder scheint sich gefühlt zu wünschen, dass der Abend noch lange nicht endet. Das liegt nicht nur an Peter Fessler, der zum Schluss noch mal seine ganze Kunst entfaltet. Er performt die Percussion- und Schlagzeugrhythmen mit dem Mund und der Stimme ins Mikro. Judy Niemack ist mit dabei. In bester Laune und nach Art des Profis unterstützt sie ihn dabei. Alle Seiten des Jazz kamen an diesem Abend vor. Da bleibt nur eins zu sagen: Das war Musik vom Feinsten.

Vier begnadete, erfahrene Musiker (v. l.): Peter Fessler, Marc Marshall, Judy Niemack und Cosmo Klein. Foto: agl



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