Jüdische Gemeinde nimmt ukrainische Familien auf

Menschen aus acht Familien, darunter sieben Kinder im Alter von acht, zwölf und 16 Jahren haben in der jüdischen Gemeinde und der Stadt Bad Homburg Hilfe gefunden. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Zum zweiten Mal nach 2014 und 2015 haben Menschen aus der Ukraine bei der jüdischen Gemeinde in Bad Homburg Hilfe bekommen und eine Unterkunft gefunden. „In den vergangenen beiden Wochen hat sich unsere Welt so verändert wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Erinnerungen an sehr, sehr schlechte Zeiten werden wach. In der letzten Woche kamen 20 Flüchtlinge aus acht Familien zu uns“, berichtete Rabbiner Shalom Dov Ber Rabinovitz. Darunter auch sieben Kinder im Alter von acht, zwölf und 16 Jahren.

Geflüchtet vor den Angriffen der russischen Armee sind sie aus Kiew, Odessa, Donezk, Luhansk, Saporischschija und Zhytomyr. Unterwegs waren sie teils anfangs zu Fuß, dann mit dem Auto oder Zug, als Mitfahrende von Hilfstransporten, die auf dem Rückweg in den Westen waren. Sie alle sind nach Bad Homburg gekommen, weil sie hier Freunde oder Verwandte haben. Der Rabbi betonte, dass es bei allem Leid auch viel Positives zu berichten gibt. Dazu gehöre die Hilfe und Unterstützung der jüdischen Gemeinde durch Mitglieder und Stadtverwaltung bei der Organisation, dem Bereitstellen von Sachspenden wie Betten und Matratzen sowie der Suche nach Wohnungen.

Rabbiner Shalom Dov Ber Rabinovitz dankte Oberbürgermeister Alexander Hetjes und Stadträtin ist Lucia Lewalter-Schoor bei einem Treffen im jüdischen Zentrum für die sehr gute Unterstützung. Innerhalb von zwei Stunden seien Entscheidungen getroffen worden. Die Stadt habe Hotelzimmer und Wohnungen vermittelt. Wer Wohnraum zur Verfügung stellen könne, solle diesen bitte an die jüdische Gemeinde per E-Mail an juedisch.hg[at]gmail[dot]com melden. In dieser Woche werden 30 bis 40 Familienangehörige der Flüchtlinge in der Kurstadt erwartet. Arthur Iliyav, Vorstandsmitglied des „Vereins der Freunde und der Förderer der jüdischen Kultur und Religion Bad Homburg“, betonte: „Wir wollen für alle ukrainischen Flüchtlinge einen Platz schaffen, damit sie sich hier wohlfühlen.“ „Es gibt nichts Schlimmeres im Leben als die Heimat verlassen zu müssen“, sagte Oberbürgermeister Hetjes. „Heimat kann man nicht ersetzen, aber wir werden alles tun, um ihnen zu helfen.“

Die Reden vom Deutschen ins Ukrainische übersetzte für die Geflüchteten Gemeindemitglied Maria Chernyak. Hetjes lobte das bürgerschaftliche Engagement der jüdischen Gemeindemitglieder: „Das, was auf zwischenmenschlicher Ebene gelaufen ist, könnten wir als Stadt nicht leisten. Wir werden von Menschen überrannt, die helfen wollen. Das hilft uns, ihr Leid etwas zu mildern.“ Stadträtin Lewalter-Schoor sagte: „Es ist gut, dass sie da sind, obwohl es besser wäre, wenn sie noch in ihrer Heimat sein könnten. Wir hoffen, dass sie hier zur Ruhe kommen und ein bisschen Frieden finden können. Was immer sie für sich und ihre Kinder brauchen, wir finden Lösungen. Wir heißen sie von ganzen Herzen in Bad Homburg willkommen. Ich bete, dass in der Ukraine wieder Frieden herrscht.“

Aus Donezk nach Bad Homburg kam 2016 Eliyahu Azarkhov. Der ehemalige Filialeiter einer Großbank hat zum Anwendungsentwickler umgeschult. „Ich habe eineinhalb Jahre auf meine Ausreisepapiere gewartet. Heute fühle ich mich mit meiner Frau und den drei Kindern, von denen zwei hier geboren sind, wohl. Bad Homburg ist unser zweites Zuhause. Unser Eltern und Schwiegereltern sind noch in der Ukraine.“ Er hilft den Neuankömmlingen als Dolmetscher, mit Infos und schildert ihnen seine Erfahrungen.

Nach dem offiziellen Ende des Treffens entzündeten die Frauen am Freitagabend zwei Kerzen. Damit beginnt, wie in der der Schöpfungsgeschichte beschrieben, der Schabbat. Dem Anzünden der Kerzen folgte der Kiddusch, das Sprechen des Segens. Für den Becher Wein und das koschere Essen sorgte in der Synagoge ein in Bad Homburg ansässiger Caterer, der Gemeindemitglied ist. Beim Schabbat bleibt die Welt außen vor. Die Handys werden ausgeschaltet. Auch die zuvor angezündeten Kerzen dürfen nicht gelöscht werden, denn das gilt religionsgesetzlich als Arbeit. Und die soll am Schabbat ruhen.



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