Konferenz richtet Fokus auf Thema „Kindheit und Gewalt“

Bad Homburg (jbr). „Niemand, wirklich niemand kam auf die Idee, Fragen zu stellen“, zitierte Professorin Sabine Andresen, ehemalige Vorsitzende der „Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs“ in Frankfurt am Main, einen Betroffenen. Über sexuellen Missbrauch und Gewalt an Kindern und Jugendlichen zu sprechen sei wichtig, jedoch habe vielen Betroffenen lange niemand zugehört. Oftmals sei das Thema als Tabu behandelt und totgeschwiegen worden, wobei es mitten in die Stadtgesellschaft gehöre, erklärte Sabine Andresen das Thema der diesjährigen „Bad Homburg Conference“ des Forschungskollegs Humanwissenschaften.

Gemeinsam mit der Stadt Bad Homburg richtet jenes die zweitägige, öffentliche Konferenz unter der Headline „Kindheit und Gewalt – Wie können wir eine Kultur des Wegsehens überwinden?“ aus. Matthias Lutz-Bachmann, Direktor des Forschungskollegs, kündigte eine lebhafte, interessante und wichtige Veranstaltung mit Podiumsdiskussion, Vorträgen und Lesungen an.

Mit Bedauern stellte Lutz-Bachmann fest, dass es der liberalen Gesellschaft nicht gelingt, Jugendliche zu schützen. „Schön wäre, wenn wir nicht über dieses Thema sprechen müssten, weil es nicht existiert“, meinte auch Oberbürgermeister Alexander Hetjes, der die Konferenz tatkräftig unterstützt. Es komme in den unterschiedlichsten Strukturen zu Gewalt und besonders zu sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Heranwachsende.

Am Freitag, 16. September, um 16 Uhr wird die „Bad Homburg Conference“ durch zwei Betroffene eröffnet. Ingo Fock, heute Vorsitzender des Vereins „gegen-missbrauch“ in Göttingen, und Katharina Kracht, Mitglied der Expertengruppe gegen sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen um die Bremer Senatorin für Jugend und Bildung, Sascha Karolin Aulepp, werden über ihre Erfahrungen mit Missbrauch in der Kindheit sprechen, aber auch über die Vertuschung durch Institutionen und die Gesellschaft, bis hin zum Wegsehen innerhalb des eigenen Umfelds.

Ein Vortrag der unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs in Berlin, Kerstin Claus, diene als Präventionsveranstaltung und zur Klärung der Frage, wie bei Gewalt gegen Kinder und Jugendliche geholfen werden könne, sagte Professorin Andresen. Denn viel häufiger als man vermuten könnte, kämen Täter und auch Täterinnen aus der Mitte der Gesellschaft und existierten nicht nur am Rande dieser, wo viele Menschen sie der Einfachheit halber verorteten. Auch würden die Strukturen, die Gewalt begünstigen und sie im Zweifelsfall sogar vertuschen, näher beleuchtet – ebenso wie das Verhältnis zwischen Täter und Opfer und das nächste Umfeld der Betroffenen.

Den Organisatoren der Konferenz vom Forschungskolleg Humanwissenschaften gelang es, für die unterschiedlichen Formate zu Prävention, Problemen in Politik und Gesellschaft und der Gewalt gegen Kinder im historischen Kontext eine breit aufgestellte Gruppe an Referenten und Persönlichkeiten zu bilden. So wird zum Thema „Rechte stärken und eine Kultur des Wegsehens überwinden“ nicht nur die Direktorin der Frankfurter Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kinder- und Jugendalters, Christine Freitag, sprechen, sondern auch Klaus Mertens, Jesuitensuperior, Mia Totzek als Landesschülervertreterin und Philipp Donath als Experte der Rechtswissenschaften sowie das Mitglied des Bundesvorstands des Kinderschutzbundes, Joachim Türk.

Die „Bad Homburg Conference“ verspricht – da sind sich OB Hetjes, Matthias Lutz-Bachmann und Sabine Andresen sicher, interessant und aufschlussreich zu werden und werde, so hoffen die Organisatoren, das Thema „Kindheit und Gewalt“ mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Die Veranstaltungen können auch online verfolgt werden.



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