Kunst als „Teil des Fundaments, auf dem das Leben ruht“

Bad Homburg (ba). Das kulturelle Leben in Bad Homburg, Oberursel und Friedrichsdorf mit seinem bislang sehr reichhaltigen Angebot an Konzerten, Theater, Kabarett, Lesungen, Vorträgen und Shows ist zum Erliegen gekommen. Viele Künstler, Kreative, Veranstalter, Autoren und andere Kulturschaffende können nicht mehr wie gewohnt arbeiten und stehen vor großen Herausforderungen. In dieser Reihe stellen wir einige von ihnen vor und suchen gemeinsam Lösungsansätze.

Volker Northoff ist Veranstalter der „Castle Concerts“ in der Schlosskirche und lädt dort regelmäßig zu Konzerten in den Bereichen Klassik und Jazz ein. Dazu gehört das Jazzfestival „Swinging Castle“, das vom 5. bis 14. Juni zum siebten Mal stattfinden soll, doch es ist noch ungewiss, ob es realisierbar ist.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation im Hinblick auf den Kulturbereich?

Volker Northoff: Der Kulturbereich ist besonders hart betroffen. Künstler, vor allem die freischaffenden, haben oft keine finanziellen Reserven und verdienen ohnehin vergleichsweise wenig. Ihnen sind aktuell alle Verdienstmöglichkeiten genommen, da auch die Musikschulen geschlossen haben, an denen viele von ihnen als Honorarkräfte einen wichtigen Teil ihrer Einkünfte erzielten. Veranstalter sind ebenfalls dringend auf Einnahmen angewiesen, insbesondere, wenn sie feste Mitarbeiter beschäftigen und hohe Fixkosten haben. Andererseits sehe ich langfristig auch eine Chance für den Kulturbereich. Im Moment wird vielen bewusst, wie wichtig und wertvoll die Musik und andere Künste sind. Sie sind mehr als eine schöne Ablenkung vom Alltag, sie sind Teil des Fundaments, auf dem unser Leben ruht. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis zu einer wachsenden Wertschätzung des Kulturbereichs führt, weil jetzt jeder persönlich spürt, wie sehr die Kultur ihn trägt und bereichert, wenn um ihn herum viele scheinbare Gewissheiten plötzlich in Frage stehen.

Welche Hilfen wären aus Ihrer Sicht für Künstler und für Veranstalter speziell im Taunus wünschenswert?

Northoff: Mir liegen besonders die freien Musiker am Herzen, die im Moment auf fest geplante Einnahmen verzichten müssen und nicht wissen, wie lange dies dauern wird. Darum habe ich die Initiative „Meine Karte für die Kunst!“ gestartet und mache dem Publikum des bevorstehenden Jazzfestivals folgendes Angebot: Bei einer nötigen Konzertabsage sollen nicht die Künstler allein die finanzielle Last tragen. Ich habe allen Bands und Ensembles in Aussicht gestellt, dass sie in diesem Fall als Ausfallhonorar Einnahmen aus dem Vorverkauf erhalten. Wenn die Konzerte kurzfristig abgesagt werden müssen, können Eintrittskarten gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgegeben werden, doch wer freiwillig auf die Rückgabe seiner Karten verzichtet, kann damit die Musiker direkt unterstützen. Sie erhalten dieses Geld nach dem Motto „Meine Karte für die Kunst!“. So geben wir denen ein wenig zurück, die uns in der Musik alles geben. Ich hoffe auf Unterstützung des Publikums für diese Idee und einen guten Vorverkauf für das Jazzfestival. Damit kann jeder auch ideell ein Signal an die Musiker senden. Wir laden unter dem Hashtag #meinekartefuerdiekunst auch landesweit andere Veranstalter ein, sich der Initiative anzuschließen.

Was hat sich für Sie persönlich durch die Krise verändert?

Northoff: Ich nehme die wichtigen Dinge wieder wichtig und lasse mich weniger ablenken oder aufhalten von Dingen, die zweitrangig sind. Und ich genieße es, im Home-Office meine Arbeitstage mit weniger Fremdeinflüssen strukturieren zu können: konzentrierte Arbeit an Projekten, die sonst hinter anderen Pflichten zurückstehen mussten, statt auswärtiger Termine und Meetings, die im Nachhinein nicht immer einen großen Nutzen stiften.

Wie nutzen Sie die eventuelle zusätzliche freie Zeit und welchen Hobbies widmen Sie jetzt mehr Zeit als sonst?

Northoff: Ich ordne manches in der Wohnung, was seit Langem darauf wartet. Ich verbringe kreative Zeit und führe Gespräche mit meiner 17-jährigen Tochter. Ich telefoniere mit lieben Freunden, zu denen der Kontakt zuvor eher lose geworden war. Ich biete Menschen um mich herum Hilfe an, wo dies möglich ist. Und ich höre natürlich viel Musik.

Welche Anregungen haben Sie, um in dieser herausfordernden Zeit gesund, fit und glücklich zu bleiben?

Northoff: Alles fängt im Kopf an. Darum: Nicht bange machen lassen! Als Christ bin ich sehr dankbar, dass mir eine solche Lebenshaltung mit einem festen Vertrauen auf Gottes Nähe auch in scheinbar verlassenen Zeiten geschenkt ist. Das bewährt sich jetzt, und ich hoffe, dass viele Menschen das Wagnis des Glaubens einfach mal ausprobieren: Gott ist näher als man denkt – man muss ihn nur an sich heranlassen. Irgendwann wird die nächste Pandemie kommen, und bis dahin haben wir hoffentlich weltweit gelernt, solche und andere Herausforderungen gemeinsam anzupacken, anstatt immer wieder gegeneinander zu arbeiten. Ich dachte bisher, das sei eine Illusion – oder dazu wäre die Ankunft von Außerirdischen nötig. Im Moment schafft das ein Virus. Es liegt an uns, ob wir uns später, wenn die unmittelbare gesundheitliche Bedrohung vorbei ist, daran erinnern.

Welche Bedeutung hat Kultur für Sie?

Northoff: „Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens“, meinte schon der Schriftsteller Jean Paul. Musik hilft, zu uns selbst zu finden, gerade in bedrängenden Zeiten. Darum nehmen Sie sich, wenn irgend möglich, die Zeit und hören jetzt einmal in Ruhe und in voller Länge Musikwerke, die Sie mögen und von denen Sie wissen, dass sie Ihnen guttun – zu Hause an der Stereoanlage oder über Kopfhörer bei einem Spaziergang. Am schönsten ist dies, wenn Sie damit persönliche Erlebnisse wie zum Beispiel einen Konzertbesuch verbinden können. Darum habe ich mit der K&K Verlagsanstalt alle Audiostreams und Videos zu unseren CD-Produktionen aus Klassik und Jazz auf www.castle-concerts.org zugänglich gemacht.

Was könnte helfen, um die Krisenzeit besser durchzustehen?

Northoff: Singen Sie! In der Familie oder mit Nachbarn gemeinsam am offenen Fenster. Erste Aktionen dazu gibt es bereits. Gerne wird dann die Europa-Hymne gesungen: Friedrich Schillers „Ode an die Freude“ in der Vertonung von Ludwig van Beethoven. Ein wenig abgewandelt, passt der Text genau zu dem, was wir zurzeit durchleben:

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium,

jeder, dem der Mut gesunken,

singt jetzt mit und bleibt nicht stumm!

Deine Zauber binden wieder,

was Corona streng geteilt.

Alle werden Schwestern, Brüder,

wo dein sanfter Flügel weilt.



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