Mit Piep, dem Pieper, zu Gast im Orgelgehäuse

Guy Bovet hat sichtlich Spaß – der Schweizer Orgelprofessor lehrt Kinder die Entstehungsgeschichte der Orgel in bunten Bildern und Tönen. Foto: a.ber

Bad Homburg (a.ber). Wer das richtige Register zieht, kann auch schon mal einen Elefanten verjagen! Als der Organist Guy Bovet an der romantischen Sauer-Orgel der Erlöserkirche mit dem Fuß aufs Pedal trat und die „Posaune“, eines der lautesten Register der Orgel, schmettern ließ, hielten sich einige Kinder schnell die Ohren zu und sahen fasziniert auf die große Leinwand im Altarraum, auf der nicht nur das kugelrunde rosa Rüsseltier mit angelegten Ohren vor dem Lärm die Flucht ergriff, sondern auch eine quietschgrüne Kuh die Beine in die Hand nahm.

Mit viel Witz und Fantasie und jeder Menge Orgelklänge führte der berühmte Schweizer Organist und Komponist mit seinem Kinderbuch „Piep, der Pieper“ im Rahmen des Orgelfestivals Fugato zahlreiche Kindergarten- und Schulkinder in die Welt der Orgel ein. Und der Funke sprang über. Als Schauspielerin Johanna Krumstroh, die die Texte zu dem herrlich unkonventionell und bunt daherkommenden Bilderbogen zur Entstehung der „Königin der Instrumente“ rezitierte, zu Beginn eine Blockflöte hochhielt, diese umdrehte und erklärte, dass die Flöte jetzt den „Fuß“ oben habe und die Luft genau wie bei der Orgelpfeife durch „Mund“ und „Lippen“ ströme, schauten die kleinen Zuhörer zur Orgelempore hoch – aha, da stehen viele kurze und lange Pfeifen Kopf, und wenn man Luft reinbläst, dann piept und säuselt, schnattert, trompetet und brummt es.

Guy Bovet, Jahrgang 1942 und weltweit seit Jahrzehnten als Orgelprofessor und -lehrer tätig, hat sich mit dem Buch „Piep, der Pieper“ seit dessen Erstvorstellung vor einigen Jahren bei der Orgelakademie Cuxhaven schon in viele Kinderherzen hineingespielt – und er weckt das Interesse der Kleinen für das Ins-trument Orgel auf kindgerechte Weise. Mit Charisma und Herzlichkeit las die Schauspielerin und Sängerin Johanna Krumstroh, in Deutschland unter anderem bekannt durch ihre ausdrucksstarken Lesungen klassischer Literatur verbunden mit Musik, die Geschichte des kleinen Vogels mit der winzigen Orgelkrone auf dem Kopf vor: Piep schafft es mit seiner Neugier, die Entstehungsgeschichte und Konstruktion einer Orgel zu erforschen und schließlich Orgelpfeifen auf der ganzen Welt aufzuspüren und sie in sein tolles selbstgebautes Haus, das „Orgelgehäuse“, einzuladen.

Auf den zum Teil grellbunt kolorierten Zeichnungen Guy Bovets lernten die Kinder in der Erlöserkirche den „dicken, lustigen und hässlichen Gott Pan“ kennen, der vor langer Zeit in Griechenland lebte und gern Leute erschreckte – wobei er einmal ins Wasser fiel und sich an Schilfrohr festhielt. Und Glück im Unglück, Pan entdeckte, dass er aus den Rohren Flöten schnitzen und sie zu einer Panflöte zusammenbinden konnte.

Der Organist ließ mit hohen Tönen den kleinen Piepvogel zu Ktesibios von Alexandria fliegen, einem griechischen Erfinder aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, und der lötete auf Pieps Bitte hin eine Reihe von Metallrohren aneinander, „die waren aber sehr schwer“, sagte Johanna Krumstroh; und seine Wasserkraftmaschine, die da Luft hineinblasen sollte, war viel zu riesig und laut, wie Guy Bovet mit den mächtigen Orgel-Registern musikalisch verdeutlichte. Doch später erfand man im deutschen Halberstadt Blasebälge, die Luft in die Pfeifen pumpen konnten – die Orgel war geboren. Der kleine Vogel stellt – mit Hilfe des spielenden Organisten – begeistert die verschiedenen Register einer Orgel vor: „elegante „Prinzipale“, die Himmels-Stimmen der „Gamba“, laute „Trompeten“, „Regale und Krummhörner“, die wie ein schreiendes Baby klingen und mit den Enten im Teich um die Wette schnattern, fröhlich im Baum zwitschernde kleine Flöten und die frommen „Kornett“-Pfeifen, die auf den Bildern des Künstlers mit Hut und Gesangbuch in der Hand in der Kirche stehen.

Als schließlich alle Pfeifen in Pieps „Orgelgehäuse“ wohnen, lädt er den garstigen Gott Pan, den Erfinder Ktesibios und den berühmten Komponisten Johann Sebastian Bach ein – der bringt ein Musikstück für Orgel mit, „und Bach ließ alle Pfeifen ertönen, dann zog er alle Register und machte einen Höllenlärm!“ Nach dem Schlussakkord des Bach’schen Orgelstücks, bei dem die Kinder den musizierenden Organisten auf der Leinwand beobachten konnten, zog Guy Bovet galant den Hut – ein unkonventioneller Künstler mit einem großen Herz für Kinder.



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