Ein Platz für Hüte, Porträts und Schätze aus dem Biedermeier

Beim Gang durch das einzigartige Schaudepot im Horex-Museum gibt es viel zu entdecken: 40 000 Objekte aus der Sammlung des Städtischen Museums werden präsentiert, darunter Dutzende Porträts, die die Museums-Mitarbeiter an großen Gartenzaun-Elementen angebracht haben. Foto: Bergner

Bad Homburg (a.ber). An der hohen Wand neben dem Treppenaufgang hängen Dutzende Porträts: Menschen aus vier Jahrhunderten Homburger Geschichte begrüßen den Besucher, am Ende der Treppe steht Landgraf Friedrich II., Abguss einer Büste am Homburger Schloss. Ein altes Kinder-Schreibpult steht neben einer Dampfmaschine aus dem frühen 19. Jahrhundert, vorbei an einer Hölderlin-Sammlung geht es zu den riesigen Depot-Kästen mit Biedermeier-Kleidern und anderen wertvollen Textilien.

Wer das Horex-Museum hinter dem Bahnhof betritt, gerät ins Staunen. Wo früher immer wieder seltene Motorräder ausgestellt worden waren, ist seit Kurzem ein Gang vorbei an 40 000 Ausstellungsstücken aus der Sammlung des Städtischen historischen Museums möglich. „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht und während der Renovierung des Gotischen Hauses ein Schaudepot eröffnet – etwas Einzigartiges. Wir zeigen immer wieder wechselnde Teile unserer Sammlung und arbeiten und forschen gleichzeitig in den Räumen“, erzählt Museumsleiterin Dr. Ursula Grzechca-Mohr begeistert. Wer sich telefonisch anmeldet, kann jetzt im Horex-Museum vieles entdecken.

Um geschichtsinteressierten Bürgern in den kommenden zwei Jahren der Renovierung des Gotischen Hauses etwas bieten zu können und die etwa 130 000 Objekte der Sammlung nicht in den beiden geschlossenen Depots des Museums dem Dornröschenschlaf anheim zu geben, haben Ursula Grzechca-Mohr, Dr. Peter Lingens und die anderen Mitarbeiter sich einiges Unkonventionelles einfallen lassen. Große Gitter von Gartenzäunen wurden an den Wänden im Schaudepot befestigt, um einen Teil der Gemäldesammlung zu präsentieren: Hier hängen jetzt kostbare Ölgemälde wie das Antlitz der Maria Catharina Schütz von 1699, die 1734 in ihrem Haus in der Dorotheenstraße einen Kreis von Separatisten um sich scharte; oder das 1998 entstandene Bild von Oberbürgermeister a. D. Wolfgang Assmann, das der zeitgenössische Spätexpressionist Max Kaminski malte. Beschriftungen zu den einzelnen Gemälden werden gerade angefertigt, eine eigens entwickelte Museums-App für das Smartphone führt die Besucher nicht nur an den Porträts vorbei, sondern auch zu allen anderen ausgestellten Objekten.

Tausende von Grafiken wurden in Grafik-Schubkästen untergebracht, kostbare Büsten stehen auf Regalen und in Vitrinen, eine Großskulptur von Hans Steinbrenner, die vor dem Gotischen Haus stand, ist auch zu sehen. Auf einer Kommode haben Grzechca-Mohr und ihre Mitarbeiter die Zeichnungen zum originalen Dominospiel der berühmten „Maus“ von Isolde Schmitt-Menzel ausgestellt, daneben findet sich eine kleine Sammlung von Kinderspielzeug und Puppenhäusern aus mehreren Jahrhunderten. Über dem Regal mit einer Dampfmaschine hängen dicht an dicht die Bildnisse der Bad Homburger Familie Reinermann – „gerade restauriert, zeigen sie den Umbruch des Malstils in der Romantik“, schwärmt Ursula Grzechca-Mohr bei einem Gang durch die Schau. Beinahe verloren wirken die beiden antiken Horex-Motorräder aus der Städtischen Sammlung: Das städtische Horex-Museum hatte in den vergangenen sieben Jahren immer wieder große Motorrad-Ausstellungen gemeinsam mit Motorrad-Clubs aus der Umgebung veranstaltet und die Horex-Geschichte wissenschaftlich aufgearbeitet, „aber die Motorräder waren nur geliehen, und nun sind wir froh, den Platz hier für unsere eigenen Objekte zu haben“, so Grzechca-Mohr. Die Zukunft des Horex-Museums nach der Wiedereröffnung des Museums im Gotischen Haus 2023 sei noch offen – „vielleicht arbeiten wir dann an einer Darstellung der Industriegeschichte Bad Homburgs für das Horex-Museum“.

Inzwischen stehen die beiden Motorräder mitten zwischen der Glas-Sammlung von Kur-Trinkgläsern und Objekten der Sammlung von Judaika, auf einem Schrank liegt eine riesige Hutschachtel mit wichtigen Stücken aus der berühmten Hutsammlung des Gotischen Hauses; um die Ecke stehen ausgewählte Stücke aus der Möbel- und Instrumentensammlung der Stadt, daneben übermannshohe Depotschränke mit Textilien und Kleidern aus vielen Jahrhunderten kurstädtischer Geschichte. „Ein Kleid der Homburger Sammlung war Vorbild für die Ausstattung des Films ‚Babylon Berlin‘“, erzählt Grzechca-Mohr stolz.

Die Mitarbeiter des Städtischen Museums können viel über die einzelnen Objekte erzählen und werden das in den zwei Jahren im Schaudepot für große und kleine Besucher mittels Hinweisschildern, der Museums-App und bei Führungen gerne tun. Im April 2023 soll laut der Museumsleiterin das Gotische Haus wieder eröffnet werden – zuerst können Besucher dann durch die restaurierten leeren Räume geführt werden, um die Sanierung zu erklären, dann wird die Sammlung wieder einziehen. „Und bis dahin wollen wir in Erfahrung gebracht haben: Was interessiert die Menschen aus der Sammlung am meisten?“ Mit einem mobilen Vitrinen-System soll dann viel Raum für Ideen und die Umsetzung von Anregungen aus der Bevölkerung gegeben werden.

!Wer das Schaudepot im Horex-Museum, Horexstraße 6 (ab sofort Öffnungszeiten: mittwochs 10 bis 14 Uhr, samstags und sonntags 12 bis 18 Uhr), besuchen möchte, muss sich unter Telefon 06172-1013167 oder 1004133 anmelden. Es dürfen unter den gegebenen Hygiene-Standards bis zu sechs Personen gleichzeitig anwesend sein. Der Eintritt ist frei.

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