Von Santa Claus bis zum Geizhals Scrooge

Ein gelungenes Wechselspiel zwischen den Vorlesenden Thomas Heinze (vorne l.), Nina Kronjäger (vorne r.), dem britischen Crooner Alexander Stewart (l. sitzend) und dem Kammerchor der Erlöserkirche bietet der Abend unter dem Motto „American Christmas“. Foto: jas

Von Janine Stavenow

Bad Homburg. Zwei bekannte Schauspieler, ein britischer Sänger mit hervorragender Stimme, ein bestens vorbereiteter Kammerchor, ein abwechslungsreiches Programm und eine festlich erleuchtete Erlöserkirche – bessere Voraussetzungen hätte es für die weihnachtliche Sonderveranstaltung des Bad Homburger Poesie- und Literaturfestivals kaum geben können. Und so wurde der vorweihnachtliche Abend im gut gefüllten Gotteshaus an der Dorotheenstraße zu einem Erfolg.

Schnell, fast ein wenig zu schnell vergingen die gut eineinhalb Stunden Programm, das die Protagonisten Nina Kronjäger und Thomas Heinze mit Geschichten, Gedichten und Briefen rund um die Zeit des Festes füllten. Musikalisch überzeugten der junge Crooner Alexander Stewart sowie der Kammerchor der Erlöserkirche unter Leitung von Susanne Rohn. Im gelungenen Zusammenspiel entführten sie in winterweiße Welten.

Nach einer kurzen Begrüßung durch Oberbürgermeister Alexander Hetjes, Kurdirektor Holger Reuter und den künstlerischen Leiter des Poesiefestivals, Bernd Hoffmann, konnte das Debüt der beiden Stargäste mit hessischen Wurzeln – Nina Kronjäger ist in Marburg geboren, Thomas Heinze in Friedberg aufgewachsen – beginnen. Und was eignete sich für den Einstieg in diesen wunderschönen, stimmungsvollen Dezemberabend besser als das wohl berühmteste Weihnachtsgedicht von Clement Clarke Moore „Twas The Night Before Christmas“? Heinze trug es mit kraftvoller Stimme in der deutschen Übersetzung „Als der Nikolaus kam“ von Erich Kästner vor. Die musikalische Überleitung zum nächsten Textbeitrag bot Crooner Stewart – gekleidet in ein cremeweißes Jacket und mit schwarzer Fliege – mit dem Weihnachtsklassiker „Let It Snow“, dessen Melodie die mächtige Kirche erfüllte.

Gibt es den Weihnachtsmann?

Viele kannten bereits den Leserbrief der achtjährigen Virginia, in dem das Mädchen die Redakteure der New Yorker „Sun“ 1897 gefragt hatte, ob es denn den Weihnachtsmann nun wirklich gebe. Die Antwort der Zeitungsleute, die damals als Leitartikel erschienen war, las Heinze vor, und damals wie heute brachte sie die Zuhörer zum Nachdenken. „Niemand sieht den Weihnachtsmann, aber das ist kein Zeichen dafür, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Die wirklichsten Dinge in der Welt sind jene, die weder Kinder noch Erwachsene sehen können“, steht dort geschrieben und vieles andere Wahre mehr.

Zum Überlegen, was wirklich von Bedeutung ist an den Weihnachtstagen und im Leben, brachte das Publikum auch die Kurzgeschichte „Das Geschenk der Weisen“ von O. Henry, die erstmals am 10. Dezember 1905 in der Sonntagsbeilage im New York Sunday World Magazine, der damals größten Zeitung der USA, unter dem Titel „Gifts of the Magi“ erschienen war.

Jim und Della, ein junge Ehepaar mit wenig Geld, wollen sich zu Weihnachten gegenseitig mit einem Geschenk überraschen und tun alles dafür, dieses Vorhaben in die Tat umsetzen zu können. Am Weihnachtsabend dann die Überraschung: Weder kann er die teure Uhrenkette aus Platin gebrauchen, die Della ihm schenkt, weil er seine goldene Uhr verkauft hat, um an Geld zu kommen. Noch aber kann sie etwas mit den wertvollen Schildpattkämmen anfangen, die er für sie ausgesucht hat. Denn um die Uhrenkette zu finanzieren, hatte sie wiederum ihr Haar abschneiden lassen und verkauft.

Heinze und Kronjäger hatten weitere beachtenswerte Texte mitgebracht, die sie „im Duett“ vortrugen: Die von Heimweh erzählende Geschichte Ernest Hemingways „Weihnachten in Paris“ von 1921 zum Beispiel, ebenso den Text „Das Paket des lieben Gottes“ von Bertolt Brecht, einen Ausschnitt aus Charles Dickens’ „Weihnachtsgeschichte“, in dem der hartherzige Geizhals Ebenezer Scrooge dem Geist der zukünftigen Weihnacht begegnet, und natürlich die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium.

Crooner Alexander Stewart und seine beiden musikalischen Begleiter an Trompete und Kontrabass begeisterten in den Lesepausen mit „I’m Dreaming Of A White Christmas“, „Santa Claus Is Coming To Town“ und weiteren Klassikern. Im Duett mit Susanne Rohn und dem Kammerchor sang der Brite „Jingle Bells“ und „We Wish You A Merry Christmas“. Reichlich Applaus war der Lohn für diese überraschende gesangliche Zusammenarbeit. Der vorweihnachtliche Literaturabend endete mit einer viel beklatschten Zugabe des Kammerchors sowie mit einem Bonusstück von Alexander Stewart.



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