Ein Spielraum für neue Konstellationen

Den Zweikampf hat Alexander Hetjes gewonnen, jetzt geht es um die Umsetzung der Ziele, die alle verwirklichen wollen. Dazu gehört auch die umweltgerechte Mobilität, hier gespiegelt im E-Bus. Foto: js

Bad Homburg (js). Leichte tektonische Verschiebungen könnten zu einem mittleren Beben in der Stadtverordnetenversammlung der Kurstadt führen. Denn nach Auszählung aller Stimmen sind die Grünen zur zweiten Kraft im Parlament hinter der weiterhin dominanten CDU geworden. Die Zwischentöne bei den ersten Wahlanalysen bestätigen, dass beide Parteien die Option der parlamentarischen Zusammenarbeit auf Koalitionsebene zumindest nicht ausschließen. Auch für die SPD ist eine Weiterführung der bisherigen Koalition mit der CDU vorstellbar.

Als Punktsieger dürfen sich nach der Wahl vom Sonntag vor allem die Grünen fühlen, die mächtig zugelegt haben und sich am Ende bei 18,4 Prozent einpendelten. Drei Sitze mehr in einer jetzt neunköpfigen Fraktion sind der Lohn, zeitweilig lagen die Grünen sogar bei knapp 21 Prozent, ehe die anderen Fraktionen beim Auszählen der Einzelstimmen noch Boden gut machen konnten. „Schön, ein wunderbares Ergebnis für uns“, sagt die aktuelle Fraktionsvorsitzende Daniela Kraft. „Wir hatten das gehofft, aber in dieser Deutlichkeit war das schon überraschend.“ Ein Plus von sieben Prozent Wählerstimmen, auch in allen Ortsbeiräten sind die Grünen zweite Kraft. Ein Plus auf allen Ebenen, eine gute Ausgangsposition für Verhandlungen, das „bietet Spielraum für neue Konstellationen“, so Kraft selbstbewusst. Diese Wahl spiegele auch eine „Grundtendenz in der Gesellschaft“ und zeige, dass die Grünen in deren Mitte angekommen seien.

Trotz leichter Verluste bleiben die Christdemokraten (42,9 Prozent) stärkste Kraft im Parlament, büßten allerdings bei noch 21 Sitzen einen Sitz ein. Der aktuelle und designierte zukünftige Fraktionschef Dr. Oliver Jedynak zeigte sich dennoch „zufrieden mit dem Ergebnis“, konnte die CDU doch gegen den Bundestrend ihre deutliche Vorrangstellung behaupten. Auch das „Statement“ der Wiederwahl von Oberbürgermeister Alexander Hetjes mit knapp 60 Prozent der Wählerstimmen und die Top-Werte von bis zu 56 Prozent in den Ortsbeiräten bestätigten dies. Vor allem das Ergebnis von Hetjes hätte die Erwartungen übertroffen.

Im 49-köpfigen Stadtparlament bieten sich der Union nun mehrere Partner an. Die SPD hat sich durchs Kumulieren in letzter Sekunde ihr siebtes Mandat gesichert, worüber Elke Barth, die Landtagsabgeordnete und Nummer 2 auf der SPD-Liste, am meisten erfreut war und von einem „kleinen Happy End“ sprach. Trotz leichter Verluste von 14,9 auf 13,3 Prozent konnte der Status Quo in der „aktuellen politischen Großwetterlage“ gehalten werden, ein „Zeichen, dass wir alles richtig gemacht haben“. Auch wenn es ein bisschen mehr hätte sein dürfen. Das hätte sich die Partei durch ihre stets sachbezogene Politik verdient, „dicke Bauprojekte“ und die Verlängerung der U2 habe die SPD maßgeblich mit vorangetrieben, vor alles stets eine „glasklare Politik“ betrieben, so Barth.

Für eine Regierungsbeteiligung stehe auch die FDP bereit, das ließ Parteichef Tim Hordorff schon am Wahlabend durchblicken. Die FDP schloss die Gemeindewahl mit einem kleinen Verlust ab und blieb mit 9,6 Prozent hinter dem Ergebnis von 2016 (10,7 Prozent), bekommt aber einen fünften Sitz im Stadtparlament. Verbessert hat sich auch die Bürgerliste Bad Homburg (BLB), um knapp zwei Prozentpunkte auf 8,4, außerdem hat sie sich einen vierten Sitz verdient. „Ich bin sehr zufrieden“, so Armin Johnert, Spitzenkandidat und Oberbürgermeisterkandidat in Personalunion. Den Zugewinn führte er auch auf seinen engagierten OB-Wahlkampf zurück, dadurch seien viele Menschen auf die Position der BLB aufmerksam geworden. Klares Fazit: „Die BLB ist aus der politischen Landschaft nicht wegzudenken, sie hat sich etabliert.“

Bei der CDU wollte der Parteivorstand bereits gestern Abend die ersten Weichen für die Zukunft stellen. Auf der Tagesordnung: Wahlanalyse und Bewertung möglicher Mehrheitsverhältnisse mit unterschiedlichen Partnern. Wohin geht die Reise? Der gute Stil, Elke Barth spricht von einem „angenehmen Arbeitsklima“ in der bisherigen Koalition, in dem sich keiner hätte „verbiegen müssen“ und beide Seiten bei strittigen Themen „Beinfreiheit“ hatten, gebietet der CDU erste Gespräche mit der SPD, was aber nicht heiße, dass diese „vorrangig behandelt würde“, so Oliver Jedynak. So sieht das auch Elke Barth. „Eine Weiterführung ist kein Automatismus. Vorstellbar ist das schon, wir sind gesprächsbereit. Dann muss man schauen, was geht.“

Der interessierte Blick politischer Beobachter schaut indes in Richtung einer neuen Verbindung. „Alle haben den Geist der Zeit erkannt“, philosophiert Jedynak, die Option Schwarz-Grün dürfte bei den Zukunftsplänen auch eine Rolle spielen. Die Frontfrau der Grünen, Daniela Kraft, sieht in einer solchen Kombination durchaus positive Aspekte.

Mit den Grünen als „guter Partnerin an der Seite“ könnte bei den wichtigen Themen wie Klimaschutz und umweltgerechter Mobilität viel Boden gut gemacht werden, die CDU könne zeigen, wie ernst sie es damit meine. Das Wahlergebnis sei in seiner Aussage jedenfalls „sehr deutlich“, die Bad Homburger hätten gezeigt, was sie wollen. Keinesfalls würde sie daher „kleinherzig“ in eine Koalition gehen.

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