Das Standesamt von der Couch aus besuchen

Oberbürgermeister Alexander Hetjes, Lena Valit von der Produktionsfirma (l.) und Ketty Urbani vom Stadtmarketing (r.) zeigen auf Leinwand und Laptop den virtuellen Raum im Standesamt in 3D. Foto: Streicher

Von Jürgen Streicher

Bad Homburg (js). Wo wird welche Schwiegermutter platziert? Können Braut und Bräutigam gut in Szene gesetzt werden? Reicht der Raum für alle geladenen Gäste? Und überhaupt, wie sieht’s da eigentlich aus, gefallen uns Größe, Licht und Atmosphäre? Fragen über Fragen, manch einer hat das Standesamt vor dem entscheidenden Moment nie zu Gesicht bekommen oder muss umständlich anreisen für eine Besichtigung.

Ein Beispiel nur für die Erleichterung der Lebensplanung durch kreativ-innovative Ideen sind jetzt mögliche 3D-Touren durch Trausäle oder Ausstellungsräume wie das Gotische Haus und die Villa Wertheimber, die Englische Kirche oder die Stadtbibliothek. Alles „zeitgemäß bequem vom Sofa aus“, wie Oberbürgermeister Alexander Hetjes bei der Vorstellung des jüngsten Digitalisierungsprojekts hervorhebt.

Im Schnelldurchlauf des integrierten Werbe-Clips als Einleitung für die virtuellen Erkundungstouren dauert die Tour de Bad Homburg exakt 81 Sekunden. Mit Musik hinterlegt, ohne Worte, nur mit Bildsymbolen, die aus der dreidimensionalen Tiefe des Raums auftauchen. Beim 360-Grad-Rundgang auf der Bildoberfläche des Heimcomputers können die Besucher der städtischen Website auch ins Detail gehen, jede Menge bei der Navigation ansteuerbare „Infopoints“ bieten Vertiefungsmaterial und nützliche Informationen zu dem, was die potenziellen Besucher der ausgewählten „Location“ in Echtzeit erwartet. Bis hin zu den Abständen in Metern und Zentimetern im Standesamt zwischen Bräutigam und Schwiegermutter etwa, wenn man es denn genau wissen will. „Auf dem Tablet und Handy noch ein bisschen leichter zu bedienen“, findet Ketty Urbani vom Stadtmarketing mit Blick auf die möglichen Punkt-zu-Punkt-Reisen im jeweiligen virtuellen Raum. Die noch intensiver werden, wenn man sich vollends in die Virtual Reality begibt und eine VR-Brille aufsetzt. Auch dafür kann man ein passendes Symbol anklicken.

Ketty Urbani hat das Projekt federführend initiiert und von der Idee bis zur Umsetzung für die Stadt begleitet. Partner dabei ist das in der Kurstadt ansässige Unternehmen Scanspace, mit dem sie die bisher sechs vollendeten 3D-Touren konzipiert hat. Oberbürgermeister Hetjes und die Stadtmarketing-Expertin rechnen gerade in der derzeit „schwierigen und traurigen Situation“ mit großem Interesse am digitalen Fortschritt im Informationsangebot der Stadt, „ganz gemütlich interaktiv eben“, so Ketty Urbani. Mit Lena Valit von Scan-scape hat sie die ersten virtuellen 3D-Hotspots entwickelt. Die zusammengefügten Bilder sollen ein vollständiges Abbild der Realität ermöglichen, die Anwender sollen das Gefühl haben, wirklich an Ort und Stelle zu sein. Eine Spezialkamera, die um ihre eigene Achse rotiert, fotografiert den jeweiligen Ort und scannt ihn gleichzeitig mittels Infrarot-Technologie, um alle räumlichen Daten zu erfassen. So entsteht der digitale Zwilling, begehbar im Liegen auf der heimischen Couch.

Wer nicht gerade einen Termin im Standesamt im Blick hat, kann sich mal ganz ungezwungen und ohne lästige Maskenpflicht durch die Stadtbibliothek in der Dorotheenstraße zoomen und gucken, was da so in den Regalen steht. Hinter den ansteuerbaren Infopoints verbergen sich auch ein paar Kuriositäten, mit denen man später als intimer Kenner der Bibliothek auftreten kann. Kennt ja nicht jeder das älteste Buch im Bestand, weiß ja nicht jeder, dass ein Hörspiel mit dem Dreamteam „Pettersson und Findus“ das am meisten ausgeliehene ist. Ein Extra-Angebot bekommen Verehrer des Dichters Friedrich Hölderlin. Haben sie durch Corona etwa die Ausstellung zum Jubiläumsjahr „Hölderlin – ein geprägtes Bild“ im Gotischen Haus verpasst, können sie das jetzt online nachholen. Digital und im 360-Grad-Umlauf.

Was manchem noch fehlen mag in der ersten Charge der virtuellen Hotspots und vor allem für die erhofften Gäste der Stadt wichtig sein könnte, sind schmackhafte Bilder von den jeweiligen Außenansichten, die sich vor allem beim Gotischen Haus, der Villa Wertheimber mit Park und dem Kaiser-Wilhelms-Bad im Kurpark apart darstellen ließen. Vom Bad aus kann man zumindest schon einen virtuellen Blick aus einem Fenster auf den Vorplatz werfen. Weitere sollen folgen, die Kur will etwa mit Touren durch den „Speicher“ und das Kurhaus einsteigen. Noch steckt die kurstädtische 3D-Welt in den 13 000 Euro teuren Kinderschuhen.

!Wer auf die Reise gehen will, findet alle Touren im Internet unter www.bad-homburg/3dtouren.de.



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