Studenten diskutieren über moderne Sklaverei

Internationale Studierende aus Afrika, Asien und Lateinamerika diskutieren in Bad Homburg über menschen(un)würdige Arbeitsbedingungen. Eine Exkursion führt die jungen Leute in das Historische Museum nach Frankfurt. Foto: STUBE Hessen

Bad Homburg (hw). Vinod, 13, schuftet von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang an sechs Tagen der Woche in einem Steinbruch in Indien. Es ist sehr heiß, die Temperaturen steigen mittags auf über 45 Grad Celsius. Vinod bekommt als ungelernter Arbeiter etwa 60 Cent pro Tag. Seine Eltern arbeiten auch im Steinbruch. Aléjandra Garcia aus Honduras, Studentin der Erziehungswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt, brachte die beispielhafte Geschichte von Vinod mit in die Jugendherberge zur fünftägigen „STUBE Hessen“-Winterakademie. 215 Millionen Kinder weltweit arbeiten Tag für Tag. Über die Hälfte davon unter gefährlichen, gesundheitsschädlichen oder ausbeuterischen Bedingungen und ohne Möglichkeiten, die Schule zu besuchen. Sichtlich bedrückt fragten sich die teilnehmenden Studierenden aus Afrika, Asien und Lateinamerika: Was können wir dagegen tun?

In verschiedenen Workshops diskutierten die 25 hessischen Studierenden aus 17 Ländern das Thema „Arbeitsbedingungen weltweit: moderne Sklaverei?!“ bei der Winterakademie von „STUBE Hessen“, ein vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördertes Projekt des World University Service. Laut Global Slavery Index (GSI) sind weltweit knapp 46 Millionen Menschen in 167 Ländern von Formen „moderner Sklaverei“ betroffen. Dazu zählen Menschenhandel, Zwangsarbeit, Zwangsheirat und extreme Formen von Kinderarbeit. Jährlich kommen etwa 22 000 Kinder durch Arbeitsunfälle ums Leben.

Welche Maßnahmen gegen menschenunwürdige Arbeitsbedingungen ergriffen werden, vermittelten die Referentinnen Gabriele Schmitt und Anke Achhammer am Beispiel ihrer Tätigkeiten beim Frankfurter Verein Frauenrecht ist Menschenrecht (FIM). FIM richtet sich an Frauen, die sexuelle Gewalt, Ausbeutung und Zwang in der Prostitution erfahren haben, unterstützt Opfer von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung und bietet psychosoziale Beratung und Opferschutz, vermittelt geschützte Unterkünfte oder begleitet Gerichtsprozesse. „Wenn von Menschenhandel zur Arbeitsausbeutung und Zwangsarbeit gesprochen wird“, so Schmitt, „ist damit gemeint, dass die Notlage von Arbeitnehmern ausgenutzt wird oder sie gezwungen werden, eine Tätigkeit auszuführen, durch die sie ausgebeutet werden.“

„Es geht um menschenwürdige Arbeit. Das ist ein Menschenrecht!“, betonte auch Tobias Schwab, Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Rundschau. Er teilte seine persönlichen Erfahrungen aus den Steinbrüchen in Indien und berichtete, dass laut einer Befragung des Auswärtigen Amtes kaum 20 Prozent der deutschen Großunternehmen bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards achten. „Die Lieferkette sei zu komplex.“ Anfang März möchten Arbeitsminister Hubertus Heil und Entwicklungsminister Gerd Müller deshalb ein Lieferkettengesetz vorlegen, um eine Verbindlichkeit für Unternehmen zu schaffen ihrer Verantwortung für die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht nachzukommen.

Klarheit im Dschungel der Prüf- und Gütesiegel brachten Jürgen Herold vom Bundesverband für fairen Import und Vertrieb (FAIR BAND) und Karin Schwegler vom Fairhandelsunternehmen Frida Feeling. „Den Preis für ein T-Shirt, das vier Euro kostet, hat meist jemand anderes als der Konsument gezahlt“, sagte Herold.

Eine Exkursion führte die internationalen Studierenden in das Historische Museum Frankfurt zur Stadtlabor-Ausstellung „Kein Leben von der Stange“. Hier wurden Geschichten von Arbeit, Migration und Familie lebendig und die verschiedenen Phasen der jüngeren Migrationsgeschichte, von der „Gastarbeiterzeit“ bis in die Gegenwart hinein thematisiert.

Um einige Erfahrungen und Perspektiven reicher, machten die Studierenden im letzten Workshop konkrete Vorschläge, menschenwürdige Arbeit zu fördern: Bewusster konsumieren, auf seriöse Güte- und Prüfsiegel achten, vor dem Kauf einen Blick auf die Herkunft des Kleidungsstücks werfen, Gewerkschaften beitreten, die eigenen Rechte kennen, recherchieren und die Informationen im Familien- und Freundeskreis weitertragen.

Eine Studentin aus Nepal resümierte: „Alles steht und fällt mit dem Zugang zu Bildung. Es liegt jetzt an uns, anzufangen und etwas dafür zu tun, dass sich die Situation weltweit verbessert, denn mit Wissen kommt Verantwortung.“



X