Welpenschutz für Greta, Kritik am Laufburschen Peter Altmaier

Seine bunten Hemden, seine Halbglatze und seine abstehenden Haare gelten ebenso als Markenzeichen von Urban Priol wie sein untermainländischer Dialekt. Foto: fch

Bad Homburg (fch). Was Medien und Menschen im vergangenen Jahr bewegte, ist seit 2002 Thema im Jahresrückblick „TILT!“ bei Urban Priol. Im vollbesetzten Saal des Kurtheaters nahm der fränkische Kabarettist sein Publikum mit auf eine messerscharf-pointierte wie rasante Tour durch die gesellschaftspolitischen Ereignisse des Jahres 2019. Die thematische Bandbreite reichte von der Klimaerwärmung über Parteien- und Politikerschelte bis hin zum Fußball und dem über dem ganzen Land liegenden „Mail-Tau“. Wie gewohnt, servierte der 58-Jährige seine satirische Abrechnung pointiert, differenziert und vor allem sehr unterhaltsam.

Im Gegenzug für seine mit schauspielerischem und parodistischem Können am Fließband präsentierten Pointen, Einfälle und sprachgewaltigen Ausführungen erwartete er von seinen Zuhörern höchste Aufmerksamkeit. Die ihm gewährt wurde, obwohl einige Besucher sagten, dass sie die Pause zum Abkühlen ihrer grauen Zellen im letzten Drittel des ersten Teils herbeigesehnt haben. Immer wieder verblüffend ist es, wie es dem stets mit einem frischgezapften, alkoholfreien Bier gedopten Urban Priol seit inzwischen 38 Jahren gelingt, scheinbar Unzusammenhängendes geschickt logisch miteinander zu verknüpfen. Seine bunten Hemden, seine Halbglatze und seine nach hinten und oben abstehenden Haaren gelten ebenso als Markenzeichen wie sein untermainländischer Dialekt.

2019 kürte er zum Jahr der Demos. Die Bauern, die Mieter und die Jugend gingen auf die Straßen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Einen Rekord habe es bei den SUV-Zulassungen, den Reisen und dem Plastikmüll gegeben. Zudem sei „der Kalte Krieg“ wieder da. „In Deutschland denkt man darüber nach, neue Mittelstreckenraketen zu stationieren. Bleibt zu hoffen, dass sie aus einheimischer Produktion stammen, damit die Nichteinsetzbarkeit gewährleistet ist.“ Zwar seien Fahnen und Plakate für einen Protest noch im Keller, „aber Sitzblockaden gehen nicht mehr, weil wir mittlerweile alle aus dem Schneidersitz nicht mehr hochkommen und Polizisten dankbar sind, wenn sie uns wegtragen“. Quasi Welpenschutz gewährte er der schwedischen Klimaschutzaktivistin Greta Thunberg und dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. „Mit 16 Jahren haben wir im Partykeller gesessen und Flaschen gedreht.“ Greta sprach als 16-Jährige vor dem Weltwirtschaftsforum, vor dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss in Brüssel, nahm am UN-Klimagipfel und an der Generalversammlung der Vereinten Nationen teil. Sie initiierte „Schulstreiks für das Klima“, aus denen die globale Bewegung „Fridays for Future“ wurde. Kevin Kühnert sei der „Kalle Wirsch“ der Jusos, die harmlos seien und nur spielen wollten. Härter fiel die Kritik bei Peter Altmaier, „dem Laufburschen der Arbeitgeberverbände“ im Club der Deutschen Unternehmer kurz CDU, und Angela Merkel aus. Die er wie Helmut Kohl und andere Politiker perfekt imitierte. Zu allen relevanten Themen wie Klimawandel, Mietexplosion, Neonazis, steigender Kriminalitätsrate, maroden Straßen oder ins Ausland verschobenen Milliarden habe man von der Kanzlerin nichts gehört. Aufgetaucht sei sie erst wieder bei ihrer 15. Neujahrsansprache. „Nach ihren Aussagen zu den Klimaveränderungen und ihren Folgen habe ich mir den WDR-Kinderchor gewünscht.“ Vergeblich von ihr erhofft habe er sich am Ende ihrer Amtszeit mutige Worte.

Warnung vor der „braunen Brut“

Er verglich Merkel mit einem „dahindümpelnden Beiboot“. Bewunderungswürdig sei ihr Schachzug bei der Nominierung für den EU-Kommissionspräsidenten gewesen. Da wurde aus Manfred (Weber) Ursula (von der Leyen). Die sei dann zur Endlagerung nach Brüssel verschickt worden. Seinem Publikum rief er zu: „Denkt immer daran, die da oben sind nur ein Teil von uns da unten“. Er warnte alle Wähler, ihre Stimmen nicht der braunen Brut zu geben, um den Etablierten einen Denkzettel zu verpassen. „Was ist, wenn aus dem Denkzettel ein Aktenordner wird?“

Mit Blick auf das Klima sagte er, dass in den 1970er-Jahren der Ablasshandel aus einem „Ölwechsel im Wald“ bestand. Heute könnten Verschmutzungsrechte von Staaten untereinander verschachert werden. Mit welchem Recht? Erschütternd sei es im Land der Dichter und Denker, dass „überall die Sprache wegkippt zugunsten von leichter zu grölenden Parolen“. Beschäftigen würden sich Politiker nicht mit den in Bankpostfächern in der Karibik friedlich schlummernden Milliarden, sondern sie holten sich Steuerausfälle jetzt mit der Boni-Pflicht bei den Bäckern wieder. Mit Blick auf den Brexit lästerte er: „Die Kriminalitätsrate im Rhein-Main-Gebiet wird dramatisch ansteigen. Kein Wunder, es kommen aus London nur Banker nach Frankfurt.“ Zum Abschied sagte Urban Priol: „2020 wird mit Sicherheit wieder so bescheuert wie es 2019 war. Machen wir das Beste daraus, strengen wir uns an!“



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