Werte und Routineverhalten müssen hinterfragt werden

Jutta Deffner, Markus Coenen, Thomas Schmid, Mechthild Harting und Dr. Oliver Jedynak (v. l.) diskutieren kontrovers über das Klima und die politischen Hebelwirkungen. Foto: nl

Bad Homburg (nl). Es ist bemerkenswert, wie da in den Räumen der Werner-Reimers-Stiftung die „Bad Homburg Conferences“ ein Thema aufgreifen, das für jede Partei zu einer großen und nicht mehr wegzudenkenden Aufgabe geworden ist: der Klimawandel und damit auch der Schutz des Klimas. Veranstalter zahlreicher Podiumsdiskussionen waren die Stadt und das Forschungskolleg Humanwissenschaften. Bad Homburg wurde zu einer Art Wissenschaftsstandort, so viele Experten und Wissenschaftler waren zusammengekommen, um sich auszutauschen und zu debattieren.

„Der Klimawandel ist kein Zukunftsszenario mehr, wir sind längst mittendrin. Hitzesommer und Dürre betreffen und bedrohen uns alle, Starkregen und Flutkatastrophen können überall auftreten, und: Sie werden häufiger und heftiger“, sagt Professor Dr. Thomas Schmid. Umso bedeutungsvoller ist der Beitrag von Dr. Jutta Deffner zu werten, die in der Mobilitätswende eine der entscheidenden Veränderungen sieht. Dort liege die Chance eines grundlegenden Wandels im alltäglichen Verhalten eines jeden Bürgers. Die Mobilitätswende sieht die Leiterin des Instituts für sozial-ökologische Forschung in Frankfurt als einen Bereich, in dem „Werte und Routineverhalten“ hinterfragt werden müssen. Supermärkte nicht mehr an den Rand einer Stadt zu verlegen, wohin man nur mit dem Auto fahren kann, sei eines von vielen Themen einer neuen „Mobilitätskultur“.

Mit ihr auf dem Podium saß Bad Homburgs Bürgermeister Dr. Oliver Jedynak. Er ist gleichzeitig Nachhaltigkeitsdezernent für Klimaschutz, Umwelt und Mobilität und hat damit eine einmalige Position als Politiker im Rhein-Main-Gebiet inne, wie Moderatorin Mechthild Harting, Redakteurin der Rhein-Main-Zeitung der FAZ, anmerkte. Die Idee, in der Stadt nur noch Elektrobusse statt Busse mit Verbrennungsmotor einzusetzen, hat er als Vision im Blick. Man bemühe sich auch um den Ausbau von Fahrradwegen, so Jedynak.

„Wir beschäftigen uns seit 20 Jahren mit dem Klimawandel, wir leben weit über unsere Verhältnisse beim CO2-Ausstoß – wir wissen das alle – also, warum setzen wir dieses Wissen nicht in Handeln um? Viele Leute wissen viel über den Klimawandel.“ Das große Problem sei, so erklärte Thomas Schmid, Präsident des Hessischen Landesamts für Naturschutz, Umwelt und Geologie, dass Alltagshandeln nicht wissensbasiert sei, sondern sich nach Gewohnheiten richte. „Und wenn ich Ihnen sagen würde, ich verbiete Ihnen McDonalds, ich verbiete Ihnen Ihr großes Auto, ich verbiete Ihnen das Fliegen, dann würden Sie sagen, der spinnt!“, führte Schmid aus. Kern des Problems sei, dass die Reaktion auf Verbote Widerstand sei.

Für das Erreichen der Klimaziele in Deutschland ist in den kommenden zehn Jahren eine gewaltige Kraftanstrengung erforderlich. Bad Homburg gibt sich zwar das Ziel „Klimaneutralität“, hat jedoch noch keinen genauen Zeitpunkt im Blick. Dafür mangele es noch an entsprechenden Expertisen und einem fehlenden Masterplan, so Jedynak. Bis Ende des Jahres aber, verspricht der Bürgermeister, werde sich das Stadtparlament über eine Bestandsaufnahme zum Thema Klimaneutralität verständigt haben.



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